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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751.

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Dritter Gesang.

Aber bald wird sich der furchtbare Tod am Tage des Jammers
Ueber sie breiten, am Tage der Quaal und des sterbenden Winselns,
Wo mit gerungenen Händen die Braut um den Bräutigam jammert;
Wo nun aller Kinder beraubt die verzweifelnde Mutter
Wütend dem Tag, an dem sie gebahr und gebohren ward, fluchet;
Wo mit tiefen verfallenen Augen die Todtengräber
Durch die Leichname wandeln, bis hoch vom trüben Olympus
Mit tiefsinniger Stirn der Todesengel herabsteigt,
Und sich umsieht, und alles verödet und still und einsam
Sieht, und auf den Gräbern voll ernster Betrachtungen stehn bleibt.
Also kam über Jscharioth Satan zum nahen Verderben,
Und ließ einen verführenden Traum in sein offnes Gehirne.
Schnell empört er sein klopfendes Herz zu Begierden der Bosheit;
Senkte zuerst empfundne Gedanken, voll Feuer und stürmend,
Jn die Seele. So wie sich ein Donner in schweflichte Berge
Himmelab stürzt, sie entzündt, neue Donner zu sich versammelt,
Dann durch die Tiefen, nunmehr ein ganzes Gewitter, sich fortwälzt.
Denn der Seraphim hohes Geheimniß, den Seelen der Menschen
Edle Gedanken, der Ewigkeit würdige große Gedanken
Einzugeben, war Satan zu seiner größern Verdammniß
Annoch bekannt. Zwar kam aus treuer sorgsamer Ahndung
Seraph Jthuriel wieder zurück, bey dem Jünger zu bleiben.
Aber da er wahrnahm, wie über Jscharioth Satan
Sich verbreitete, bebt er und stand, und sahe zu Gott auf,
Und entschloß sich, vom Schlaf Jscharioth aufzuwecken.
Dreymal schwebt er auf Flügeln des Sturms durch brausende Cedern
Ueber sein Angesicht hin, gieng dreymal mit mächtigen Schritten,

Bey

Dritter Geſang.

Aber bald wird ſich der furchtbare Tod am Tage des Jammers
Ueber ſie breiten, am Tage der Quaal und des ſterbenden Winſelns,
Wo mit gerungenen Haͤnden die Braut um den Braͤutigam jammert;
Wo nun aller Kinder beraubt die verzweifelnde Mutter
Wuͤtend dem Tag, an dem ſie gebahr und gebohren ward, fluchet;
Wo mit tiefen verfallenen Augen die Todtengraͤber
Durch die Leichname wandeln, bis hoch vom truͤben Olympus
Mit tiefſinniger Stirn der Todesengel herabſteigt,
Und ſich umſieht, und alles veroͤdet und ſtill und einſam
Sieht, und auf den Graͤbern voll ernſter Betrachtungen ſtehn bleibt.
Alſo kam uͤber Jſcharioth Satan zum nahen Verderben,
Und ließ einen verfuͤhrenden Traum in ſein offnes Gehirne.
Schnell empoͤrt er ſein klopfendes Herz zu Begierden der Bosheit;
Senkte zuerſt empfundne Gedanken, voll Feuer und ſtuͤrmend,
Jn die Seele. So wie ſich ein Donner in ſchweflichte Berge
Himmelab ſtuͤrzt, ſie entzuͤndt, neue Donner zu ſich verſammelt,
Dann durch die Tiefen, nunmehr ein ganzes Gewitter, ſich fortwaͤlzt.
Denn der Seraphim hohes Geheimniß, den Seelen der Menſchen
Edle Gedanken, der Ewigkeit wuͤrdige große Gedanken
Einzugeben, war Satan zu ſeiner groͤßern Verdammniß
Annoch bekannt. Zwar kam aus treuer ſorgſamer Ahndung
Seraph Jthuriel wieder zuruͤck, bey dem Juͤnger zu bleiben.
Aber da er wahrnahm, wie uͤber Jſcharioth Satan
Sich verbreitete, bebt er und ſtand, und ſahe zu Gott auf,
Und entſchloß ſich, vom Schlaf Jſcharioth aufzuwecken.
Dreymal ſchwebt er auf Fluͤgeln des Sturms durch brauſende Cedern
Ueber ſein Angeſicht hin, gieng dreymal mit maͤchtigen Schritten,

Bey
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[93/0105] Dritter Geſang. Aber bald wird ſich der furchtbare Tod am Tage des Jammers Ueber ſie breiten, am Tage der Quaal und des ſterbenden Winſelns, Wo mit gerungenen Haͤnden die Braut um den Braͤutigam jammert; Wo nun aller Kinder beraubt die verzweifelnde Mutter Wuͤtend dem Tag, an dem ſie gebahr und gebohren ward, fluchet; Wo mit tiefen verfallenen Augen die Todtengraͤber Durch die Leichname wandeln, bis hoch vom truͤben Olympus Mit tiefſinniger Stirn der Todesengel herabſteigt, Und ſich umſieht, und alles veroͤdet und ſtill und einſam Sieht, und auf den Graͤbern voll ernſter Betrachtungen ſtehn bleibt. Alſo kam uͤber Jſcharioth Satan zum nahen Verderben, Und ließ einen verfuͤhrenden Traum in ſein offnes Gehirne. Schnell empoͤrt er ſein klopfendes Herz zu Begierden der Bosheit; Senkte zuerſt empfundne Gedanken, voll Feuer und ſtuͤrmend, Jn die Seele. So wie ſich ein Donner in ſchweflichte Berge Himmelab ſtuͤrzt, ſie entzuͤndt, neue Donner zu ſich verſammelt, Dann durch die Tiefen, nunmehr ein ganzes Gewitter, ſich fortwaͤlzt. Denn der Seraphim hohes Geheimniß, den Seelen der Menſchen Edle Gedanken, der Ewigkeit wuͤrdige große Gedanken Einzugeben, war Satan zu ſeiner groͤßern Verdammniß Annoch bekannt. Zwar kam aus treuer ſorgſamer Ahndung Seraph Jthuriel wieder zuruͤck, bey dem Juͤnger zu bleiben. Aber da er wahrnahm, wie uͤber Jſcharioth Satan Sich verbreitete, bebt er und ſtand, und ſahe zu Gott auf, Und entſchloß ſich, vom Schlaf Jſcharioth aufzuwecken. Dreymal ſchwebt er auf Fluͤgeln des Sturms durch brauſende Cedern Ueber ſein Angeſicht hin, gieng dreymal mit maͤchtigen Schritten, Bey

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Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias01_1751/105>, abgerufen am 23.11.2024.