Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 2. Halle, 1756.

Bild:
<< vorherige Seite

Siebender Gesang.

Folgt ihm, aber ermüdet, mit wankendem Schritte. Sie sahn ihn
Fernher kommen. Es wies mit der Rechte Pilatus zurücke,
Rief herunter: Jch führ ihn heraus, ihr Jsraeliten,
Euch es noch einmal zu sagen, daß er den Tod nicht verdient hat.
Jesus kam nun näher, sie sahn es, wie er, im Purpur,
Und, mit der blutigen Krone, zum Richtstul herantrat. Jzt stand er.
Pontius rief mit der Stimme des Mitleids zu ihnen herunter:

Sehet, welch ein Mensch! ... Jndem Pilatus es sagte,
Gab der Versöner den Engeln, die um ihn bebten, Befehle;
Nicht durch Worte, sie sahn es in des Göttlichen Antliz,
Was er, wegen der Jünger, und wegen der andern Erwählten,
Jhnen gebot. Geheimere, himmlische Tröstungen warens,
Ruh im Elend! Wenn ich am hohen Kreuze nun blute! ...
Wenn ich todt bin! und nun, nun unter den Schlafenden liege! ...
Pontius hatte gewünscht des Volkes Herz zu erweichen,
Aber sie zeigten ihm bald, wie fühllos sie waren. Sie riefen,
Und das Rufen der Priester erscholl vor dem Brüllen der Menge:
Kreuzige! riefen sie wieder. Da brach Pilatus im Zorn aus:
Nehmt ihr ihn hin, und kreuzigt ihn! Denn ich sind ihn nicht schuldig.
Pontius sprichts mit geflügelten Worten, und wendet sich zornvoll.
Kaiphas aber ereilt ihn, und sagt: Es hat schon, Pilatus,
Unser Gesetz sein Urtheil gesprochen, nach dem muß er sterben!
Denn er machte sich selbst zum Sohne Gottes. Der Heide
Zittert', als er den Namen von einem Göttersohn hörte.
Und er ging mit Jesu zurück, und fragt ihn voll Unruh:
Sag, von wannen du bist? Der Gottmensch schwieg bey der Frage.
Pontius zürnt, und sagt: Du redest also mit mir nicht?
Weist

Siebender Geſang.

Folgt ihm, aber ermuͤdet, mit wankendem Schritte. Sie ſahn ihn
Fernher kommen. Es wies mit der Rechte Pilatus zuruͤcke,
Rief herunter: Jch fuͤhr ihn heraus, ihr Jſraeliten,
Euch es noch einmal zu ſagen, daß er den Tod nicht verdient hat.
Jeſus kam nun naͤher, ſie ſahn es, wie er, im Purpur,
Und, mit der blutigen Krone, zum Richtſtul herantrat. Jzt ſtand er.
Pontius rief mit der Stimme des Mitleids zu ihnen herunter:

Sehet, welch ein Menſch! … Jndem Pilatus es ſagte,
Gab der Verſoͤner den Engeln, die um ihn bebten, Befehle;
Nicht durch Worte, ſie ſahn es in des Goͤttlichen Antliz,
Was er, wegen der Juͤnger, und wegen der andern Erwaͤhlten,
Jhnen gebot. Geheimere, himmliſche Troͤſtungen warens,
Ruh im Elend! Wenn ich am hohen Kreuze nun blute! …
Wenn ich todt bin! und nun, nun unter den Schlafenden liege! …
Pontius hatte gewuͤnſcht des Volkes Herz zu erweichen,
Aber ſie zeigten ihm bald, wie fuͤhllos ſie waren. Sie riefen,
Und das Rufen der Prieſter erſcholl vor dem Bruͤllen der Menge:
Kreuzige! riefen ſie wieder. Da brach Pilatus im Zorn aus:
Nehmt ihr ihn hin, und kreuzigt ihn! Denn ich ſind ihn nicht ſchuldig.
Pontius ſprichts mit gefluͤgelten Worten, und wendet ſich zornvoll.
Kaiphas aber ereilt ihn, und ſagt: Es hat ſchon, Pilatus,
Unſer Geſetz ſein Urtheil geſprochen, nach dem muß er ſterben!
Denn er machte ſich ſelbſt zum Sohne Gottes. Der Heide
Zittert’, als er den Namen von einem Goͤtterſohn hoͤrte.
Und er ging mit Jeſu zuruͤck, und fragt ihn voll Unruh:
Sag, von wannen du biſt? Der Gottmenſch ſchwieg bey der Frage.
Pontius zuͤrnt, und ſagt: Du redeſt alſo mit mir nicht?
Weiſt
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="51">
              <l>
                <pb facs="#f0085" n="61"/>
                <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Siebender Ge&#x017F;ang.</hi> </fw>
              </l><lb/>
              <l>Folgt ihm, aber ermu&#x0364;det, mit wankendem Schritte. Sie &#x017F;ahn ihn</l><lb/>
              <l>Fernher kommen. Es wies mit der Rechte Pilatus zuru&#x0364;cke,</l><lb/>
              <l>Rief herunter: Jch fu&#x0364;hr ihn heraus, ihr J&#x017F;raeliten,</l><lb/>
              <l>Euch es noch einmal zu &#x017F;agen, daß er den Tod nicht verdient hat.</l><lb/>
              <l>Je&#x017F;us kam nun na&#x0364;her, &#x017F;ie &#x017F;ahn es, wie er, im Purpur,</l><lb/>
              <l>Und, mit der blutigen Krone, zum Richt&#x017F;tul herantrat. Jzt &#x017F;tand er.</l><lb/>
              <l>Pontius rief mit der Stimme des Mitleids zu ihnen herunter:</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="52">
              <l>Sehet, welch ein Men&#x017F;ch! &#x2026; Jndem Pilatus es &#x017F;agte,</l><lb/>
              <l>Gab der Ver&#x017F;o&#x0364;ner den Engeln, die um ihn bebten, Befehle;</l><lb/>
              <l>Nicht durch Worte, &#x017F;ie &#x017F;ahn es in des Go&#x0364;ttlichen Antliz,</l><lb/>
              <l>Was er, wegen der Ju&#x0364;nger, und wegen der andern Erwa&#x0364;hlten,</l><lb/>
              <l>Jhnen gebot. Geheimere, himmli&#x017F;che Tro&#x0364;&#x017F;tungen warens,</l><lb/>
              <l>Ruh im Elend! Wenn ich am hohen Kreuze nun blute! &#x2026;</l><lb/>
              <l>Wenn ich todt bin! und nun, nun unter den Schlafenden liege! &#x2026;</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="53">
              <l>Pontius hatte gewu&#x0364;n&#x017F;cht des Volkes Herz zu erweichen,</l><lb/>
              <l>Aber &#x017F;ie zeigten ihm bald, wie fu&#x0364;hllos &#x017F;ie waren. Sie riefen,</l><lb/>
              <l>Und das Rufen der Prie&#x017F;ter er&#x017F;choll vor dem Bru&#x0364;llen der Menge:</l><lb/>
              <l>Kreuzige! riefen &#x017F;ie wieder. Da brach Pilatus im Zorn aus:</l><lb/>
              <l>Nehmt ihr ihn hin, und kreuzigt ihn! Denn ich &#x017F;ind ihn nicht &#x017F;chuldig.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="54">
              <l>Pontius &#x017F;prichts mit geflu&#x0364;gelten Worten, und wendet &#x017F;ich zornvoll.</l><lb/>
              <l>Kaiphas aber ereilt ihn, und &#x017F;agt: Es hat &#x017F;chon, Pilatus,</l><lb/>
              <l>Un&#x017F;er Ge&#x017F;etz &#x017F;ein Urtheil ge&#x017F;prochen, nach dem muß er &#x017F;terben!</l><lb/>
              <l>Denn er machte &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t zum Sohne Gottes. Der Heide</l><lb/>
              <l>Zittert&#x2019;, als er den Namen von einem Go&#x0364;tter&#x017F;ohn ho&#x0364;rte.</l><lb/>
              <l>Und er ging mit Je&#x017F;u zuru&#x0364;ck, und fragt ihn voll Unruh:</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="55">
              <l>Sag, von wannen du bi&#x017F;t? Der Gottmen&#x017F;ch &#x017F;chwieg bey der Frage.</l><lb/>
              <l>Pontius zu&#x0364;rnt, und &#x017F;agt: Du rede&#x017F;t al&#x017F;o mit mir nicht?<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Wei&#x017F;t</fw><lb/></l>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[61/0085] Siebender Geſang. Folgt ihm, aber ermuͤdet, mit wankendem Schritte. Sie ſahn ihn Fernher kommen. Es wies mit der Rechte Pilatus zuruͤcke, Rief herunter: Jch fuͤhr ihn heraus, ihr Jſraeliten, Euch es noch einmal zu ſagen, daß er den Tod nicht verdient hat. Jeſus kam nun naͤher, ſie ſahn es, wie er, im Purpur, Und, mit der blutigen Krone, zum Richtſtul herantrat. Jzt ſtand er. Pontius rief mit der Stimme des Mitleids zu ihnen herunter: Sehet, welch ein Menſch! … Jndem Pilatus es ſagte, Gab der Verſoͤner den Engeln, die um ihn bebten, Befehle; Nicht durch Worte, ſie ſahn es in des Goͤttlichen Antliz, Was er, wegen der Juͤnger, und wegen der andern Erwaͤhlten, Jhnen gebot. Geheimere, himmliſche Troͤſtungen warens, Ruh im Elend! Wenn ich am hohen Kreuze nun blute! … Wenn ich todt bin! und nun, nun unter den Schlafenden liege! … Pontius hatte gewuͤnſcht des Volkes Herz zu erweichen, Aber ſie zeigten ihm bald, wie fuͤhllos ſie waren. Sie riefen, Und das Rufen der Prieſter erſcholl vor dem Bruͤllen der Menge: Kreuzige! riefen ſie wieder. Da brach Pilatus im Zorn aus: Nehmt ihr ihn hin, und kreuzigt ihn! Denn ich ſind ihn nicht ſchuldig. Pontius ſprichts mit gefluͤgelten Worten, und wendet ſich zornvoll. Kaiphas aber ereilt ihn, und ſagt: Es hat ſchon, Pilatus, Unſer Geſetz ſein Urtheil geſprochen, nach dem muß er ſterben! Denn er machte ſich ſelbſt zum Sohne Gottes. Der Heide Zittert’, als er den Namen von einem Goͤtterſohn hoͤrte. Und er ging mit Jeſu zuruͤck, und fragt ihn voll Unruh: Sag, von wannen du biſt? Der Gottmenſch ſchwieg bey der Frage. Pontius zuͤrnt, und ſagt: Du redeſt alſo mit mir nicht? Weiſt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias02_1756
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias02_1756/85
Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 2. Halle, 1756, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias02_1756/85>, abgerufen am 21.11.2024.