[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 2. Halle, 1756.
Seine F 4
Seine F 4
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg n="40"> <l> <pb facs="#f0113" n="87"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Achter Geſang.</hi> </fw> </l><lb/> <l>Mein Verſoͤner, und meiner Gebohrnen! Die Himmel erſchollen,</l><lb/> <l>Und der Thron des Ewigen klang von der Stimme der Liebe,</l><lb/> <l>Die der Verbrecherinn Leben gebot, unſterbliches Leben:</l><lb/> <l>Aber du ſtirbſt! izt ſtirbſt du! Zwar iſt es ewige Gnade,</l><lb/> <l>Die mich losſprach: aber du ſtirbſt! Er dringt, wie ein Wetter,</l><lb/> <l>Gegen mich an, der Gedanke voll Nacht! Die Unſterblichkeit ſtuͤrzt er</l><lb/> <l>Zu den Graͤbern zuruͤck! Ach laß mich dir, Goͤttlicher, weinen!</l><lb/> <l>Zwar biſt du, fuͤr Thraͤnen zu groß; doch laß mich dir weinen!</l><lb/> <l>Sieh, ich durſte nach Ruh! vergieb, vergieb auch die Thraͤnen!</l><lb/> <l>Du Verſoͤner! du Opfer! des Todes Opfer! mein Mittler!</l><lb/> <l>Wundenvoller! Geliebter! o, du Geliebter! du Liebe!</l><lb/> <l>Du verzeiheſt! … Verzeihet ihr auch, zum Tode gebohrne,</l><lb/> <l>Jhr, die Eva gebahr? Wenn mir ihr Roͤcheln, ihr lezter,</l><lb/> <l>Starrender Blick mir flucht, ſo ſegne du mich, Erwuͤrgter!</l><lb/> <l>Flucht der Todten nicht, Kinder! Um euch durchweint ich mein Leben;</l><lb/> <l>Da mein Herz brach, weint ich um euch; und Thraͤnen verweſten</l><lb/> <l>Mit der Verweſenden! … Bricht nun euer Herz auch, Kinder!</l><lb/> <l>Nun im Tode; ſo ſtroͤmt aus ſeinen Wunden euch Wonne,</l><lb/> <l>Wonne des beſſern Lebens euch zu! Jhr ſterbt nicht, ihr ſchlummert</l><lb/> <l>Nur zu dem Wundenvollen hinauf! Dann glaͤnzen die Wunden,</l><lb/> <l>Seine Wunden, die Wunden des Unerſchaffnen, der todt war.</l><lb/> <l>Flucht der Mutter nicht, Kinder! Jhr ſeyd unſterblich, und Er iſt</l><lb/> <l>Jeſus Chriſtus, iſt auch mein Sohn! Ach aber, Geliebter!</l><lb/> <l>Du, der Geliebten Geliebteſter! du … (doch dich nennet kein Nam’ aus!)</l><lb/> <l>Siehe, du ſtirbſt! O waͤr ſie die truͤbe, die bebende Stunde,</l><lb/> <l>Waͤr ſie, mit Fluͤgeln des Lichts, voruͤber geflogen! Gedanke!</l><lb/> <l>Grabgedanke, laß ab! … Noch wird ſie bleicher, noch ſinkt ſie<lb/> <fw place="bottom" type="sig">F 4</fw><fw place="bottom" type="catch">Seine</fw><lb/></l> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [87/0113]
Achter Geſang.
Mein Verſoͤner, und meiner Gebohrnen! Die Himmel erſchollen,
Und der Thron des Ewigen klang von der Stimme der Liebe,
Die der Verbrecherinn Leben gebot, unſterbliches Leben:
Aber du ſtirbſt! izt ſtirbſt du! Zwar iſt es ewige Gnade,
Die mich losſprach: aber du ſtirbſt! Er dringt, wie ein Wetter,
Gegen mich an, der Gedanke voll Nacht! Die Unſterblichkeit ſtuͤrzt er
Zu den Graͤbern zuruͤck! Ach laß mich dir, Goͤttlicher, weinen!
Zwar biſt du, fuͤr Thraͤnen zu groß; doch laß mich dir weinen!
Sieh, ich durſte nach Ruh! vergieb, vergieb auch die Thraͤnen!
Du Verſoͤner! du Opfer! des Todes Opfer! mein Mittler!
Wundenvoller! Geliebter! o, du Geliebter! du Liebe!
Du verzeiheſt! … Verzeihet ihr auch, zum Tode gebohrne,
Jhr, die Eva gebahr? Wenn mir ihr Roͤcheln, ihr lezter,
Starrender Blick mir flucht, ſo ſegne du mich, Erwuͤrgter!
Flucht der Todten nicht, Kinder! Um euch durchweint ich mein Leben;
Da mein Herz brach, weint ich um euch; und Thraͤnen verweſten
Mit der Verweſenden! … Bricht nun euer Herz auch, Kinder!
Nun im Tode; ſo ſtroͤmt aus ſeinen Wunden euch Wonne,
Wonne des beſſern Lebens euch zu! Jhr ſterbt nicht, ihr ſchlummert
Nur zu dem Wundenvollen hinauf! Dann glaͤnzen die Wunden,
Seine Wunden, die Wunden des Unerſchaffnen, der todt war.
Flucht der Mutter nicht, Kinder! Jhr ſeyd unſterblich, und Er iſt
Jeſus Chriſtus, iſt auch mein Sohn! Ach aber, Geliebter!
Du, der Geliebten Geliebteſter! du … (doch dich nennet kein Nam’ aus!)
Siehe, du ſtirbſt! O waͤr ſie die truͤbe, die bebende Stunde,
Waͤr ſie, mit Fluͤgeln des Lichts, voruͤber geflogen! Gedanke!
Grabgedanke, laß ab! … Noch wird ſie bleicher, noch ſinkt ſie
Seine
F 4
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