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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769.

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Dreyzehnter Gesang.
Denn ein unendlicher Geber bist du! ein unendlicher! Bebend
Schwieg sie, und schon auf ihrer jetzigen Stufe zu stehen,
Wonnevoll. Sie entzückte den Kreis der Erben des Lebens,
Und sie sangen ihr zu, und Donner wurde das Zittern
Jhrer Harfen: Unendlich ist Er! unendlich der Geber!
Jst unendlich! Und wir sind endlich! Gefühl voll Entzückung
Von dem großen Geber, dem Vater der Wesen, der Liebe,
Gnad' um Gnade zu nehmen! du Durst, der ewig gestillt wird!
Ach, eh werden in Nacht die neuen Erden, in Dämmrung
Eh der neue Himmel verlöschen, eh deiner Erbarmung
Unversiegender, ewiger Strom die Dürstenden leer läßt!
Sieh, am Fuße des Throns entspringet sein Quell, ein Weltmeer,
Rauschet, und fällt, in Gefilden der Nacht, in Gefilden des Tages,
Fällt von Erde zu Erde, zu Sonne von Sonne die Himmel
Aller Himmel herab! Der durch Sich Selige höret
Seines Rauschens Getön! Jhn hören die Söhne des Lebens
Durch die Welten umher, und kommen, und schöpfen Entzückung!
Ach erlöstes Geschlecht, ihr Brüder des Todten, und unsre,
Säumet nicht, kommt zu dem Strome des Heils. Das wankende Straucheln
Eures Fußes leitet ein Starker! ein Helfer voll Hülfe!
Der, obwohl sein Herz schon brach, mit mächtigem Rufen
Rief: Es ist vollendet! Wie nach viel Schweissen ein Müder
Jn der Abenddämmerung schläft, so schläft nur der Starke
Jetzt im Grabe. Der Löw' auch Juda schlummert in Schatten.
Weniger trunken, o Hölle, vom Taumelkelche der Rache,
Würdest du verstummen, damit der schlafende Starke
Aus dem Schlummer sich nicht, und aus den Schatten erhübe.

Aber
H 3

Dreyzehnter Geſang.
Denn ein unendlicher Geber biſt du! ein unendlicher! Bebend
Schwieg ſie, und ſchon auf ihrer jetzigen Stufe zu ſtehen,
Wonnevoll. Sie entzuͤckte den Kreis der Erben des Lebens,
Und ſie ſangen ihr zu, und Donner wurde das Zittern
Jhrer Harfen: Unendlich iſt Er! unendlich der Geber!
Jſt unendlich! Und wir ſind endlich! Gefuͤhl voll Entzuͤckung
Von dem großen Geber, dem Vater der Weſen, der Liebe,
Gnad’ um Gnade zu nehmen! du Durſt, der ewig geſtillt wird!
Ach, eh werden in Nacht die neuen Erden, in Daͤmmrung
Eh der neue Himmel verloͤſchen, eh deiner Erbarmung
Unverſiegender, ewiger Strom die Duͤrſtenden leer laͤßt!
Sieh, am Fuße des Throns entſpringet ſein Quell, ein Weltmeer,
Rauſchet, und faͤllt, in Gefilden der Nacht, in Gefilden des Tages,
Faͤllt von Erde zu Erde, zu Sonne von Sonne die Himmel
Aller Himmel herab! Der durch Sich Selige hoͤret
Seines Rauſchens Getoͤn! Jhn hoͤren die Soͤhne des Lebens
Durch die Welten umher, und kommen, und ſchoͤpfen Entzuͤckung!
Ach erloͤſtes Geſchlecht, ihr Bruͤder des Todten, und unſre,
Saͤumet nicht, kommt zu dem Strome des Heils. Das wankende Straucheln
Eures Fußes leitet ein Starker! ein Helfer voll Huͤlfe!
Der, obwohl ſein Herz ſchon brach, mit maͤchtigem Rufen
Rief: Es iſt vollendet! Wie nach viel Schweiſſen ein Muͤder
Jn der Abenddaͤmmerung ſchlaͤft, ſo ſchlaͤft nur der Starke
Jetzt im Grabe. Der Loͤw’ auch Juda ſchlummert in Schatten.
Weniger trunken, o Hoͤlle, vom Taumelkelche der Rache,
Wuͤrdeſt du verſtummen, damit der ſchlafende Starke
Aus dem Schlummer ſich nicht, und aus den Schatten erhuͤbe.

Aber
H 3
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[117/0133] Dreyzehnter Geſang. Denn ein unendlicher Geber biſt du! ein unendlicher! Bebend Schwieg ſie, und ſchon auf ihrer jetzigen Stufe zu ſtehen, Wonnevoll. Sie entzuͤckte den Kreis der Erben des Lebens, Und ſie ſangen ihr zu, und Donner wurde das Zittern Jhrer Harfen: Unendlich iſt Er! unendlich der Geber! Jſt unendlich! Und wir ſind endlich! Gefuͤhl voll Entzuͤckung Von dem großen Geber, dem Vater der Weſen, der Liebe, Gnad’ um Gnade zu nehmen! du Durſt, der ewig geſtillt wird! Ach, eh werden in Nacht die neuen Erden, in Daͤmmrung Eh der neue Himmel verloͤſchen, eh deiner Erbarmung Unverſiegender, ewiger Strom die Duͤrſtenden leer laͤßt! Sieh, am Fuße des Throns entſpringet ſein Quell, ein Weltmeer, Rauſchet, und faͤllt, in Gefilden der Nacht, in Gefilden des Tages, Faͤllt von Erde zu Erde, zu Sonne von Sonne die Himmel Aller Himmel herab! Der durch Sich Selige hoͤret Seines Rauſchens Getoͤn! Jhn hoͤren die Soͤhne des Lebens Durch die Welten umher, und kommen, und ſchoͤpfen Entzuͤckung! Ach erloͤſtes Geſchlecht, ihr Bruͤder des Todten, und unſre, Saͤumet nicht, kommt zu dem Strome des Heils. Das wankende Straucheln Eures Fußes leitet ein Starker! ein Helfer voll Huͤlfe! Der, obwohl ſein Herz ſchon brach, mit maͤchtigem Rufen Rief: Es iſt vollendet! Wie nach viel Schweiſſen ein Muͤder Jn der Abenddaͤmmerung ſchlaͤft, ſo ſchlaͤft nur der Starke Jetzt im Grabe. Der Loͤw’ auch Juda ſchlummert in Schatten. Weniger trunken, o Hoͤlle, vom Taumelkelche der Rache, Wuͤrdeſt du verſtummen, damit der ſchlafende Starke Aus dem Schlummer ſich nicht, und aus den Schatten erhuͤbe. Aber H 3

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Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias03_1769/133>, abgerufen am 25.04.2024.