Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite

Fünfter Gesang.

Mich ins Dunkle der Herrlichkeit Gottes hinüber zu tragen!
Nun empfind ich sie ganz, der Auferstehung Gedanken!
Adams Geschlecht, so wirst du erwachen! Dieß Staunen, dieß Zittern,
Dieses Jauchzen des ewigen Lebens wird über dich kommen!
Dann wird stehn auf dem Throne, der hier im Staube gebückt liegt,
Einen langen gefürchteten Tag, sein Weltgericht halten,
Und vollenden den Bund, durch diese Leiden gestiftet.
O, mit welchem Gefühl der neuen Schöpfung, wie selig,
Werden, die du erlöset hast, dich auf dem Richterstul anschaun!
Deine schimmernden Wunden, das Bild der Liebe zum Tode,
Bis zum Tod am Kreuze, mit betenden Augen betrachten,
Und dir feyern, dir Halleluja der Ewigkeit singen!
Dann wird schweigen vor ihnen des Weltgerichts Donnerposaune,
Und die Stimme vom Thron. Es wird die Tiefe sich bücken,
Und die Höh gefaltete Hände gen Himmel erheben.
Dann wird der letzte der Tage den stillverlöschenden Schimmer
Vor dem Throne der Ewigkeit niederlegen. Dann wirst du
Deine Gerechten um dich zu deinem Anschaun versammeln,
Daß sie dich sehn, wie du bist. Sie werdens fühlen, und jauchzen,
Daß sie ewig sind, und den Gedanken des Lebens ohn Ende,
Weil du sie liebest, erst ganz in seiner Hoheit empfinden.
So sagt der, den Jehovah, voll Ehrfurcht die Seraphim nennen;
Die Verworfenen, Richter; der selber Vater sich nennet!
Also sang Eloa vom Himmel. Es schaute der Gottmensch
Sanft dem anbetenden Seraph ins Angesicht, sanfter auf Tabor.
Aber noch daurte das ernste Gericht, die Bängsten der Leiden
Ueber ihn auszugießen, und kein Erbarmen zu kennen.
Und er neigte sich tief, rang seine Hände gen Himmel,
Und verstummte. So windet ein Lamm, am Altare geschlachtet,
Sich in seinem Blute; so lag, umströmt von den Wolken
Seiner Opfer, umströmt vom Blute, so neigte sich Abel,

Als

Fuͤnfter Geſang.

Mich ins Dunkle der Herrlichkeit Gottes hinuͤber zu tragen!
Nun empfind ich ſie ganz, der Auferſtehung Gedanken!
Adams Geſchlecht, ſo wirſt du erwachen! Dieß Staunen, dieß Zittern,
Dieſes Jauchzen des ewigen Lebens wird uͤber dich kommen!
Dann wird ſtehn auf dem Throne, der hier im Staube gebuͤckt liegt,
Einen langen gefuͤrchteten Tag, ſein Weltgericht halten,
Und vollenden den Bund, durch dieſe Leiden geſtiftet.
O, mit welchem Gefuͤhl der neuen Schoͤpfung, wie ſelig,
Werden, die du erloͤſet haſt, dich auf dem Richterſtul anſchaun!
Deine ſchimmernden Wunden, das Bild der Liebe zum Tode,
Bis zum Tod am Kreuze, mit betenden Augen betrachten,
Und dir feyern, dir Halleluja der Ewigkeit ſingen!
Dann wird ſchweigen vor ihnen des Weltgerichts Donnerpoſaune,
Und die Stimme vom Thron. Es wird die Tiefe ſich buͤcken,
Und die Hoͤh gefaltete Haͤnde gen Himmel erheben.
Dann wird der letzte der Tage den ſtillverloͤſchenden Schimmer
Vor dem Throne der Ewigkeit niederlegen. Dann wirſt du
Deine Gerechten um dich zu deinem Anſchaun verſammeln,
Daß ſie dich ſehn, wie du biſt. Sie werdens fuͤhlen, und jauchzen,
Daß ſie ewig ſind, und den Gedanken des Lebens ohn Ende,
Weil du ſie liebeſt, erſt ganz in ſeiner Hoheit empfinden.
So ſagt der, den Jehovah, voll Ehrfurcht die Seraphim nennen;
Die Verworfenen, Richter; der ſelber Vater ſich nennet!
Alſo ſang Eloa vom Himmel. Es ſchaute der Gottmenſch
Sanft dem anbetenden Seraph ins Angeſicht, ſanfter auf Tabor.
Aber noch daurte das ernſte Gericht, die Baͤngſten der Leiden
Ueber ihn auszugießen, und kein Erbarmen zu kennen.
Und er neigte ſich tief, rang ſeine Haͤnde gen Himmel,
Und verſtummte. So windet ein Lamm, am Altare geſchlachtet,
Sich in ſeinem Blute; ſo lag, umſtroͤmt von den Wolken
Seiner Opfer, umſtroͤmt vom Blute, ſo neigte ſich Abel,

Als
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="7">
              <l>
                <pb facs="#f0195" n="183"/>
                <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Fu&#x0364;nfter Ge&#x017F;ang.</hi> </fw>
              </l><lb/>
              <l>Mich ins Dunkle der Herrlichkeit Gottes hinu&#x0364;ber zu tragen!</l><lb/>
              <l>Nun empfind ich &#x017F;ie ganz, der Aufer&#x017F;tehung Gedanken!</l><lb/>
              <l>Adams Ge&#x017F;chlecht, &#x017F;o wir&#x017F;t du erwachen! Dieß Staunen, dieß Zittern,</l><lb/>
              <l>Die&#x017F;es Jauchzen des ewigen Lebens wird u&#x0364;ber dich kommen!</l><lb/>
              <l>Dann wird &#x017F;tehn auf dem Throne, der hier im Staube gebu&#x0364;ckt liegt,</l><lb/>
              <l>Einen langen gefu&#x0364;rchteten Tag, &#x017F;ein Weltgericht halten,</l><lb/>
              <l>Und vollenden den Bund, durch die&#x017F;e Leiden ge&#x017F;tiftet.</l><lb/>
              <l>O, mit welchem Gefu&#x0364;hl der neuen Scho&#x0364;pfung, wie &#x017F;elig,</l><lb/>
              <l>Werden, die du erlo&#x0364;&#x017F;et ha&#x017F;t, dich auf dem Richter&#x017F;tul an&#x017F;chaun!</l><lb/>
              <l>Deine &#x017F;chimmernden Wunden, das Bild der Liebe zum Tode,</l><lb/>
              <l>Bis zum Tod am Kreuze, mit betenden Augen betrachten,</l><lb/>
              <l>Und dir feyern, dir Halleluja der Ewigkeit &#x017F;ingen!</l><lb/>
              <l>Dann wird &#x017F;chweigen vor ihnen des Weltgerichts Donnerpo&#x017F;aune,</l><lb/>
              <l>Und die Stimme vom Thron. Es wird die Tiefe &#x017F;ich bu&#x0364;cken,</l><lb/>
              <l>Und die Ho&#x0364;h gefaltete Ha&#x0364;nde gen Himmel erheben.</l><lb/>
              <l>Dann wird der letzte der Tage den &#x017F;tillverlo&#x0364;&#x017F;chenden Schimmer</l><lb/>
              <l>Vor dem Throne der Ewigkeit niederlegen. Dann wir&#x017F;t du</l><lb/>
              <l>Deine Gerechten um dich zu deinem An&#x017F;chaun ver&#x017F;ammeln,</l><lb/>
              <l>Daß &#x017F;ie dich &#x017F;ehn, wie du bi&#x017F;t. Sie werdens fu&#x0364;hlen, und jauchzen,</l><lb/>
              <l>Daß &#x017F;ie ewig &#x017F;ind, und den Gedanken des Lebens ohn Ende,</l><lb/>
              <l>Weil du &#x017F;ie liebe&#x017F;t, er&#x017F;t ganz in &#x017F;einer Hoheit empfinden.</l><lb/>
              <l>So &#x017F;agt der, den Jehovah, voll Ehrfurcht die Seraphim nennen;</l><lb/>
              <l>Die Verworfenen, Richter; der &#x017F;elber Vater &#x017F;ich nennet!</l><lb/>
              <l>Al&#x017F;o &#x017F;ang Eloa vom Himmel. Es &#x017F;chaute der Gottmen&#x017F;ch</l><lb/>
              <l>Sanft dem anbetenden Seraph ins Ange&#x017F;icht, &#x017F;anfter auf Tabor.</l><lb/>
              <l>Aber noch daurte das ern&#x017F;te Gericht, die Ba&#x0364;ng&#x017F;ten der Leiden</l><lb/>
              <l>Ueber ihn auszugießen, und kein Erbarmen zu kennen.</l><lb/>
              <l>Und er neigte &#x017F;ich tief, rang &#x017F;eine Ha&#x0364;nde gen Himmel,</l><lb/>
              <l>Und ver&#x017F;tummte. So windet ein Lamm, am Altare ge&#x017F;chlachtet,</l><lb/>
              <l>Sich in &#x017F;einem Blute; &#x017F;o lag, um&#x017F;tro&#x0364;mt von den Wolken</l><lb/>
              <l>Seiner Opfer, um&#x017F;tro&#x0364;mt vom Blute, &#x017F;o neigte &#x017F;ich Abel,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Als</fw><lb/></l>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[183/0195] Fuͤnfter Geſang. Mich ins Dunkle der Herrlichkeit Gottes hinuͤber zu tragen! Nun empfind ich ſie ganz, der Auferſtehung Gedanken! Adams Geſchlecht, ſo wirſt du erwachen! Dieß Staunen, dieß Zittern, Dieſes Jauchzen des ewigen Lebens wird uͤber dich kommen! Dann wird ſtehn auf dem Throne, der hier im Staube gebuͤckt liegt, Einen langen gefuͤrchteten Tag, ſein Weltgericht halten, Und vollenden den Bund, durch dieſe Leiden geſtiftet. O, mit welchem Gefuͤhl der neuen Schoͤpfung, wie ſelig, Werden, die du erloͤſet haſt, dich auf dem Richterſtul anſchaun! Deine ſchimmernden Wunden, das Bild der Liebe zum Tode, Bis zum Tod am Kreuze, mit betenden Augen betrachten, Und dir feyern, dir Halleluja der Ewigkeit ſingen! Dann wird ſchweigen vor ihnen des Weltgerichts Donnerpoſaune, Und die Stimme vom Thron. Es wird die Tiefe ſich buͤcken, Und die Hoͤh gefaltete Haͤnde gen Himmel erheben. Dann wird der letzte der Tage den ſtillverloͤſchenden Schimmer Vor dem Throne der Ewigkeit niederlegen. Dann wirſt du Deine Gerechten um dich zu deinem Anſchaun verſammeln, Daß ſie dich ſehn, wie du biſt. Sie werdens fuͤhlen, und jauchzen, Daß ſie ewig ſind, und den Gedanken des Lebens ohn Ende, Weil du ſie liebeſt, erſt ganz in ſeiner Hoheit empfinden. So ſagt der, den Jehovah, voll Ehrfurcht die Seraphim nennen; Die Verworfenen, Richter; der ſelber Vater ſich nennet! Alſo ſang Eloa vom Himmel. Es ſchaute der Gottmenſch Sanft dem anbetenden Seraph ins Angeſicht, ſanfter auf Tabor. Aber noch daurte das ernſte Gericht, die Baͤngſten der Leiden Ueber ihn auszugießen, und kein Erbarmen zu kennen. Und er neigte ſich tief, rang ſeine Haͤnde gen Himmel, Und verſtummte. So windet ein Lamm, am Altare geſchlachtet, Sich in ſeinem Blute; ſo lag, umſtroͤmt von den Wolken Seiner Opfer, umſtroͤmt vom Blute, ſo neigte ſich Abel, Als

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias01_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias01_1751/195
Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias01_1751/195>, abgerufen am 06.05.2024.