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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751.

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Der Meßias.

Seufzend schlug er sein Angesicht nieder. Jtzt wollt er zurückgehn,
Jtzo wollt er sich nähern, dann wollt er verlassen und schüchtern
Jns Unermeßliche fliehen; allein noch blieb er mit Zittern
Wehmuthsvoll stehn. Nun faßt er sich ganz auf einmal zusammen,
Gieng auf ihn zu. Jhm klopste sein Herz mit mächtigen Schlägen;
Stille, den Engeln nur weinbare Thränen bedeckten sein Antlitz;
Seufzer aus tiefer erbebender Brust; ein langsamer Schauer,
Sterbenden selbst unempfindbar, erschütterten Abbadona,
Jndem er gieng. Doch Abdiels ruhig eröffnetes Auge
Schaut unverwandt nach der Welt des Schöpfers, dem er getreu blieb;
Jhn sah es nicht. Wie die Sonn in der Jugend, wie Frühlingstage,
Die in den Schoß der kaum erschaffnen Erde sich senkten,
Glänzte der Seraph, doch nicht für den traurigen Abbadona.
Dieser gieng fort, und seufzte bey sich verlassen und einsam:

Abdiel, mein Bruder, du willst dich mir ewig entziehen!
Ewig willst du mich ferne von dir in der Einsamkeit lassen!
Weinet um mich, ihr Kinder des Lichts! Er liebt mich nicht wieder,
Ewig nicht wieder, ach weinet um mich! Verblühet, ihr Lauben,
Wo wir von Gott und unserer Freundschaft uns zärtlich besprachen!
Himmlische Bäche, versiegt, wo wir, in süßer Umarmung,
Gottes des Ewigen Lob mit reiner Stimme besangen!
Abdiel, mein Bruder, der ist mir auf ewig gestorben!
Du mein finsterer Aufenthalt, Hölle, du Mutter der Quaalen,
Ewige Nacht, beklag ihn mit mir! Ein nächtliches Jammern
Stei-

Der Meßias.

Seufzend ſchlug er ſein Angeſicht nieder. Jtzt wollt er zuruͤckgehn,
Jtzo wollt er ſich naͤhern, dann wollt er verlaſſen und ſchuͤchtern
Jns Unermeßliche fliehen; allein noch blieb er mit Zittern
Wehmuthsvoll ſtehn. Nun faßt er ſich ganz auf einmal zuſammen,
Gieng auf ihn zu. Jhm klopſte ſein Herz mit maͤchtigen Schlaͤgen;
Stille, den Engeln nur weinbare Thraͤnen bedeckten ſein Antlitz;
Seufzer aus tiefer erbebender Bruſt; ein langſamer Schauer,
Sterbenden ſelbſt unempfindbar, erſchuͤtterten Abbadona,
Jndem er gieng. Doch Abdiels ruhig eroͤffnetes Auge
Schaut unverwandt nach der Welt des Schoͤpfers, dem er getreu blieb;
Jhn ſah es nicht. Wie die Sonn in der Jugend, wie Fruͤhlingstage,
Die in den Schoß der kaum erſchaffnen Erde ſich ſenkten,
Glaͤnzte der Seraph, doch nicht fuͤr den traurigen Abbadona.
Dieſer gieng fort, und ſeufzte bey ſich verlaſſen und einſam:

Abdiel, mein Bruder, du willſt dich mir ewig entziehen!
Ewig willſt du mich ferne von dir in der Einſamkeit laſſen!
Weinet um mich, ihr Kinder des Lichts! Er liebt mich nicht wieder,
Ewig nicht wieder, ach weinet um mich! Verbluͤhet, ihr Lauben,
Wo wir von Gott und unſerer Freundſchaft uns zaͤrtlich beſprachen!
Himmliſche Baͤche, verſiegt, wo wir, in ſuͤßer Umarmung,
Gottes des Ewigen Lob mit reiner Stimme beſangen!
Abdiel, mein Bruder, der iſt mir auf ewig geſtorben!
Du mein finſterer Aufenthalt, Hoͤlle, du Mutter der Quaalen,
Ewige Nacht, beklag ihn mit mir! Ein naͤchtliches Jammern
Stei-
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[62/0074] Der Meßias. Seufzend ſchlug er ſein Angeſicht nieder. Jtzt wollt er zuruͤckgehn, Jtzo wollt er ſich naͤhern, dann wollt er verlaſſen und ſchuͤchtern Jns Unermeßliche fliehen; allein noch blieb er mit Zittern Wehmuthsvoll ſtehn. Nun faßt er ſich ganz auf einmal zuſammen, Gieng auf ihn zu. Jhm klopſte ſein Herz mit maͤchtigen Schlaͤgen; Stille, den Engeln nur weinbare Thraͤnen bedeckten ſein Antlitz; Seufzer aus tiefer erbebender Bruſt; ein langſamer Schauer, Sterbenden ſelbſt unempfindbar, erſchuͤtterten Abbadona, Jndem er gieng. Doch Abdiels ruhig eroͤffnetes Auge Schaut unverwandt nach der Welt des Schoͤpfers, dem er getreu blieb; Jhn ſah es nicht. Wie die Sonn in der Jugend, wie Fruͤhlingstage, Die in den Schoß der kaum erſchaffnen Erde ſich ſenkten, Glaͤnzte der Seraph, doch nicht fuͤr den traurigen Abbadona. Dieſer gieng fort, und ſeufzte bey ſich verlaſſen und einſam: Abdiel, mein Bruder, du willſt dich mir ewig entziehen! Ewig willſt du mich ferne von dir in der Einſamkeit laſſen! Weinet um mich, ihr Kinder des Lichts! Er liebt mich nicht wieder, Ewig nicht wieder, ach weinet um mich! Verbluͤhet, ihr Lauben, Wo wir von Gott und unſerer Freundſchaft uns zaͤrtlich beſprachen! Himmliſche Baͤche, verſiegt, wo wir, in ſuͤßer Umarmung, Gottes des Ewigen Lob mit reiner Stimme beſangen! Abdiel, mein Bruder, der iſt mir auf ewig geſtorben! Du mein finſterer Aufenthalt, Hoͤlle, du Mutter der Quaalen, Ewige Nacht, beklag ihn mit mir! Ein naͤchtliches Jammern Stei-

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Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias01_1751/74>, abgerufen am 25.11.2024.