Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite

Erster Gesang.

Nebst ihm die Erde zugleich in geheimer Stille beherrschten.
Diesen sollt er noch itzt, vor seiner Erhebung zur Sonne,
Jenes Verlangen der seligen Geister, die nahe Versöhnung,
Und den zweyten erhabenen Ruhetag Gottes eröffnen.

Der du nach Gabriel itzt den Kreis der Erlösung beherrschest,
Göttlicher Schutzgeist der Mutter so vieler unsterblichen Kinder,
Die sie, wie ihre Begleiter, die schnellen Jahrhunderte, flüchtig,
Und unerschöpflich am Reichthum, den höhern Gegenden sendet,
Und dann des ewigen Geistes in Trümmern zerfallne Behausung
Unter verlassenen Hügeln in traurige Dunkelheit einschließt;
O du dieser verherrlichten Erden erwählter Beschützer,
Seraph Eloa, verzeih dieß deinem zukünftigen Freunde,
Wenn er deinen seit Edens Erschaffung verborgenen Wohnplatz,
Von der heiligen Muse gelehrt, den Sterblichen zeiget.
Hat er sich iemals, voll einsamer Wollust, in tiefe Gedanken
Und in den hellen Bezirk der stillen Entzückung verlohren;
Hat mit Gedanken der Geister sich sein Gedanke vereinet,
Und die enthüllete Seele der Götter Rede vernommen;
O so hör ihn, Eloa, wenn er, wie die himmlische Jugend,
Kühn und erhaben, nicht modernde Trümmern der Vorwelt besinget,
Sondern den Bürgern der göttlichen Erde dein Heiligthum aufthut.
Jn dem stillen Bezirk des unbetrachteten Nordpols
Herrschet die Mitternacht ewig einsiedlerisch. Dunkel und Wolken
Fließen von ihr, wie ein sinkendes Meer, unaufhörlich herunter.
So lag unter der Finsterniß Gottes, von Mosen gerufen,
Ehmals
B 5

Erſter Geſang.

Nebſt ihm die Erde zugleich in geheimer Stille beherrſchten.
Dieſen ſollt er noch itzt, vor ſeiner Erhebung zur Sonne,
Jenes Verlangen der ſeligen Geiſter, die nahe Verſoͤhnung,
Und den zweyten erhabenen Ruhetag Gottes eroͤffnen.

Der du nach Gabriel itzt den Kreis der Erloͤſung beherrſcheſt,
Goͤttlicher Schutzgeiſt der Mutter ſo vieler unſterblichen Kinder,
Die ſie, wie ihre Begleiter, die ſchnellen Jahrhunderte, fluͤchtig,
Und unerſchoͤpflich am Reichthum, den hoͤhern Gegenden ſendet,
Und dann des ewigen Geiſtes in Truͤmmern zerfallne Behauſung
Unter verlaſſenen Huͤgeln in traurige Dunkelheit einſchließt;
O du dieſer verherrlichten Erden erwaͤhlter Beſchuͤtzer,
Seraph Eloa, verzeih dieß deinem zukuͤnftigen Freunde,
Wenn er deinen ſeit Edens Erſchaffung verborgenen Wohnplatz,
Von der heiligen Muſe gelehrt, den Sterblichen zeiget.
Hat er ſich iemals, voll einſamer Wolluſt, in tiefe Gedanken
Und in den hellen Bezirk der ſtillen Entzuͤckung verlohren;
Hat mit Gedanken der Geiſter ſich ſein Gedanke vereinet,
Und die enthuͤllete Seele der Goͤtter Rede vernommen;
O ſo hoͤr ihn, Eloa, wenn er, wie die himmliſche Jugend,
Kuͤhn und erhaben, nicht modernde Truͤmmern der Vorwelt beſinget,
Sondern den Buͤrgern der goͤttlichen Erde dein Heiligthum aufthut.
Jn dem ſtillen Bezirk des unbetrachteten Nordpols
Herrſchet die Mitternacht ewig einſiedleriſch. Dunkel und Wolken
Fließen von ihr, wie ein ſinkendes Meer, unaufhoͤrlich herunter.
So lag unter der Finſterniß Gottes, von Moſen gerufen,
Ehmals
B 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="35">
              <l>
                <pb facs="#f0037" n="25"/>
                <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Er&#x017F;ter Ge&#x017F;ang.</hi> </fw>
              </l><lb/>
              <l>Neb&#x017F;t ihm die Erde zugleich in geheimer Stille beherr&#x017F;chten.</l><lb/>
              <l>Die&#x017F;en &#x017F;ollt er noch itzt, vor &#x017F;einer Erhebung zur Sonne,</l><lb/>
              <l>Jenes Verlangen der &#x017F;eligen Gei&#x017F;ter, die nahe Ver&#x017F;o&#x0364;hnung,</l><lb/>
              <l>Und den zweyten erhabenen Ruhetag Gottes ero&#x0364;ffnen.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="36">
              <l>Der du nach Gabriel itzt den Kreis der Erlo&#x0364;&#x017F;ung beherr&#x017F;che&#x017F;t,</l><lb/>
              <l>Go&#x0364;ttlicher Schutzgei&#x017F;t der Mutter &#x017F;o vieler un&#x017F;terblichen Kinder,</l><lb/>
              <l>Die &#x017F;ie, wie ihre Begleiter, die &#x017F;chnellen Jahrhunderte, flu&#x0364;chtig,</l><lb/>
              <l>Und uner&#x017F;cho&#x0364;pflich am Reichthum, den ho&#x0364;hern Gegenden &#x017F;endet,</l><lb/>
              <l>Und dann des ewigen Gei&#x017F;tes in Tru&#x0364;mmern zerfallne Behau&#x017F;ung</l><lb/>
              <l>Unter verla&#x017F;&#x017F;enen Hu&#x0364;geln in traurige Dunkelheit ein&#x017F;chließt;</l><lb/>
              <l>O du die&#x017F;er verherrlichten Erden erwa&#x0364;hlter Be&#x017F;chu&#x0364;tzer,</l><lb/>
              <l>Seraph Eloa, verzeih dieß deinem zuku&#x0364;nftigen Freunde,</l><lb/>
              <l>Wenn er deinen &#x017F;eit Edens Er&#x017F;chaffung verborgenen Wohnplatz,</l><lb/>
              <l>Von der heiligen Mu&#x017F;e gelehrt, den Sterblichen zeiget.</l><lb/>
              <l>Hat er &#x017F;ich iemals, voll ein&#x017F;amer Wollu&#x017F;t, in tiefe Gedanken</l><lb/>
              <l>Und in den hellen Bezirk der &#x017F;tillen Entzu&#x0364;ckung verlohren;</l><lb/>
              <l>Hat mit Gedanken der Gei&#x017F;ter &#x017F;ich &#x017F;ein Gedanke vereinet,</l><lb/>
              <l>Und die enthu&#x0364;llete Seele der Go&#x0364;tter Rede vernommen;</l><lb/>
              <l>O &#x017F;o ho&#x0364;r ihn, Eloa, wenn er, wie die himmli&#x017F;che Jugend,</l><lb/>
              <l>Ku&#x0364;hn und erhaben, nicht modernde Tru&#x0364;mmern der Vorwelt be&#x017F;inget,</l><lb/>
              <l>Sondern den Bu&#x0364;rgern der go&#x0364;ttlichen Erde dein Heiligthum aufthut.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="37">
              <l>Jn dem &#x017F;tillen Bezirk des unbetrachteten Nordpols</l><lb/>
              <l>Herr&#x017F;chet die Mitternacht ewig ein&#x017F;iedleri&#x017F;ch. Dunkel und Wolken</l><lb/>
              <l>Fließen von ihr, wie ein &#x017F;inkendes Meer, unaufho&#x0364;rlich herunter.</l><lb/>
              <l>So lag unter der Fin&#x017F;terniß Gottes, von Mo&#x017F;en gerufen,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">B 5</fw><fw place="bottom" type="catch">Ehmals</fw><lb/></l>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[25/0037] Erſter Geſang. Nebſt ihm die Erde zugleich in geheimer Stille beherrſchten. Dieſen ſollt er noch itzt, vor ſeiner Erhebung zur Sonne, Jenes Verlangen der ſeligen Geiſter, die nahe Verſoͤhnung, Und den zweyten erhabenen Ruhetag Gottes eroͤffnen. Der du nach Gabriel itzt den Kreis der Erloͤſung beherrſcheſt, Goͤttlicher Schutzgeiſt der Mutter ſo vieler unſterblichen Kinder, Die ſie, wie ihre Begleiter, die ſchnellen Jahrhunderte, fluͤchtig, Und unerſchoͤpflich am Reichthum, den hoͤhern Gegenden ſendet, Und dann des ewigen Geiſtes in Truͤmmern zerfallne Behauſung Unter verlaſſenen Huͤgeln in traurige Dunkelheit einſchließt; O du dieſer verherrlichten Erden erwaͤhlter Beſchuͤtzer, Seraph Eloa, verzeih dieß deinem zukuͤnftigen Freunde, Wenn er deinen ſeit Edens Erſchaffung verborgenen Wohnplatz, Von der heiligen Muſe gelehrt, den Sterblichen zeiget. Hat er ſich iemals, voll einſamer Wolluſt, in tiefe Gedanken Und in den hellen Bezirk der ſtillen Entzuͤckung verlohren; Hat mit Gedanken der Geiſter ſich ſein Gedanke vereinet, Und die enthuͤllete Seele der Goͤtter Rede vernommen; O ſo hoͤr ihn, Eloa, wenn er, wie die himmliſche Jugend, Kuͤhn und erhaben, nicht modernde Truͤmmern der Vorwelt beſinget, Sondern den Buͤrgern der goͤttlichen Erde dein Heiligthum aufthut. Jn dem ſtillen Bezirk des unbetrachteten Nordpols Herrſchet die Mitternacht ewig einſiedleriſch. Dunkel und Wolken Fließen von ihr, wie ein ſinkendes Meer, unaufhoͤrlich herunter. So lag unter der Finſterniß Gottes, von Moſen gerufen, Ehmals B 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias01_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias01_1751/37
Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias01_1751/37>, abgerufen am 23.11.2024.