Schreckende Bilder vorüber. Er sah die verworfenen Seelen, Die dem Tage der Schöpfung, dem Seyn zur Ewigkeit, fluchten. Hörte das dumpfe Geheul des wiedertönenden Abgrunds; Donnernde Ströme von Felsen herab in die Tiefe geschleudert, Auf den donnernden Strömen, der Angst geflügelte Stimme; Sanftere Flüsse, die täuschend die Seelen zur Ruh einluden, Zum Entschlummern ins Nichts. Dann wuchs der Betrogenen Jammern; Dann, in einen unendlichen Seufzer der alten Verzweiflung Ausgegossen, empörte die Stimme des Menschengeschlechts sich, Klagte den Schöpfer der Schöpfung, der war, und seyn wird, des Daseyns Und der Ewigkeit an. .. Jhr Elend fühlte der Gottmensch! Lange schon hatt auf ihn hin, von einem verödeten Felsen, Adramelech geschaut. Jtzt stieg er den Felsen herunter, Blickt auf die Erde. Da sah er vor sich, in seinem Blute, Einen Mörder, der sich erwürgte. Der Ton der Verzweiflung, Jammernde Seufzer der wiederkehrenden Menschlichkeit füllten Jeden Hügel umher. Von dieser Stimme begleitet, Nahte sich Adramelech, und stand, des Meßias zu spotten. Mit vernichtendem Stolz im hohen Auge gerüstet, Und im Meere verruchter Gedanken, ganz in sich, verloren, Stand er, und feurte sich an, die Gedanken tönen zu lassen, Wie ein Strom sich ergießt, wie die Donnerwolke daher rauscht. Aber es wandte der hohe Meßias sein Antlitz, und sah ihn Mit der Mine des Weltgerichts an. Der Wütende fühlte, Wer ihn ansah, und bebt' in sein Nichts ohnmächtig zurücke. Mitten in einem verruchten, hoch aufgethürmten Gedanken, Blieb er gedankenlos stehn. Nur diese Leerheit empfand er.
Sah
Fuͤnfter Geſang.
Schreckende Bilder voruͤber. Er ſah die verworfenen Seelen, Die dem Tage der Schoͤpfung, dem Seyn zur Ewigkeit, fluchten. Hoͤrte das dumpfe Geheul des wiedertoͤnenden Abgrunds; Donnernde Stroͤme von Felſen herab in die Tiefe geſchleudert, Auf den donnernden Stroͤmen, der Angſt gefluͤgelte Stimme; Sanftere Fluͤſſe, die taͤuſchend die Seelen zur Ruh einluden, Zum Entſchlummern ins Nichts. Dann wuchs der Betrogenen Jam̃ern; Dann, in einen unendlichen Seufzer der alten Verzweiflung Ausgegoſſen, empoͤrte die Stimme des Menſchengeſchlechts ſich, Klagte den Schoͤpfer der Schoͤpfung, der war, und ſeyn wird, des Daſeyns Und der Ewigkeit an. .. Jhr Elend fuͤhlte der Gottmenſch! Lange ſchon hatt auf ihn hin, von einem veroͤdeten Felſen, Adramelech geſchaut. Jtzt ſtieg er den Felſen herunter, Blickt auf die Erde. Da ſah er vor ſich, in ſeinem Blute, Einen Moͤrder, der ſich erwuͤrgte. Der Ton der Verzweiflung, Jammernde Seufzer der wiederkehrenden Menſchlichkeit fuͤllten Jeden Huͤgel umher. Von dieſer Stimme begleitet, Nahte ſich Adramelech, und ſtand, des Meßias zu ſpotten. Mit vernichtendem Stolz im hohen Auge geruͤſtet, Und im Meere verruchter Gedanken, ganz in ſich, verloren, Stand er, und feurte ſich an, die Gedanken toͤnen zu laſſen, Wie ein Strom ſich ergießt, wie die Donnerwolke daher rauſcht. Aber es wandte der hohe Meßias ſein Antlitz, und ſah ihn Mit der Mine des Weltgerichts an. Der Wuͤtende fuͤhlte, Wer ihn anſah, und bebt’ in ſein Nichts ohnmaͤchtig zuruͤcke. Mitten in einem verruchten, hoch aufgethuͤrmten Gedanken, Blieb er gedankenlos ſtehn. Nur dieſe Leerheit empfand er.
Sah
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Fuͤnfter Geſang.
Schreckende Bilder voruͤber. Er ſah die verworfenen Seelen,
Die dem Tage der Schoͤpfung, dem Seyn zur Ewigkeit, fluchten.
Hoͤrte das dumpfe Geheul des wiedertoͤnenden Abgrunds;
Donnernde Stroͤme von Felſen herab in die Tiefe geſchleudert,
Auf den donnernden Stroͤmen, der Angſt gefluͤgelte Stimme;
Sanftere Fluͤſſe, die taͤuſchend die Seelen zur Ruh einluden,
Zum Entſchlummern ins Nichts. Dann wuchs der Betrogenen Jam̃ern;
Dann, in einen unendlichen Seufzer der alten Verzweiflung
Ausgegoſſen, empoͤrte die Stimme des Menſchengeſchlechts ſich,
Klagte den Schoͤpfer der Schoͤpfung, der war, und ſeyn wird, des Daſeyns
Und der Ewigkeit an. .. Jhr Elend fuͤhlte der Gottmenſch!
Lange ſchon hatt auf ihn hin, von einem veroͤdeten Felſen,
Adramelech geſchaut. Jtzt ſtieg er den Felſen herunter,
Blickt auf die Erde. Da ſah er vor ſich, in ſeinem Blute,
Einen Moͤrder, der ſich erwuͤrgte. Der Ton der Verzweiflung,
Jammernde Seufzer der wiederkehrenden Menſchlichkeit fuͤllten
Jeden Huͤgel umher. Von dieſer Stimme begleitet,
Nahte ſich Adramelech, und ſtand, des Meßias zu ſpotten.
Mit vernichtendem Stolz im hohen Auge geruͤſtet,
Und im Meere verruchter Gedanken, ganz in ſich, verloren,
Stand er, und feurte ſich an, die Gedanken toͤnen zu laſſen,
Wie ein Strom ſich ergießt, wie die Donnerwolke daher rauſcht.
Aber es wandte der hohe Meßias ſein Antlitz, und ſah ihn
Mit der Mine des Weltgerichts an. Der Wuͤtende fuͤhlte,
Wer ihn anſah, und bebt’ in ſein Nichts ohnmaͤchtig zuruͤcke.
Mitten in einem verruchten, hoch aufgethuͤrmten Gedanken,
Blieb er gedankenlos ſtehn. Nur dieſe Leerheit empfand er.
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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias01_1751/183>, abgerufen am 16.07.2024.
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