ren viel Streitschriften in dem Schranke? J. Ver- mutlich. Die Bücher standen in drey Reihen hinter einander. Jn der vordersten sah es, mich deucht, hier und da etwas polemisch aus. A. Kam Rohr- dommel ganz unbeschadet davon? J. Was wolt er? Jhr sehet ja, wie ihm auf der linken Seite der Bart ausgerauft ist. Als wir wieder zu uns selber kamen, fanden wir um uns herum viel weisses Haar liegen. Am diksten lag's im Schuhe. Der Spuk mocht's wol aus Rache dahin zusammengeschlept ha- ben. A. Wirst du fortfahren zu bannen, Rohr- dommel? R. Warum nicht? A. So? Und ihr wolt ihr wieder bannen lassen? J. Ganze Schränke nun eben nicht; aber sonst .. wir glauben, daß es uns denn doch sonst wol könte verstattet werden; wiewol wenn in den Schränken keine Streitschrif- ten wären .. A. Man kann es euch jungen Leuten eben nicht so sehr verargen, daß ihr gern wissen wolt, wie es mit der Dauer dieser und jener Schrift be- schaffen sey. Diese Kentnis kann euch auf den Fall hin, daß ihr etwa selber was schreiben woltet, gar heilsam seyn: aber unsre Verordnung, die Todten in Ruhe zu lassen, ist gleichwol einmal da, und das habt ihr gewust; überdieß hättet ihr euch ja nur bey Zünftern, oder bey uns erkundigen können, wie es mit solchen Schriften stünde, und eben eure Zu- flucht nicht zu einem Zauberer nehmen dürfen.
Herold! so lange der Landtag dauert, führst du Laurenz Rohrdommeln, und diese fünf Jünglinge, einen Abend um den andern, jedesmal auf eine Stunde, in den grossen Büchersaal. Dort solt ihr Rohrdommeln aus den Büchern, deren Gespenster ihr durch ihn habt bannen lassen, (ihr müsset Sorge tragen, daß er ja nicht darüber einschlafe, denn sonst
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ren viel Streitſchriften in dem Schranke? J. Ver- mutlich. Die Buͤcher ſtanden in drey Reihen hinter einander. Jn der vorderſten ſah es, mich deucht, hier und da etwas polemiſch aus. A. Kam Rohr- dommel ganz unbeſchadet davon? J. Was wolt er? Jhr ſehet ja, wie ihm auf der linken Seite der Bart ausgerauft iſt. Als wir wieder zu uns ſelber kamen, fanden wir um uns herum viel weiſſes Haar liegen. Am dikſten lag’s im Schuhe. Der Spuk mocht’s wol aus Rache dahin zuſammengeſchlept ha- ben. A. Wirſt du fortfahren zu bannen, Rohr- dommel? R. Warum nicht? A. So? Und ihr wolt ihr wieder bannen laſſen? J. Ganze Schraͤnke nun eben nicht; aber ſonſt .. wir glauben, daß es uns denn doch ſonſt wol koͤnte verſtattet werden; wiewol wenn in den Schraͤnken keine Streitſchrif- ten waͤren .. A. Man kann es euch jungen Leuten eben nicht ſo ſehr verargen, daß ihr gern wiſſen wolt, wie es mit der Dauer dieſer und jener Schrift be- ſchaffen ſey. Dieſe Kentnis kann euch auf den Fall hin, daß ihr etwa ſelber was ſchreiben woltet, gar heilſam ſeyn: aber unſre Verordnung, die Todten in Ruhe zu laſſen, iſt gleichwol einmal da, und das habt ihr gewuſt; uͤberdieß haͤttet ihr euch ja nur bey Zuͤnftern, oder bey uns erkundigen koͤnnen, wie es mit ſolchen Schriften ſtuͤnde, und eben eure Zu- flucht nicht zu einem Zauberer nehmen duͤrfen.
Herold! ſo lange der Landtag dauert, fuͤhrſt du Laurenz Rohrdommeln, und dieſe fuͤnf Juͤnglinge, einen Abend um den andern, jedesmal auf eine Stunde, in den groſſen Buͤcherſaal. Dort ſolt ihr Rohrdommeln aus den Buͤchern, deren Geſpenſter ihr durch ihn habt bannen laſſen, (ihr muͤſſet Sorge tragen, daß er ja nicht daruͤber einſchlafe, denn ſonſt
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ren viel Streitſchriften in dem Schranke? J. Ver-
mutlich. Die Buͤcher ſtanden in drey Reihen hinter
einander. Jn der vorderſten ſah es, mich deucht,
hier und da etwas polemiſch aus. A. Kam Rohr-
dommel ganz unbeſchadet davon? J. Was wolt
er? Jhr ſehet ja, wie ihm auf der linken Seite der
Bart ausgerauft iſt. Als wir wieder zu uns ſelber
kamen, fanden wir um uns herum viel weiſſes Haar
liegen. Am dikſten lag’s im Schuhe. Der Spuk
mocht’s wol aus Rache dahin zuſammengeſchlept ha-
ben. A. Wirſt du fortfahren zu bannen, Rohr-
dommel? R. Warum nicht? A. So? Und ihr
wolt ihr wieder bannen laſſen? J. Ganze Schraͤnke
nun eben nicht; aber ſonſt .. wir glauben, daß es
uns denn doch ſonſt wol koͤnte verſtattet werden;
wiewol wenn in den Schraͤnken keine Streitſchrif-
ten waͤren .. A. Man kann es euch jungen Leuten
eben nicht ſo ſehr verargen, daß ihr gern wiſſen wolt,
wie es mit der Dauer dieſer und jener Schrift be-
ſchaffen ſey. Dieſe Kentnis kann euch auf den Fall
hin, daß ihr etwa ſelber was ſchreiben woltet, gar
heilſam ſeyn: aber unſre Verordnung, die Todten
in Ruhe zu laſſen, iſt gleichwol einmal da, und das
habt ihr gewuſt; uͤberdieß haͤttet ihr euch ja nur
bey Zuͤnftern, oder bey uns erkundigen koͤnnen, wie
es mit ſolchen Schriften ſtuͤnde, und eben eure Zu-
flucht nicht zu einem Zauberer nehmen duͤrfen.
Herold! ſo lange der Landtag dauert, fuͤhrſt du
Laurenz Rohrdommeln, und dieſe fuͤnf Juͤnglinge,
einen Abend um den andern, jedesmal auf eine
Stunde, in den groſſen Buͤcherſaal. Dort ſolt ihr
Rohrdommeln aus den Buͤchern, deren Geſpenſter
ihr durch ihn habt bannen laſſen, (ihr muͤſſet Sorge
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Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774, S. 393. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/469>, abgerufen am 22.11.2024.
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