Ach, wie selig sind wir, daß uns ihr Meister erlesen, Jhre Beschützer und Freunde zu seyn! Da sehen wir immer, Wie er mit süsser geselliger Liebe sich ihnen eröffnet, Wie er sie lehrt, wie er bald mit mächtigen Reden den Eingang Zu den hohen Geheimnissen zeigt, bald in menschlichen Bildern Dich, unsterbliche Tugend, verklärter und fühlbarer zeiget, Und nach und nach ihr empfindendes Herz zur Ewigkeit bildet. O wie viel erlernen wir da! wie macht uns sein Beyspiel Aufmerksam, und wie reizet er uns, ihm anbetend zu folgen! Selia, solltest du ihn und seinen göttlichen Wandel, Und sein edles, des ewigen Vaters so würdiges Leben Täglich sehen, dein Herz zerflöß in stiller Entzückung! Auch ist es schön, und klinget auch selbst in unsterblichen Ohren Lieblich, wenn seine Vertrauten von ihm sich zärtlich besprechen. Freund, wie wir uns, so lieben sie ihn. Jch hab es hier öfters Jn der Versammlung gesagt, und wiederhol es auch itzo: Vielmals wünsch ich von Adams Geschlecht, ja selber auch sterblich Mit den Menschen zu seyn; wenn anders ohne die Sünde Eine Sterblichkeit seyn kann. Vielleicht verehrt ich ihn treuer. Meinen Bruder von eben dem Fleisch und Blute gebohren Liebt ich vielleicht weit brünstiger noch. Mit welcher Entzückung Wollt ich ihn loben; mein schwaches Geseufz, mein sterbendes Stammeln Sollte so harmonisch, wie die hohen Lieder Eloa, Wenn er am Throne vorbeygeht, im Ohre der Gottheit ertönen. Alsdann solltest du, Selia, mir, oder einer von diesen,
Sanft
Der Meßias.
Ach, wie ſelig ſind wir, daß uns ihr Meiſter erleſen, Jhre Beſchuͤtzer und Freunde zu ſeyn! Da ſehen wir immer, Wie er mit ſuͤſſer geſelliger Liebe ſich ihnen eroͤffnet, Wie er ſie lehrt, wie er bald mit maͤchtigen Reden den Eingang Zu den hohen Geheimniſſen zeigt, bald in menſchlichen Bildern Dich, unſterbliche Tugend, verklaͤrter und fuͤhlbarer zeiget, Und nach und nach ihr empfindendes Herz zur Ewigkeit bildet. O wie viel erlernen wir da! wie macht uns ſein Beyſpiel Aufmerkſam, und wie reizet er uns, ihm anbetend zu folgen! Selia, ſollteſt du ihn und ſeinen goͤttlichen Wandel, Und ſein edles, des ewigen Vaters ſo wuͤrdiges Leben Taͤglich ſehen, dein Herz zerfloͤß in ſtiller Entzuͤckung! Auch iſt es ſchoͤn, und klinget auch ſelbſt in unſterblichen Ohren Lieblich, wenn ſeine Vertrauten von ihm ſich zaͤrtlich beſprechen. Freund, wie wir uns, ſo lieben ſie ihn. Jch hab es hier oͤfters Jn der Verſammlung geſagt, und wiederhol es auch itzo: Vielmals wuͤnſch ich von Adams Geſchlecht, ja ſelber auch ſterblich Mit den Menſchen zu ſeyn; wenn anders ohne die Suͤnde Eine Sterblichkeit ſeyn kann. Vielleicht verehrt ich ihn treuer. Meinen Bruder von eben dem Fleiſch und Blute gebohren Liebt ich vielleicht weit bruͤnſtiger noch. Mit welcher Entzuͤckung Wollt ich ihn loben; mein ſchwaches Geſeufz, mein ſterbendes Stammeln Sollte ſo harmoniſch, wie die hohen Lieder Eloa, Wenn er am Throne vorbeygeht, im Ohre der Gottheit ertoͤnen. Alsdann ſollteſt du, Selia, mir, oder einer von dieſen,
Sanft
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><lgtype="poem"><lgn="9"><l><pbfacs="#f0088"n="76"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Der Meßias.</hi></fw></l><lb/><l>Ach, wie ſelig ſind wir, daß uns ihr Meiſter erleſen,</l><lb/><l>Jhre Beſchuͤtzer und Freunde zu ſeyn! Da ſehen wir immer,</l><lb/><l>Wie er mit ſuͤſſer geſelliger Liebe ſich ihnen eroͤffnet,</l><lb/><l>Wie er ſie lehrt, wie er bald mit maͤchtigen Reden den Eingang</l><lb/><l>Zu den hohen Geheimniſſen zeigt, bald in menſchlichen Bildern</l><lb/><l>Dich, unſterbliche Tugend, verklaͤrter und fuͤhlbarer zeiget,</l><lb/><l>Und nach und nach ihr empfindendes Herz zur Ewigkeit bildet.</l><lb/><l>O wie viel erlernen wir da! wie macht uns ſein Beyſpiel</l><lb/><l>Aufmerkſam, und wie reizet er uns, ihm anbetend zu folgen!</l><lb/><l>Selia, ſollteſt du ihn und ſeinen goͤttlichen Wandel,</l><lb/><l>Und ſein edles, des ewigen Vaters ſo wuͤrdiges Leben</l><lb/><l>Taͤglich ſehen, dein Herz zerfloͤß in ſtiller Entzuͤckung!</l><lb/><l>Auch iſt es ſchoͤn, und klinget auch ſelbſt in unſterblichen Ohren</l><lb/><l>Lieblich, wenn ſeine Vertrauten von ihm ſich zaͤrtlich beſprechen.</l><lb/><l>Freund, wie wir uns, ſo lieben ſie ihn. Jch hab es hier oͤfters</l><lb/><l>Jn der Verſammlung geſagt, und wiederhol es auch itzo:</l><lb/><l>Vielmals wuͤnſch ich von Adams Geſchlecht, ja ſelber auch ſterblich</l><lb/><l>Mit den Menſchen zu ſeyn; wenn anders ohne die Suͤnde</l><lb/><l>Eine Sterblichkeit ſeyn kann. Vielleicht verehrt ich ihn treuer.</l><lb/><l>Meinen Bruder von eben dem Fleiſch und Blute gebohren</l><lb/><l>Liebt ich vielleicht weit bruͤnſtiger noch. Mit welcher Entzuͤckung</l><lb/><l>Wollt ich ihn loben; mein ſchwaches Geſeufz, mein ſterbendes Stammeln</l><lb/><l>Sollte ſo harmoniſch, wie die hohen Lieder Eloa,</l><lb/><l>Wenn er am Throne vorbeygeht, im Ohre der Gottheit ertoͤnen.</l><lb/><l>Alsdann ſollteſt du, Selia, mir, oder einer von dieſen,<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Sanft</fw><lb/></l></lg></lg></div></div></body></text></TEI>
[76/0088]
Der Meßias.
Ach, wie ſelig ſind wir, daß uns ihr Meiſter erleſen,
Jhre Beſchuͤtzer und Freunde zu ſeyn! Da ſehen wir immer,
Wie er mit ſuͤſſer geſelliger Liebe ſich ihnen eroͤffnet,
Wie er ſie lehrt, wie er bald mit maͤchtigen Reden den Eingang
Zu den hohen Geheimniſſen zeigt, bald in menſchlichen Bildern
Dich, unſterbliche Tugend, verklaͤrter und fuͤhlbarer zeiget,
Und nach und nach ihr empfindendes Herz zur Ewigkeit bildet.
O wie viel erlernen wir da! wie macht uns ſein Beyſpiel
Aufmerkſam, und wie reizet er uns, ihm anbetend zu folgen!
Selia, ſollteſt du ihn und ſeinen goͤttlichen Wandel,
Und ſein edles, des ewigen Vaters ſo wuͤrdiges Leben
Taͤglich ſehen, dein Herz zerfloͤß in ſtiller Entzuͤckung!
Auch iſt es ſchoͤn, und klinget auch ſelbſt in unſterblichen Ohren
Lieblich, wenn ſeine Vertrauten von ihm ſich zaͤrtlich beſprechen.
Freund, wie wir uns, ſo lieben ſie ihn. Jch hab es hier oͤfters
Jn der Verſammlung geſagt, und wiederhol es auch itzo:
Vielmals wuͤnſch ich von Adams Geſchlecht, ja ſelber auch ſterblich
Mit den Menſchen zu ſeyn; wenn anders ohne die Suͤnde
Eine Sterblichkeit ſeyn kann. Vielleicht verehrt ich ihn treuer.
Meinen Bruder von eben dem Fleiſch und Blute gebohren
Liebt ich vielleicht weit bruͤnſtiger noch. Mit welcher Entzuͤckung
Wollt ich ihn loben; mein ſchwaches Geſeufz, mein ſterbendes Stammeln
Sollte ſo harmoniſch, wie die hohen Lieder Eloa,
Wenn er am Throne vorbeygeht, im Ohre der Gottheit ertoͤnen.
Alsdann ſollteſt du, Selia, mir, oder einer von dieſen,
Sanft
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias01_1751/88>, abgerufen am 17.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.