Einen Verruchten zu schützen, und weil dein dienstbares Auge Wider den Ewigen stritt, und unheilige Thränen dahingoß! Auch du schützest den Träumer, Gamaliel! Finsterniß decke Und entsetzliches Dunkel dein Auge! Dann sitz und warte Auf die Hülfe des Nazaräers, und schmachte vergebens! Taubheit schließe dein Ohr, ein schreckliches Ende dein Leben! Lieg dann, und harre, bis dich der Nazaräer erwecke! Lieg, und verwes und harre vergebens! Und, wenn du zum Pöbel, Der ihn, wie du, für wunderthätig und göttlich hält, sagtest: Merket darauf, er wird mich erwecken! So trete der Pöbel Auf dein Grab hin und spotte daselbst des Propheten und deiner: Warum liegt ihr so still, der Auferstehung Gebeine? Warum schläfst du so ewig, Gamaliel? Komm doch, du Frommer! Komm doch hervor! Dich rufet der Mann, der Meßias, ins Leben! Hörst du uns nicht? Und träumst du vielleicht, wie vormals im Leben? Also trete der Pöbel auf deine Gebeine mit Hohn hin! Dann steh dein Geist vor dem ernsten Gericht, und höre sein Urtheil! Heb auch deinen gefürchteten Arm auf und schlage den Sünder, Schlage Nikodemum, Gott! Und vollende die Flüche, Die ich zu Ehren dir that! Den andern, der nebst ihm sein Knie bog, Leg auch ihn in den Staub, Gamaliel hin, wo der Tod wohnt! Aber deinen grimmigen Zorn, worunter die Hölle, Wenn du dahergehst, worunter die Berge der Erden erzittern, Deine Donner die vor dir, und nach dir, und um dich her donnern! Nimm, Gott, und schlag den noch grösseren Sünder, den Nazaräer! Jch bin jung gewesen, und bin zum Greise geworden, Habe dir stets nach der Weise der V[ät]er gedient und geopfert:
Aber,
Der Meßias.
Einen Verruchten zu ſchuͤtzen, und weil dein dienſtbares Auge Wider den Ewigen ſtritt, und unheilige Thraͤnen dahingoß! Auch du ſchuͤtzeſt den Traͤumer, Gamaliel! Finſterniß decke Und entſetzliches Dunkel dein Auge! Dann ſitz und warte Auf die Huͤlfe des Nazaraͤers, und ſchmachte vergebens! Taubheit ſchließe dein Ohr, ein ſchreckliches Ende dein Leben! Lieg dann, und harre, bis dich der Nazaraͤer erwecke! Lieg, und verweſ und harre vergebens! Und, wenn du zum Poͤbel, Der ihn, wie du, fuͤr wunderthaͤtig und goͤttlich haͤlt, ſagteſt: Merket darauf, er wird mich erwecken! So trete der Poͤbel Auf dein Grab hin und ſpotte daſelbſt des Propheten und deiner: Warum liegt ihr ſo ſtill, der Auferſtehung Gebeine? Warum ſchlaͤfſt du ſo ewig, Gamaliel? Komm doch, du Frommer! Komm doch hervor! Dich rufet der Mann, der Meßias, ins Leben! Hoͤrſt du uns nicht? Und traͤumſt du vielleicht, wie vormals im Leben? Alſo trete der Poͤbel auf deine Gebeine mit Hohn hin! Dann ſteh dein Geiſt vor dem ernſten Gericht, und hoͤre ſein Urtheil! Heb auch deinen gefuͤrchteten Arm auf und ſchlage den Suͤnder, Schlage Nikodemum, Gott! Und vollende die Fluͤche, Die ich zu Ehren dir that! Den andern, der nebſt ihm ſein Knie bog, Leg auch ihn in den Staub, Gamaliel hin, wo der Tod wohnt! Aber deinen grimmigen Zorn, worunter die Hoͤlle, Wenn du dahergehſt, worunter die Berge der Erden erzittern, Deine Donner die vor dir, und nach dir, und um dich her donnern! Nimm, Gott, und ſchlag den noch groͤſſeren Suͤnder, den Nazaraͤer! Jch bin jung geweſen, und bin zum Greiſe geworden, Habe dir ſtets nach der Weiſe der V[aͤt]er gedient und geopfert:
Aber,
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Der Meßias.
Einen Verruchten zu ſchuͤtzen, und weil dein dienſtbares Auge
Wider den Ewigen ſtritt, und unheilige Thraͤnen dahingoß!
Auch du ſchuͤtzeſt den Traͤumer, Gamaliel! Finſterniß decke
Und entſetzliches Dunkel dein Auge! Dann ſitz und warte
Auf die Huͤlfe des Nazaraͤers, und ſchmachte vergebens!
Taubheit ſchließe dein Ohr, ein ſchreckliches Ende dein Leben!
Lieg dann, und harre, bis dich der Nazaraͤer erwecke!
Lieg, und verweſ und harre vergebens! Und, wenn du zum Poͤbel,
Der ihn, wie du, fuͤr wunderthaͤtig und goͤttlich haͤlt, ſagteſt:
Merket darauf, er wird mich erwecken! So trete der Poͤbel
Auf dein Grab hin und ſpotte daſelbſt des Propheten und deiner:
Warum liegt ihr ſo ſtill, der Auferſtehung Gebeine?
Warum ſchlaͤfſt du ſo ewig, Gamaliel? Komm doch, du Frommer!
Komm doch hervor! Dich rufet der Mann, der Meßias, ins Leben!
Hoͤrſt du uns nicht? Und traͤumſt du vielleicht, wie vormals im Leben?
Alſo trete der Poͤbel auf deine Gebeine mit Hohn hin!
Dann ſteh dein Geiſt vor dem ernſten Gericht, und hoͤre ſein Urtheil!
Heb auch deinen gefuͤrchteten Arm auf und ſchlage den Suͤnder,
Schlage Nikodemum, Gott! Und vollende die Fluͤche,
Die ich zu Ehren dir that! Den andern, der nebſt ihm ſein Knie bog,
Leg auch ihn in den Staub, Gamaliel hin, wo der Tod wohnt!
Aber deinen grimmigen Zorn, worunter die Hoͤlle,
Wenn du dahergehſt, worunter die Berge der Erden erzittern,
Deine Donner die vor dir, und nach dir, und um dich her donnern!
Nimm, Gott, und ſchlag den noch groͤſſeren Suͤnder, den Nazaraͤer!
Jch bin jung geweſen, und bin zum Greiſe geworden,
Habe dir ſtets nach der Weiſe der Vaͤter gedient und geopfert:
Aber,
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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias01_1751/128>, abgerufen am 16.07.2024.
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