[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 2. Halle, 1756.Der Messias. Barrabas, als er um sich nicht mehr den eisernen Klang hört, Und nun frey ist, schüttelt sich, brüllt mit stürmender Freude, Steht, verstummt, und läuft, dann steht er wieder! Das Volk bebt, Wo er hintrit, zurück. So erschrikt ein heisser Verbrecher Vor der vollendeten That. Doch Philo ergözte der Anblick. Auch hätt er gern den Versöner begleitet. Er ging an dem Thore Hin und herwärts, und stand, und hätt ihn gerne gesehen, Gerne Stimmen der Angst von ihm im Triumphe vernommen. Aber o du, die vom Gottversöner ihr Antliz gewandt hat, Sing, Sionitinn, die Geißlung, das Rohr, den Purpurmantel, Und die Krone! doch nur mit Einem weinenden Laute. Um ihn ist nun die Wache, viel niedrige Seelen, versammelt. Und sie kleiden ihn ungestüm aus. So entblättert der Sturmwind Jn der durstenden Wüste, worin kein lebendiger Quell rinnt, Einen einsamen Baum, des Wandrers heisses Verlangen. Und sie rissen ihn fort zu einem Pfeiler, und banden Jhn an den Pfeiler hinauf; und Blut quoll unter der Geissel! Du, Eloa, du sahst es, und sankst vom Himmel zur Erde. Drauf verhüllten sie ihn in einen Mantel von Purpur, Gaben in seine Recht' ihm ein Rohr, und drückten von Dornen Eine Kron auf sein Haupt; und Blut quoll unter der Krone! Und, wie ein Sterblicher, betet vom Staube zu ihm Eloa. Dann. ... Doch mir sinket die Hand die Harf herab, ich vermag nicht Alle Leiden des ewigen Sohns, sie alle zu singen! Pontius sah, wie er litt, und entschloß sich wieder zum Mitleid Das er empfand, das Volk zu bewegen. Er winkte dem Mittler, Jhm zu folgen, und ging heraus nach Gabbatha. Jesus Folgt
Der Meſſias. Barrabas, als er um ſich nicht mehr den eiſernen Klang hoͤrt, Und nun frey iſt, ſchuͤttelt ſich, bruͤllt mit ſtuͤrmender Freude, Steht, verſtummt, und laͤuft, dann ſteht er wieder! Das Volk bebt, Wo er hintrit, zuruͤck. So erſchrikt ein heiſſer Verbrecher Vor der vollendeten That. Doch Philo ergoͤzte der Anblick. Auch haͤtt er gern den Verſoͤner begleitet. Er ging an dem Thore Hin und herwaͤrts, und ſtand, und haͤtt ihn gerne geſehen, Gerne Stimmen der Angſt von ihm im Triumphe vernommen. Aber o du, die vom Gottverſoͤner ihr Antliz gewandt hat, Sing, Sionitinn, die Geißlung, das Rohr, den Purpurmantel, Und die Krone! doch nur mit Einem weinenden Laute. Um ihn iſt nun die Wache, viel niedrige Seelen, verſammelt. Und ſie kleiden ihn ungeſtuͤm aus. So entblaͤttert der Sturmwind Jn der durſtenden Wuͤſte, worin kein lebendiger Quell rinnt, Einen einſamen Baum, des Wandrers heiſſes Verlangen. Und ſie riſſen ihn fort zu einem Pfeiler, und banden Jhn an den Pfeiler hinauf; und Blut quoll unter der Geiſſel! Du, Eloa, du ſahſt es, und ſankſt vom Himmel zur Erde. Drauf verhuͤllten ſie ihn in einen Mantel von Purpur, Gaben in ſeine Recht’ ihm ein Rohr, und druͤckten von Dornen Eine Kron auf ſein Haupt; und Blut quoll unter der Krone! Und, wie ein Sterblicher, betet vom Staube zu ihm Eloa. Dann. … Doch mir ſinket die Hand die Harf herab, ich vermag nicht Alle Leiden des ewigen Sohns, ſie alle zu ſingen! Pontius ſah, wie er litt, und entſchloß ſich wieder zum Mitleid Das er empfand, das Volk zu bewegen. Er winkte dem Mittler, Jhm zu folgen, und ging heraus nach Gabbatha. Jeſus Folgt
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Der Meſſias.
Barrabas, als er um ſich nicht mehr den eiſernen Klang hoͤrt,
Und nun frey iſt, ſchuͤttelt ſich, bruͤllt mit ſtuͤrmender Freude,
Steht, verſtummt, und laͤuft, dann ſteht er wieder! Das Volk bebt,
Wo er hintrit, zuruͤck. So erſchrikt ein heiſſer Verbrecher
Vor der vollendeten That. Doch Philo ergoͤzte der Anblick.
Auch haͤtt er gern den Verſoͤner begleitet. Er ging an dem Thore
Hin und herwaͤrts, und ſtand, und haͤtt ihn gerne geſehen,
Gerne Stimmen der Angſt von ihm im Triumphe vernommen.
Aber o du, die vom Gottverſoͤner ihr Antliz gewandt hat,
Sing, Sionitinn, die Geißlung, das Rohr, den Purpurmantel,
Und die Krone! doch nur mit Einem weinenden Laute.
Um ihn iſt nun die Wache, viel niedrige Seelen, verſammelt.
Und ſie kleiden ihn ungeſtuͤm aus. So entblaͤttert der Sturmwind
Jn der durſtenden Wuͤſte, worin kein lebendiger Quell rinnt,
Einen einſamen Baum, des Wandrers heiſſes Verlangen.
Und ſie riſſen ihn fort zu einem Pfeiler, und banden
Jhn an den Pfeiler hinauf; und Blut quoll unter der Geiſſel!
Du, Eloa, du ſahſt es, und ſankſt vom Himmel zur Erde.
Drauf verhuͤllten ſie ihn in einen Mantel von Purpur,
Gaben in ſeine Recht’ ihm ein Rohr, und druͤckten von Dornen
Eine Kron auf ſein Haupt; und Blut quoll unter der Krone!
Und, wie ein Sterblicher, betet vom Staube zu ihm Eloa.
Dann. … Doch mir ſinket die Hand die Harf herab, ich vermag nicht
Alle Leiden des ewigen Sohns, ſie alle zu ſingen!
Pontius ſah, wie er litt, und entſchloß ſich wieder zum Mitleid
Das er empfand, das Volk zu bewegen. Er winkte dem Mittler,
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