Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774.

Bild:
<< vorherige Seite

welche die andern Zünfte nicht recht begriffen,
auf Einmal unter dem Volke. Man hat nach-
her erzählt, daß die gemischte Zunft die Drittler
hätte in Schuz nehmen wollen, aber durch die
Befürchtung eines gleichen Schiksals davon
wäre abgehalten worden; allein wir müssen
zur Steuer der Wahrheit, die uns über alles
geht, sagen, daß wir, nach langer und sorg-
fältiger Nachforschung, das Gerücht falsch be-
funden haben. Die eingegangne Zunft breitete
sich schnell unter dem Volke aus, und bekam,
ob man gleich sehr wol hätte einsehn können,
aus welchen Ursachen diese neuen Mitglieder
handelten, eben so schnell Einflüsse unter dem-
selben. Geschrekt durch die vielleicht ganz
nahe Gefahr, daß das Volk nun gar die drey
Stimmen wider die Aldermänner geben könte,
sprangen zwölf edle und vaterländische Jüng-
linge, die einander zugewinkt hatten, auf Ein-
mal auf, sonderten sich von dem Volke, zwan-
gen ihrer einen zum Anführer, und gingen bleich
und zitternd, aber dennoch sehr mutig, nach
dem halben Kreise zu. Die Aldermänner wink-
ten, und riefen ihnen Rükkehr entgegen; al-
lein die Jünglinge sahen und hörten nichts
mehr, gingen hinauf, sagten: Es wäre jezt
eben eine weitansteckende Seuche unter das
Volk gekommen! baten, beschworen die Alder-

männer

welche die andern Zuͤnfte nicht recht begriffen,
auf Einmal unter dem Volke. Man hat nach-
her erzaͤhlt, daß die gemiſchte Zunft die Drittler
haͤtte in Schuz nehmen wollen, aber durch die
Befuͤrchtung eines gleichen Schikſals davon
waͤre abgehalten worden; allein wir muͤſſen
zur Steuer der Wahrheit, die uns uͤber alles
geht, ſagen, daß wir, nach langer und ſorg-
faͤltiger Nachforſchung, das Geruͤcht falſch be-
funden haben. Die eingegangne Zunft breitete
ſich ſchnell unter dem Volke aus, und bekam,
ob man gleich ſehr wol haͤtte einſehn koͤnnen,
aus welchen Urſachen dieſe neuen Mitglieder
handelten, eben ſo ſchnell Einfluͤſſe unter dem-
ſelben. Geſchrekt durch die vielleicht ganz
nahe Gefahr, daß das Volk nun gar die drey
Stimmen wider die Aldermaͤnner geben koͤnte,
ſprangen zwoͤlf edle und vaterlaͤndiſche Juͤng-
linge, die einander zugewinkt hatten, auf Ein-
mal auf, ſonderten ſich von dem Volke, zwan-
gen ihrer einen zum Anfuͤhrer, und gingen bleich
und zitternd, aber dennoch ſehr mutig, nach
dem halben Kreiſe zu. Die Aldermaͤnner wink-
ten, und riefen ihnen Ruͤkkehr entgegen; al-
lein die Juͤnglinge ſahen und hoͤrten nichts
mehr, gingen hinauf, ſagten: Es waͤre jezt
eben eine weitanſteckende Seuche unter das
Volk gekommen! baten, beſchworen die Alder-

maͤnner
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0519" n="443"/>
welche die andern Zu&#x0364;nfte nicht recht begriffen,<lb/>
auf Einmal unter dem Volke. Man hat nach-<lb/>
her erza&#x0364;hlt, daß die gemi&#x017F;chte Zunft die Drittler<lb/>
ha&#x0364;tte in Schuz nehmen wollen, aber durch die<lb/>
Befu&#x0364;rchtung eines gleichen Schik&#x017F;als davon<lb/>
wa&#x0364;re abgehalten worden; allein wir mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en<lb/>
zur Steuer der Wahrheit, die uns u&#x0364;ber alles<lb/>
geht, &#x017F;agen, daß wir, nach langer und &#x017F;org-<lb/>
fa&#x0364;ltiger Nachfor&#x017F;chung, das Geru&#x0364;cht fal&#x017F;ch be-<lb/>
funden haben. Die eingegangne Zunft breitete<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;chnell unter dem Volke aus, und bekam,<lb/>
ob man gleich &#x017F;ehr wol ha&#x0364;tte ein&#x017F;ehn ko&#x0364;nnen,<lb/>
aus welchen Ur&#x017F;achen die&#x017F;e neuen Mitglieder<lb/>
handelten, eben &#x017F;o &#x017F;chnell Einflu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e unter dem-<lb/>
&#x017F;elben. Ge&#x017F;chrekt durch die vielleicht ganz<lb/>
nahe Gefahr, daß das Volk nun gar die drey<lb/>
Stimmen wider die Alderma&#x0364;nner geben ko&#x0364;nte,<lb/>
&#x017F;prangen zwo&#x0364;lf edle und vaterla&#x0364;ndi&#x017F;che Ju&#x0364;ng-<lb/>
linge, die einander zugewinkt hatten, auf Ein-<lb/>
mal auf, &#x017F;onderten &#x017F;ich von dem Volke, zwan-<lb/>
gen ihrer einen zum Anfu&#x0364;hrer, und gingen bleich<lb/>
und zitternd, aber dennoch &#x017F;ehr mutig, nach<lb/>
dem halben Krei&#x017F;e zu. Die Alderma&#x0364;nner wink-<lb/>
ten, und riefen ihnen Ru&#x0364;kkehr entgegen; al-<lb/>
lein die Ju&#x0364;nglinge &#x017F;ahen und ho&#x0364;rten nichts<lb/>
mehr, gingen hinauf, &#x017F;agten: Es wa&#x0364;re jezt<lb/>
eben eine weitan&#x017F;teckende Seuche unter das<lb/>
Volk gekommen! baten, be&#x017F;chworen die Alder-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ma&#x0364;nner</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[443/0519] welche die andern Zuͤnfte nicht recht begriffen, auf Einmal unter dem Volke. Man hat nach- her erzaͤhlt, daß die gemiſchte Zunft die Drittler haͤtte in Schuz nehmen wollen, aber durch die Befuͤrchtung eines gleichen Schikſals davon waͤre abgehalten worden; allein wir muͤſſen zur Steuer der Wahrheit, die uns uͤber alles geht, ſagen, daß wir, nach langer und ſorg- faͤltiger Nachforſchung, das Geruͤcht falſch be- funden haben. Die eingegangne Zunft breitete ſich ſchnell unter dem Volke aus, und bekam, ob man gleich ſehr wol haͤtte einſehn koͤnnen, aus welchen Urſachen dieſe neuen Mitglieder handelten, eben ſo ſchnell Einfluͤſſe unter dem- ſelben. Geſchrekt durch die vielleicht ganz nahe Gefahr, daß das Volk nun gar die drey Stimmen wider die Aldermaͤnner geben koͤnte, ſprangen zwoͤlf edle und vaterlaͤndiſche Juͤng- linge, die einander zugewinkt hatten, auf Ein- mal auf, ſonderten ſich von dem Volke, zwan- gen ihrer einen zum Anfuͤhrer, und gingen bleich und zitternd, aber dennoch ſehr mutig, nach dem halben Kreiſe zu. Die Aldermaͤnner wink- ten, und riefen ihnen Ruͤkkehr entgegen; al- lein die Juͤnglinge ſahen und hoͤrten nichts mehr, gingen hinauf, ſagten: Es waͤre jezt eben eine weitanſteckende Seuche unter das Volk gekommen! baten, beſchworen die Alder- maͤnner

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/519
Zitationshilfe: Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774, S. 443. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/519>, abgerufen am 22.11.2024.