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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751.

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Vierter Gesang.

Feurig zu Jesu: umarme mich auch, wie du diesen umarmest,
Gottmensch, Erlöser! Jhm sagt der Meßias: du wirst mir am Throne
Meiner Herrlichkeit dienen! Du wirst auf dem glänzenden Stule,
Wo Eloa war, stehn, am Allerheiligsten Gottes!
Gabriel betet' ihn an. Zuletzt kam Judas, und warf sich,
Wie Johannes, zu Jesu Füßen. Jhm sagte der Gottmensch:
Juda, steh auf! Und gab ihm den Kelch, des Todes Gedächtniß!
Er empfieng ihn mit Ruh. Jhm sah der Meßias ins Antlitz,
Ward erschüttert im Geist, und sprach mit erhabener Stimme:
Jch weis alle, die ich erwählet habe. Doch einer
Wird mich verrathen! Jch sag es euch itzt, daß ihr glaubt, wenns geschehn ist.
Und daß ihr wisset, wie der belohnet wird, welcher getreu bleibt;
So vernehmet von mir die Würde der Ueberwinder:
Wer, wen ich send, aufnimmt, der nimmt mich selbst auf! Wer aber
Also mich aufnimmt, der nimmt auch den auf, der mich gesandt hat!
Diese Kron empfängt kein Verräther! Jch sag es noch einmal:
Einer von euch wird gewiß den Sohn des Menschen verrathen!
Jeder sahe den andern von neuem mit sorgender Angst an.
Petrus winket Johannes. Der neigt sich ans Herz des Meßias:
Herr, wer ist es? So fragte, mit sanfter Stimme, Johannes.
Dem ich dieß Brodt eintauche, dem ichs mit vertraulicher Liebe,
Und mit Bruderfreundlichkeit gebe, der ist es, Johannes!
Also sagt der Meßias, und reicht den Bissen voll Freundschaft
Judas Jschariot hin. Johannes sah dieß, und bebte.
Doch verschwieg er, aus Menschenliebe, den nahen Verräther.
Judas gieng mit Ungestüm fort. Die Nacht war gekommen.
Jhn umgaben die Schrecken der Nacht. Mit starrenden Blicken

Schaut
K 2

Vierter Geſang.

Feurig zu Jeſu: umarme mich auch, wie du dieſen umarmeſt,
Gottmenſch, Erloͤſer! Jhm ſagt der Meßias: du wirſt mir am Throne
Meiner Herrlichkeit dienen! Du wirſt auf dem glaͤnzenden Stule,
Wo Eloa war, ſtehn, am Allerheiligſten Gottes!
Gabriel betet’ ihn an. Zuletzt kam Judas, und warf ſich,
Wie Johannes, zu Jeſu Fuͤßen. Jhm ſagte der Gottmenſch:
Juda, ſteh auf! Und gab ihm den Kelch, des Todes Gedaͤchtniß!
Er empfieng ihn mit Ruh. Jhm ſah der Meßias ins Antlitz,
Ward erſchuͤttert im Geiſt, und ſprach mit erhabener Stimme:
Jch weis alle, die ich erwaͤhlet habe. Doch einer
Wird mich verrathen! Jch ſag es euch itzt, daß ihr glaubt, wenns geſchehn iſt.
Und daß ihr wiſſet, wie der belohnet wird, welcher getreu bleibt;
So vernehmet von mir die Wuͤrde der Ueberwinder:
Wer, wen ich ſend, aufnimmt, der nimmt mich ſelbſt auf! Wer aber
Alſo mich aufnimmt, der nimmt auch den auf, der mich geſandt hat!
Dieſe Kron empfaͤngt kein Verraͤther! Jch ſag es noch einmal:
Einer von euch wird gewiß den Sohn des Menſchen verrathen!
Jeder ſahe den andern von neuem mit ſorgender Angſt an.
Petrus winket Johannes. Der neigt ſich ans Herz des Meßias:
Herr, wer iſt es? So fragte, mit ſanfter Stimme, Johannes.
Dem ich dieß Brodt eintauche, dem ichs mit vertraulicher Liebe,
Und mit Bruderfreundlichkeit gebe, der iſt es, Johannes!
Alſo ſagt der Meßias, und reicht den Biſſen voll Freundſchaft
Judas Jſchariot hin. Johannes ſah dieß, und bebte.
Doch verſchwieg er, aus Menſchenliebe, den nahen Verraͤther.
Judas gieng mit Ungeſtuͤm fort. Die Nacht war gekommen.
Jhn umgaben die Schrecken der Nacht. Mit ſtarrenden Blicken

Schaut
K 2
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[147/0159] Vierter Geſang. Feurig zu Jeſu: umarme mich auch, wie du dieſen umarmeſt, Gottmenſch, Erloͤſer! Jhm ſagt der Meßias: du wirſt mir am Throne Meiner Herrlichkeit dienen! Du wirſt auf dem glaͤnzenden Stule, Wo Eloa war, ſtehn, am Allerheiligſten Gottes! Gabriel betet’ ihn an. Zuletzt kam Judas, und warf ſich, Wie Johannes, zu Jeſu Fuͤßen. Jhm ſagte der Gottmenſch: Juda, ſteh auf! Und gab ihm den Kelch, des Todes Gedaͤchtniß! Er empfieng ihn mit Ruh. Jhm ſah der Meßias ins Antlitz, Ward erſchuͤttert im Geiſt, und ſprach mit erhabener Stimme: Jch weis alle, die ich erwaͤhlet habe. Doch einer Wird mich verrathen! Jch ſag es euch itzt, daß ihr glaubt, wenns geſchehn iſt. Und daß ihr wiſſet, wie der belohnet wird, welcher getreu bleibt; So vernehmet von mir die Wuͤrde der Ueberwinder: Wer, wen ich ſend, aufnimmt, der nimmt mich ſelbſt auf! Wer aber Alſo mich aufnimmt, der nimmt auch den auf, der mich geſandt hat! Dieſe Kron empfaͤngt kein Verraͤther! Jch ſag es noch einmal: Einer von euch wird gewiß den Sohn des Menſchen verrathen! Jeder ſahe den andern von neuem mit ſorgender Angſt an. Petrus winket Johannes. Der neigt ſich ans Herz des Meßias: Herr, wer iſt es? So fragte, mit ſanfter Stimme, Johannes. Dem ich dieß Brodt eintauche, dem ichs mit vertraulicher Liebe, Und mit Bruderfreundlichkeit gebe, der iſt es, Johannes! Alſo ſagt der Meßias, und reicht den Biſſen voll Freundſchaft Judas Jſchariot hin. Johannes ſah dieß, und bebte. Doch verſchwieg er, aus Menſchenliebe, den nahen Verraͤther. Judas gieng mit Ungeſtuͤm fort. Die Nacht war gekommen. Jhn umgaben die Schrecken der Nacht. Mit ſtarrenden Blicken Schaut K 2

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Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias01_1751/159>, abgerufen am 23.11.2024.