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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769.

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Der Messias.
Ja, du Hoffnung, auch zu erwachen, mit Christus zu leben!
Geuß du deine Freuden auf die, die in Christus entschlafen,
Gnadevoll aus, damit sie das Graun der Verwesung nicht schrecke!
Selige Stunde, welche nun bald, zu entzücken, hervorbricht,
Eine nicht zählbare Zahl unsterblicher Leben, aller,
Welche, jenseits der Gräber, die Kinder Adams einst leben,
Liegen, o Stunde seines Erwachens, in dir verborgen!
Welche Leben! und welche Besitzer der Leben ohn' Ende!
Meine Kinder seyd ihr! Zerreiß den Felsen, und ströme,
Ewiger Quell der ewigen Leben! zu großen Wassern
Wirst du werden, o Quell, zu Gottes Ocean! ströme!

Also betete sie. Der Engel am Grabe des Todten
Schwebt' in die Wolken hinauf der Herrlichkeit Christus entgegen.
Wie es den tausendmal tausend der Todten Gottes einst seyn wird,
Hat das große Wehe vom Falle bis an den Gerichtstag
Ausgeklagt; steigt nicht mit jedem Tropfen der Zeit mehr,
Der hinträuft in das Meer der Vergänglichkeit, eines Gebohrnen
Weinen, oder eines Sterbenden Röcheln gen Himmel
Unter die Preisgesänge der Unentweihten vom Tode,
Wie es ihnen wird seyn, wenn mit des letzten der Tage
Morgendämmerung nun das lange Wehe des Weinens,
Und des Röchelns auf ewig verstummt; sie werden vor Wonne
Freudig erschrecken! aus ihrem erhobnen dankendem Auge
Thränen der Seligkeit stürzen! und ihrer Jubel Triumphlied
Wird mit jener Posaune, der Todtenweckerinn, streiten,
Streiten, und überwinden! wie dann es wird der Gerechten
Tausendmal Tausend seyn, so war es der kleineren Schaar jetzt,
Die

Der Meſſias.
Ja, du Hoffnung, auch zu erwachen, mit Chriſtus zu leben!
Geuß du deine Freuden auf die, die in Chriſtus entſchlafen,
Gnadevoll aus, damit ſie das Graun der Verweſung nicht ſchrecke!
Selige Stunde, welche nun bald, zu entzuͤcken, hervorbricht,
Eine nicht zaͤhlbare Zahl unſterblicher Leben, aller,
Welche, jenſeits der Graͤber, die Kinder Adams einſt leben,
Liegen, o Stunde ſeines Erwachens, in dir verborgen!
Welche Leben! und welche Beſitzer der Leben ohn’ Ende!
Meine Kinder ſeyd ihr! Zerreiß den Felſen, und ſtroͤme,
Ewiger Quell der ewigen Leben! zu großen Waſſern
Wirſt du werden, o Quell, zu Gottes Ocean! ſtroͤme!

Alſo betete ſie. Der Engel am Grabe des Todten
Schwebt’ in die Wolken hinauf der Herrlichkeit Chriſtus entgegen.
Wie es den tauſendmal tauſend der Todten Gottes einſt ſeyn wird,
Hat das große Wehe vom Falle bis an den Gerichtstag
Ausgeklagt; ſteigt nicht mit jedem Tropfen der Zeit mehr,
Der hintraͤuft in das Meer der Vergaͤnglichkeit, eines Gebohrnen
Weinen, oder eines Sterbenden Roͤcheln gen Himmel
Unter die Preisgeſaͤnge der Unentweihten vom Tode,
Wie es ihnen wird ſeyn, wenn mit des letzten der Tage
Morgendaͤmmerung nun das lange Wehe des Weinens,
Und des Roͤchelns auf ewig verſtummt; ſie werden vor Wonne
Freudig erſchrecken! aus ihrem erhobnen dankendem Auge
Thraͤnen der Seligkeit ſtuͤrzen! und ihrer Jubel Triumphlied
Wird mit jener Poſaune, der Todtenweckerinn, ſtreiten,
Streiten, und uͤberwinden! wie dann es wird der Gerechten
Tauſendmal Tauſend ſeyn, ſo war es der kleineren Schaar jetzt,
Die
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[126/0142] Der Meſſias. Ja, du Hoffnung, auch zu erwachen, mit Chriſtus zu leben! Geuß du deine Freuden auf die, die in Chriſtus entſchlafen, Gnadevoll aus, damit ſie das Graun der Verweſung nicht ſchrecke! Selige Stunde, welche nun bald, zu entzuͤcken, hervorbricht, Eine nicht zaͤhlbare Zahl unſterblicher Leben, aller, Welche, jenſeits der Graͤber, die Kinder Adams einſt leben, Liegen, o Stunde ſeines Erwachens, in dir verborgen! Welche Leben! und welche Beſitzer der Leben ohn’ Ende! Meine Kinder ſeyd ihr! Zerreiß den Felſen, und ſtroͤme, Ewiger Quell der ewigen Leben! zu großen Waſſern Wirſt du werden, o Quell, zu Gottes Ocean! ſtroͤme! Alſo betete ſie. Der Engel am Grabe des Todten Schwebt’ in die Wolken hinauf der Herrlichkeit Chriſtus entgegen. Wie es den tauſendmal tauſend der Todten Gottes einſt ſeyn wird, Hat das große Wehe vom Falle bis an den Gerichtstag Ausgeklagt; ſteigt nicht mit jedem Tropfen der Zeit mehr, Der hintraͤuft in das Meer der Vergaͤnglichkeit, eines Gebohrnen Weinen, oder eines Sterbenden Roͤcheln gen Himmel Unter die Preisgeſaͤnge der Unentweihten vom Tode, Wie es ihnen wird ſeyn, wenn mit des letzten der Tage Morgendaͤmmerung nun das lange Wehe des Weinens, Und des Roͤchelns auf ewig verſtummt; ſie werden vor Wonne Freudig erſchrecken! aus ihrem erhobnen dankendem Auge Thraͤnen der Seligkeit ſtuͤrzen! und ihrer Jubel Triumphlied Wird mit jener Poſaune, der Todtenweckerinn, ſtreiten, Streiten, und uͤberwinden! wie dann es wird der Gerechten Tauſendmal Tauſend ſeyn, ſo war es der kleineren Schaar jetzt, Die

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Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias03_1769/142>, abgerufen am 26.04.2024.