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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751.

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Dritter Gesang.

Schau sein frommes einnehmendes Antlitz. Die göttliche Tugend
Wohnet da gern. Den Sterblichen wird ihr strenges Betragen,
Wenn er vor ihnen sie übt, weit liebenswürdiger werden.
Du wirst viel zu Jesu versammeln. Sie werden dein Ende
Sehen und sich wundern, wenn du im Schweiße des Todes
Deinen Mördern und Brüdern, gleich jungen Seraphim, lächelst.
Wischet mit mir, wenn er stirbt, das Blut von seinem Gesichte,
Himmlische Kräfte, damit sein abschiednehmendes Lächeln
Alle Versammlungen sehn, und sich zu Jesu bekehren.

Jener blasse verstummende Jüngling, sprach Elim itzt weiter,
Jst mein auserwählter Lebbäus. So zärtlich und fühlend,
Als die Seele des stillen Lebbäus, sind wenig erschaffen.
Da ich aus jenem Gefilde sie rief, wo die Seelen der Menschen
Vor des Leibes Geburt, sich selbst noch unbekannt, schweben,
Fand ich sie im Trüben nächst einer rinnenden Quelle,
Die, wie von fern herweinende Stimmen, bangrauschend ins Thal floß.
Hier hat einmal, wie die Engel erzählen, der traurige Seraph,
Abbadona geweint, als er einst aus Eden zurückkam,
Und das erste Paar Menschen der heiligen Unschuld beraubt sah.
Auch wißt ihr wohl, daß Seraphim oft hier die Seelen beklagen,
Denen sie Gott zu Vertrauten erkohr, die aber auf Erden
Erst die heilige Jugend mit frommer Unschuld bekrönen,
Dann den Anfang des göttlichen Lebens entheiligen werden.
Ach, sie wird, vom Laster entstellt, ein schreckliches Ende
Nehmen. Sie sinds, um die vor ihrer unselgen Geburtszeit
Brüderlich, mit Seufzern der himmlischen Freundschaft, mit Thränen,
Men-
F 2

Dritter Geſang.

Schau ſein frommes einnehmendes Antlitz. Die goͤttliche Tugend
Wohnet da gern. Den Sterblichen wird ihr ſtrenges Betragen,
Wenn er vor ihnen ſie uͤbt, weit liebenswuͤrdiger werden.
Du wirſt viel zu Jeſu verſammeln. Sie werden dein Ende
Sehen und ſich wundern, wenn du im Schweiße des Todes
Deinen Moͤrdern und Bruͤdern, gleich jungen Seraphim, laͤchelſt.
Wiſchet mit mir, wenn er ſtirbt, das Blut von ſeinem Geſichte,
Himmliſche Kraͤfte, damit ſein abſchiednehmendes Laͤcheln
Alle Verſammlungen ſehn, und ſich zu Jeſu bekehren.

Jener blaſſe verſtummende Juͤngling, ſprach Elim itzt weiter,
Jſt mein auserwaͤhlter Lebbaͤus. So zaͤrtlich und fuͤhlend,
Als die Seele des ſtillen Lebbaͤus, ſind wenig erſchaffen.
Da ich aus jenem Gefilde ſie rief, wo die Seelen der Menſchen
Vor des Leibes Geburt, ſich ſelbſt noch unbekannt, ſchweben,
Fand ich ſie im Truͤben naͤchſt einer rinnenden Quelle,
Die, wie von fern herweinende Stimmen, bangrauſchend ins Thal floß.
Hier hat einmal, wie die Engel erzaͤhlen, der traurige Seraph,
Abbadona geweint, als er einſt aus Eden zuruͤckkam,
Und das erſte Paar Menſchen der heiligen Unſchuld beraubt ſah.
Auch wißt ihr wohl, daß Seraphim oft hier die Seelen beklagen,
Denen ſie Gott zu Vertrauten erkohr, die aber auf Erden
Erſt die heilige Jugend mit frommer Unſchuld bekroͤnen,
Dann den Anfang des goͤttlichen Lebens entheiligen werden.
Ach, ſie wird, vom Laſter entſtellt, ein ſchreckliches Ende
Nehmen. Sie ſinds, um die vor ihrer unſelgen Geburtszeit
Bruͤderlich, mit Seufzern der himmliſchen Freundſchaft, mit Thraͤnen,
Men-
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[83/0095] Dritter Geſang. Schau ſein frommes einnehmendes Antlitz. Die goͤttliche Tugend Wohnet da gern. Den Sterblichen wird ihr ſtrenges Betragen, Wenn er vor ihnen ſie uͤbt, weit liebenswuͤrdiger werden. Du wirſt viel zu Jeſu verſammeln. Sie werden dein Ende Sehen und ſich wundern, wenn du im Schweiße des Todes Deinen Moͤrdern und Bruͤdern, gleich jungen Seraphim, laͤchelſt. Wiſchet mit mir, wenn er ſtirbt, das Blut von ſeinem Geſichte, Himmliſche Kraͤfte, damit ſein abſchiednehmendes Laͤcheln Alle Verſammlungen ſehn, und ſich zu Jeſu bekehren. Jener blaſſe verſtummende Juͤngling, ſprach Elim itzt weiter, Jſt mein auserwaͤhlter Lebbaͤus. So zaͤrtlich und fuͤhlend, Als die Seele des ſtillen Lebbaͤus, ſind wenig erſchaffen. Da ich aus jenem Gefilde ſie rief, wo die Seelen der Menſchen Vor des Leibes Geburt, ſich ſelbſt noch unbekannt, ſchweben, Fand ich ſie im Truͤben naͤchſt einer rinnenden Quelle, Die, wie von fern herweinende Stimmen, bangrauſchend ins Thal floß. Hier hat einmal, wie die Engel erzaͤhlen, der traurige Seraph, Abbadona geweint, als er einſt aus Eden zuruͤckkam, Und das erſte Paar Menſchen der heiligen Unſchuld beraubt ſah. Auch wißt ihr wohl, daß Seraphim oft hier die Seelen beklagen, Denen ſie Gott zu Vertrauten erkohr, die aber auf Erden Erſt die heilige Jugend mit frommer Unſchuld bekroͤnen, Dann den Anfang des goͤttlichen Lebens entheiligen werden. Ach, ſie wird, vom Laſter entſtellt, ein ſchreckliches Ende Nehmen. Sie ſinds, um die vor ihrer unſelgen Geburtszeit Bruͤderlich, mit Seufzern der himmliſchen Freundſchaft, mit Thraͤnen, Men- F 2

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Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias01_1751/95>, abgerufen am 23.11.2024.