Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Meßias.

Lazarus dachte den Tod, und die Auferstehung vom Tode.
Da er, wie zu des Ewigen Anschaun, zum großen Meßias,
Aus dem Staube, gefaßt vom Schauer Gottes, heraufstieg.
Seine Schwester, die junge Maria, die Hörerinn Jesu,
Die, in ihrer Unschuld und Ruh vor ihn hingegossen,
Da den ewigern Theil zu seinen Füßen erwählte,
Diese folgte dem himmlischen Bruder. Jhr ruhiges Antlitz,
War mit Todesblässe bedeckt. Jm Auge voll Wehmut,
Hielt sie die rührendste Thräne zurück, die jemals geweint ward.
Von Nathanael, ihrem Geliebten, dem Jesus den Namen
Des Rechtschaffenen gab, zu ihrem himmlischen Bruder,
Welcher gestorben, und ihr von den Todten wieder geschenkt war,
Zitterten hin und wieder des heiligen Mädchens Gedanken.
Ruhig fühlt sie den kommenden Tod. Um Nathanaels willen,
Nur um ihres himmlischen Bruders, um Lazarus willen,
Trauert sie wegen der Blässe, von der die Gespielinn oft redet.
Neben ihr gieng die sittsame Cidli, die Tochter Jairus.
Still in Unschuld waren ihr kaum zwölf Jahre verflossen,
Als, aus dem jungen Leben wegblühend, sie heiter und freudig
Jn die Gefilde des Friedens hinüber schlummerte. Todt lag
Cidli vor dem Auge der Mutter. Da kam der Meßias,
Rief sie aus dem Schlummer zurück, und gab sie der Mutter.
Heilig trägt sie die Spuren der Auferstehung; doch kennt sie
Jene Herrlichkeit nicht, mit der ihr Leben gekrönt ist,
Nicht die zart aufblühende Schönheit der werdenden Jugend
Noch ihr göttliches Herz, dir, edlere Liebe, gebildet.
So gieng, da sie erwuchs, der Jsraelitinnen schönste,

Sula-

Der Meßias.

Lazarus dachte den Tod, und die Auferſtehung vom Tode.
Da er, wie zu des Ewigen Anſchaun, zum großen Meßias,
Aus dem Staube, gefaßt vom Schauer Gottes, heraufſtieg.
Seine Schweſter, die junge Maria, die Hoͤrerinn Jeſu,
Die, in ihrer Unſchuld und Ruh vor ihn hingegoſſen,
Da den ewigern Theil zu ſeinen Fuͤßen erwaͤhlte,
Dieſe folgte dem himmliſchen Bruder. Jhr ruhiges Antlitz,
War mit Todesblaͤſſe bedeckt. Jm Auge voll Wehmut,
Hielt ſie die ruͤhrendſte Thraͤne zuruͤck, die jemals geweint ward.
Von Nathanael, ihrem Geliebten, dem Jeſus den Namen
Des Rechtſchaffenen gab, zu ihrem himmliſchen Bruder,
Welcher geſtorben, und ihr von den Todten wieder geſchenkt war,
Zitterten hin und wieder des heiligen Maͤdchens Gedanken.
Ruhig fuͤhlt ſie den kommenden Tod. Um Nathanaels willen,
Nur um ihres himmliſchen Bruders, um Lazarus willen,
Trauert ſie wegen der Blaͤſſe, von der die Geſpielinn oft redet.
Neben ihr gieng die ſittſame Cidli, die Tochter Jairus.
Still in Unſchuld waren ihr kaum zwoͤlf Jahre verfloſſen,
Als, aus dem jungen Leben wegbluͤhend, ſie heiter und freudig
Jn die Gefilde des Friedens hinuͤber ſchlummerte. Todt lag
Cidli vor dem Auge der Mutter. Da kam der Meßias,
Rief ſie aus dem Schlummer zuruͤck, und gab ſie der Mutter.
Heilig traͤgt ſie die Spuren der Auferſtehung; doch kennt ſie
Jene Herrlichkeit nicht, mit der ihr Leben gekroͤnt iſt,
Nicht die zart aufbluͤhende Schoͤnheit der werdenden Jugend
Noch ihr goͤttliches Herz, dir, edlere Liebe, gebildet.
So gieng, da ſie erwuchs, der Jſraelitinnen ſchoͤnſte,

Sula-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="4">
              <l>
                <pb facs="#f0140" n="128"/>
                <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der Meßias.</hi> </fw>
              </l><lb/>
              <l>Lazarus dachte den Tod, und die Aufer&#x017F;tehung vom Tode.</l><lb/>
              <l>Da er, wie zu des Ewigen An&#x017F;chaun, zum großen Meßias,</l><lb/>
              <l>Aus dem Staube, gefaßt vom Schauer Gottes, herauf&#x017F;tieg.</l><lb/>
              <l>Seine Schwe&#x017F;ter, die junge Maria, die Ho&#x0364;rerinn Je&#x017F;u,</l><lb/>
              <l>Die, in ihrer Un&#x017F;chuld und Ruh vor ihn hingego&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
              <l>Da den ewigern Theil zu &#x017F;einen Fu&#x0364;ßen erwa&#x0364;hlte,</l><lb/>
              <l>Die&#x017F;e folgte dem himmli&#x017F;chen Bruder. Jhr ruhiges Antlitz,</l><lb/>
              <l>War mit Todesbla&#x0364;&#x017F;&#x017F;e bedeckt. Jm Auge voll Wehmut,</l><lb/>
              <l>Hielt &#x017F;ie die ru&#x0364;hrend&#x017F;te Thra&#x0364;ne zuru&#x0364;ck, die jemals geweint ward.</l><lb/>
              <l>Von Nathanael, ihrem Geliebten, dem Je&#x017F;us den Namen</l><lb/>
              <l>Des Recht&#x017F;chaffenen gab, zu ihrem himmli&#x017F;chen Bruder,</l><lb/>
              <l>Welcher ge&#x017F;torben, und ihr von den Todten wieder ge&#x017F;chenkt war,</l><lb/>
              <l>Zitterten hin und wieder des heiligen Ma&#x0364;dchens Gedanken.</l><lb/>
              <l>Ruhig fu&#x0364;hlt &#x017F;ie den kommenden Tod. Um Nathanaels willen,</l><lb/>
              <l>Nur um ihres himmli&#x017F;chen Bruders, um Lazarus willen,</l><lb/>
              <l>Trauert &#x017F;ie wegen der Bla&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, von der die Ge&#x017F;pielinn oft redet.</l><lb/>
              <l>Neben ihr gieng die &#x017F;itt&#x017F;ame Cidli, die Tochter Jairus.</l><lb/>
              <l>Still in Un&#x017F;chuld waren ihr kaum zwo&#x0364;lf Jahre verflo&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
              <l>Als, aus dem jungen Leben wegblu&#x0364;hend, &#x017F;ie heiter und freudig</l><lb/>
              <l>Jn die Gefilde des Friedens hinu&#x0364;ber &#x017F;chlummerte. Todt lag</l><lb/>
              <l>Cidli vor dem Auge der Mutter. Da kam der Meßias,</l><lb/>
              <l>Rief &#x017F;ie aus dem Schlummer zuru&#x0364;ck, und gab &#x017F;ie der Mutter.</l><lb/>
              <l>Heilig tra&#x0364;gt &#x017F;ie die Spuren der Aufer&#x017F;tehung; doch kennt &#x017F;ie</l><lb/>
              <l>Jene Herrlichkeit nicht, mit der ihr Leben gekro&#x0364;nt i&#x017F;t,</l><lb/>
              <l>Nicht die zart aufblu&#x0364;hende Scho&#x0364;nheit der werdenden Jugend</l><lb/>
              <l>Noch ihr go&#x0364;ttliches Herz, dir, edlere Liebe, gebildet.</l><lb/>
              <l>So gieng, da &#x017F;ie erwuchs, der J&#x017F;raelitinnen &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;te,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Sula-</fw><lb/></l>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[128/0140] Der Meßias. Lazarus dachte den Tod, und die Auferſtehung vom Tode. Da er, wie zu des Ewigen Anſchaun, zum großen Meßias, Aus dem Staube, gefaßt vom Schauer Gottes, heraufſtieg. Seine Schweſter, die junge Maria, die Hoͤrerinn Jeſu, Die, in ihrer Unſchuld und Ruh vor ihn hingegoſſen, Da den ewigern Theil zu ſeinen Fuͤßen erwaͤhlte, Dieſe folgte dem himmliſchen Bruder. Jhr ruhiges Antlitz, War mit Todesblaͤſſe bedeckt. Jm Auge voll Wehmut, Hielt ſie die ruͤhrendſte Thraͤne zuruͤck, die jemals geweint ward. Von Nathanael, ihrem Geliebten, dem Jeſus den Namen Des Rechtſchaffenen gab, zu ihrem himmliſchen Bruder, Welcher geſtorben, und ihr von den Todten wieder geſchenkt war, Zitterten hin und wieder des heiligen Maͤdchens Gedanken. Ruhig fuͤhlt ſie den kommenden Tod. Um Nathanaels willen, Nur um ihres himmliſchen Bruders, um Lazarus willen, Trauert ſie wegen der Blaͤſſe, von der die Geſpielinn oft redet. Neben ihr gieng die ſittſame Cidli, die Tochter Jairus. Still in Unſchuld waren ihr kaum zwoͤlf Jahre verfloſſen, Als, aus dem jungen Leben wegbluͤhend, ſie heiter und freudig Jn die Gefilde des Friedens hinuͤber ſchlummerte. Todt lag Cidli vor dem Auge der Mutter. Da kam der Meßias, Rief ſie aus dem Schlummer zuruͤck, und gab ſie der Mutter. Heilig traͤgt ſie die Spuren der Auferſtehung; doch kennt ſie Jene Herrlichkeit nicht, mit der ihr Leben gekroͤnt iſt, Nicht die zart aufbluͤhende Schoͤnheit der werdenden Jugend Noch ihr goͤttliches Herz, dir, edlere Liebe, gebildet. So gieng, da ſie erwuchs, der Jſraelitinnen ſchoͤnſte, Sula-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias01_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias01_1751/140
Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias01_1751/140>, abgerufen am 22.11.2024.