[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 2. Halle, 1756.
Und
Und
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg n="71"> <l> <pb facs="#f0186" n="156"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der Meſſias.</hi> </fw> </l><lb/> <l>Die den Bruder nicht ganz, mit herzlicher Liebe nicht, lieben;</l><lb/> <l>Wer zwar wohlthut, allein geſehn will werden, und Ehre,</l><lb/> <l>Fuͤr die leichteſte Pflicht der Menſchlichkeit, Ehre verlanget!</l><lb/> <l>Wer nur halb dem Feinde verzeiht, unbiegſam, der Rache</l><lb/> <l>Deß, der raͤchen will, alles zu uͤberlaſſen, noch minder</l><lb/> <l>Faͤhig, den, der ihm flucht, aus voller Seele, zu ſegnen!</l><lb/> <l>Alle, die uͤber das Grab zu ſelten blicken, zu fluͤchtig</l><lb/> <l>An die Unſterblichkeit denken, zu der du, ihr Gott, ſie gemacht haſt;</l><lb/> <l>Wenn ſie die Stimme der Huld, die ſanfte des Vaters, nicht hoͤren:</l><lb/> <l>Herr! ſo ruf ſie durch Leiden, aus ihren Jrren, zuruͤcke!</l><lb/> <l>Aber die ganz von Gott abweichen, das Laſter zum Abgott</l><lb/> <l>Machen, und ſclaviſch dem falſchen, dem ſpottenden Peiniger dienen;</l><lb/> <l>Die Unſeligen wecke, von ihrem Tode, durch Elend!</l><lb/> <l>Meine Kinder, ach, meine Kinder, er liebt unausſprechlich,</l><lb/> <l>Der am Kreuze, fuͤr euch, ſein Leben dem Ewigen opfert!</l><lb/> <l>Jſt es moͤglich, Unſterbliche, koͤnnt ihr euern Verſoͤner,</l><lb/> <l>Euern Beruf, zu wandeln im Lichte, im Himmel, verkennen?</l><lb/> <l>Ruͤhre die ſteinernen Herzen mit deiner allmaͤchtigen Liebe!</l><lb/> <l>Schaffe ſie um, und bringe ſie rein zum Ewigen wieder!</l><lb/> <l>Euer erſchuͤttertes Herz, es hoͤre die Stimme des Blutes,</l><lb/> <l>Das von Golgatha ſtroͤmt, und Gnade! Gnade! fuͤr euch fleht,</l><lb/> <l>Gnade! … Mit heiligem Schauer vernehme ſie eure Seele,</l><lb/> <l>Mit Anbetung, und jener Entzuͤckung, des ewigen Lebens</l><lb/> <l>Vorſchmack, welcher die Erben des Grabs, beym Anblick des Todes,</l><lb/> <l>Ueberſchwenglicher ſtaͤrkt, als alle Weisheit der Erde!</l><lb/> <l>Nicht des Sterbenden brechender Blick! noch der liegende Todte!</l><lb/> <l>Nicht die Gruft voll Verweſungen! nicht die verzehrende Flamme!</l><lb/> <l>Nicht die Aſche des Todten, zerſtreut in die Tiefen der Schoͤpfung!</l><lb/> <l>Nichts, was deinen Raͤcher, den Tod, mit Furchtbarkeit ruͤſtet,</l><lb/> <l>Wird ſie ſchrecken! Denn du erhoͤrſt mein Flehn, du Erwuͤrgter!<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Und</fw><lb/></l> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [156/0186]
Der Meſſias.
Die den Bruder nicht ganz, mit herzlicher Liebe nicht, lieben;
Wer zwar wohlthut, allein geſehn will werden, und Ehre,
Fuͤr die leichteſte Pflicht der Menſchlichkeit, Ehre verlanget!
Wer nur halb dem Feinde verzeiht, unbiegſam, der Rache
Deß, der raͤchen will, alles zu uͤberlaſſen, noch minder
Faͤhig, den, der ihm flucht, aus voller Seele, zu ſegnen!
Alle, die uͤber das Grab zu ſelten blicken, zu fluͤchtig
An die Unſterblichkeit denken, zu der du, ihr Gott, ſie gemacht haſt;
Wenn ſie die Stimme der Huld, die ſanfte des Vaters, nicht hoͤren:
Herr! ſo ruf ſie durch Leiden, aus ihren Jrren, zuruͤcke!
Aber die ganz von Gott abweichen, das Laſter zum Abgott
Machen, und ſclaviſch dem falſchen, dem ſpottenden Peiniger dienen;
Die Unſeligen wecke, von ihrem Tode, durch Elend!
Meine Kinder, ach, meine Kinder, er liebt unausſprechlich,
Der am Kreuze, fuͤr euch, ſein Leben dem Ewigen opfert!
Jſt es moͤglich, Unſterbliche, koͤnnt ihr euern Verſoͤner,
Euern Beruf, zu wandeln im Lichte, im Himmel, verkennen?
Ruͤhre die ſteinernen Herzen mit deiner allmaͤchtigen Liebe!
Schaffe ſie um, und bringe ſie rein zum Ewigen wieder!
Euer erſchuͤttertes Herz, es hoͤre die Stimme des Blutes,
Das von Golgatha ſtroͤmt, und Gnade! Gnade! fuͤr euch fleht,
Gnade! … Mit heiligem Schauer vernehme ſie eure Seele,
Mit Anbetung, und jener Entzuͤckung, des ewigen Lebens
Vorſchmack, welcher die Erben des Grabs, beym Anblick des Todes,
Ueberſchwenglicher ſtaͤrkt, als alle Weisheit der Erde!
Nicht des Sterbenden brechender Blick! noch der liegende Todte!
Nicht die Gruft voll Verweſungen! nicht die verzehrende Flamme!
Nicht die Aſche des Todten, zerſtreut in die Tiefen der Schoͤpfung!
Nichts, was deinen Raͤcher, den Tod, mit Furchtbarkeit ruͤſtet,
Wird ſie ſchrecken! Denn du erhoͤrſt mein Flehn, du Erwuͤrgter!
Und
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