Doch will ich auf die offenen Wunden der ewigen Seelen, Durch die Gefilde voll Elend und Nacht, herabschaun und sagen: Heil dir, ewiger Tod, dich segn' ich Jammer ohn Ende! Aus dem eisernen Arm der Hölle will ich mich reissen, Gehn zum Throne des Richters, und rufen mit donnernder Stimme, Daß es die Erden umher, und die Himmel alle vernehmen: Jch bin ewig, wie er! Was that ich, daß du den Sünder, Nur den menschlichen Sünder allein, nicht den Engel, erlöstest. Zwar dich hasset die Hölle! Doch ist ein Verlaßner noch übrig; Einer, der edler gesinnt ist, und nicht dein Hasser, Jehovah! Einer, der blutende Thränen, und Jammer, der nicht bemerkt wird, Ach, zu lange vergebens, zu lange! Gott vor dir ausgießt, Satt, geschaffen zu seyn, und der bangen Unsterblichkeit müde! Abdiel floh. Es stand der Meßias vom Staube der Erde Jtzo zum zweytenmal auf, der Menschen Antlitz zu sehen. Und es sangen die Himmel: sie ist der erhabensten Leiden Zweyte Stunde, die ewige Ruh den Heiligen bringet; Jtzo ist sie vorübergegangen! So sangen die Himmel. Und der Meßias verließ von neuem die schlummernden Jünger, Gieng zum drittenmal hin, sich dem zum Opfer zu geben Der mit gefürchtetem Arm noch immer die Wagschal empor hielt, Jmmer noch den Donner des Fluchs und des Weltgerichts aussprach. Ueber ihm hieng, da er litt, die Nacht vom Himmel herunter; Eine schreckliche Nacht. So wird vor dem letzten der Tage, Dunkel, von allen Himmeln herunter, die letzte Nacht hängen. An sie drängt sich der eilende Tag; dicht an sie! Der Donner Der Posaune wird bald, bald wird der Schwung der Gebeine, Und das rauschende Feld voll Auferstehung, vom Thron her, Jesus, der auch ein Todter einst war, zum Weltgericht rufen. Aber es schaut auf den Sohn vom Tabor der Vater herunter, Sah die Mine des ewigen Todes im Antlitz des Sohnes.
Unten
Der Meßias.
Doch will ich auf die offenen Wunden der ewigen Seelen, Durch die Gefilde voll Elend und Nacht, herabſchaun und ſagen: Heil dir, ewiger Tod, dich ſegn’ ich Jammer ohn Ende! Aus dem eiſernen Arm der Hoͤlle will ich mich reiſſen, Gehn zum Throne des Richters, und rufen mit donnernder Stimme, Daß es die Erden umher, und die Himmel alle vernehmen: Jch bin ewig, wie er! Was that ich, daß du den Suͤnder, Nur den menſchlichen Suͤnder allein, nicht den Engel, erloͤſteſt. Zwar dich haſſet die Hoͤlle! Doch iſt ein Verlaßner noch uͤbrig; Einer, der edler geſinnt iſt, und nicht dein Haſſer, Jehovah! Einer, der blutende Thraͤnen, und Jammer, der nicht bemerkt wird, Ach, zu lange vergebens, zu lange! Gott vor dir ausgießt, Satt, geſchaffen zu ſeyn, und der bangen Unſterblichkeit muͤde! Abdiel floh. Es ſtand der Meßias vom Staube der Erde Jtzo zum zweytenmal auf, der Menſchen Antlitz zu ſehen. Und es ſangen die Himmel: ſie iſt der erhabenſten Leiden Zweyte Stunde, die ewige Ruh den Heiligen bringet; Jtzo iſt ſie voruͤbergegangen! So ſangen die Himmel. Und der Meßias verließ von neuem die ſchlummernden Juͤnger, Gieng zum drittenmal hin, ſich dem zum Opfer zu geben Der mit gefuͤrchtetem Arm noch immer die Wagſchal empor hielt, Jmmer noch den Donner des Fluchs und des Weltgerichts ausſprach. Ueber ihm hieng, da er litt, die Nacht vom Himmel herunter; Eine ſchreckliche Nacht. So wird vor dem letzten der Tage, Dunkel, von allen Himmeln herunter, die letzte Nacht haͤngen. An ſie draͤngt ſich der eilende Tag; dicht an ſie! Der Donner Der Poſaune wird bald, bald wird der Schwung der Gebeine, Und das rauſchende Feld voll Auferſtehung, vom Thron her, Jeſus, der auch ein Todter einſt war, zum Weltgericht rufen. Aber es ſchaut auf den Sohn vom Tabor der Vater herunter, Sah die Mine des ewigen Todes im Antlitz des Sohnes.
Unten
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Der Meßias.
Doch will ich auf die offenen Wunden der ewigen Seelen,
Durch die Gefilde voll Elend und Nacht, herabſchaun und ſagen:
Heil dir, ewiger Tod, dich ſegn’ ich Jammer ohn Ende!
Aus dem eiſernen Arm der Hoͤlle will ich mich reiſſen,
Gehn zum Throne des Richters, und rufen mit donnernder Stimme,
Daß es die Erden umher, und die Himmel alle vernehmen:
Jch bin ewig, wie er! Was that ich, daß du den Suͤnder,
Nur den menſchlichen Suͤnder allein, nicht den Engel, erloͤſteſt.
Zwar dich haſſet die Hoͤlle! Doch iſt ein Verlaßner noch uͤbrig;
Einer, der edler geſinnt iſt, und nicht dein Haſſer, Jehovah!
Einer, der blutende Thraͤnen, und Jammer, der nicht bemerkt wird,
Ach, zu lange vergebens, zu lange! Gott vor dir ausgießt,
Satt, geſchaffen zu ſeyn, und der bangen Unſterblichkeit muͤde!
Abdiel floh. Es ſtand der Meßias vom Staube der Erde
Jtzo zum zweytenmal auf, der Menſchen Antlitz zu ſehen.
Und es ſangen die Himmel: ſie iſt der erhabenſten Leiden
Zweyte Stunde, die ewige Ruh den Heiligen bringet;
Jtzo iſt ſie voruͤbergegangen! So ſangen die Himmel.
Und der Meßias verließ von neuem die ſchlummernden Juͤnger,
Gieng zum drittenmal hin, ſich dem zum Opfer zu geben
Der mit gefuͤrchtetem Arm noch immer die Wagſchal empor hielt,
Jmmer noch den Donner des Fluchs und des Weltgerichts ausſprach.
Ueber ihm hieng, da er litt, die Nacht vom Himmel herunter;
Eine ſchreckliche Nacht. So wird vor dem letzten der Tage,
Dunkel, von allen Himmeln herunter, die letzte Nacht haͤngen.
An ſie draͤngt ſich der eilende Tag; dicht an ſie! Der Donner
Der Poſaune wird bald, bald wird der Schwung der Gebeine,
Und das rauſchende Feld voll Auferſtehung, vom Thron her,
Jeſus, der auch ein Todter einſt war, zum Weltgericht rufen.
Aber es ſchaut auf den Sohn vom Tabor der Vater herunter,
Sah die Mine des ewigen Todes im Antlitz des Sohnes.
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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias01_1751/192>, abgerufen am 16.02.2025.
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