sehr kränken würde, wenn man deswegen Mistrauen in unsre historische Wahrhaftig- keit sezen wolte, weil wir der allerdings etwas wunderbaren Ereignisse, (welche wir gleich erzählen wollen) die Gespenster und den Mäu- seberg betreffend erwähnen. Mit gleichem Unrechte, würde man so gar gegen die Glaub- würdigkeit der Xenophone, der Cäsare, und der Dione Zweifel vorbringen können, weil (wir führen nur sie, und aus jedem nur Ein Bey- spiel an) der erste durch einen Traum zu der Führung der Zehntausend ermuntert wurde; der zweyte von Thieren des Harzes, die Beine ohne Gelenke hatten, Nachricht gab, und der dritte erzählte, eine Bildsäule der Sieges- göttin hätte ihr Gesicht zu der Zeit von Rom weggewendet, als Varus und die Legionen in Teutoburgs Thäler gekömmen wären. Wir hoffen durch diese wenigen Beyspiele (wie viele könten wir nicht noch anführen) allen Ver- dacht des Fabelhaften, das wir so sehr hassen, von uns abgelehnt zu haben. Sie, und an- dre, lautete die Vertheidigung der Nacht- wächter, hätten diese Nacht nicht wenig Ge- spenster verstorbner Schriften gesehen, aber sie durchaus nicht zum Weichen bringen kön- nen: Bergmänchen mit langen weissen Bär- ten, und die gleichwol doch sehr possenhaft
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ſehr kraͤnken wuͤrde, wenn man deswegen Mistrauen in unſre hiſtoriſche Wahrhaftig- keit ſezen wolte, weil wir der allerdings etwas wunderbaren Ereigniſſe, (welche wir gleich erzaͤhlen wollen) die Geſpenſter und den Maͤu- ſeberg betreffend erwaͤhnen. Mit gleichem Unrechte, wuͤrde man ſo gar gegen die Glaub- wuͤrdigkeit der Xenophone, der Caͤſare, und der Dione Zweifel vorbringen koͤnnen, weil (wir fuͤhren nur ſie, und aus jedem nur Ein Bey- ſpiel an) der erſte durch einen Traum zu der Fuͤhrung der Zehntauſend ermuntert wurde; der zweyte von Thieren des Harzes, die Beine ohne Gelenke hatten, Nachricht gab, und der dritte erzaͤhlte, eine Bildſaͤule der Sieges- goͤttin haͤtte ihr Geſicht zu der Zeit von Rom weggewendet, als Varus und die Legionen in Teutoburgs Thaͤler gekoͤmmen waͤren. Wir hoffen durch dieſe wenigen Beyſpiele (wie viele koͤnten wir nicht noch anfuͤhren) allen Ver- dacht des Fabelhaften, das wir ſo ſehr haſſen, von uns abgelehnt zu haben. Sie, und an- dre, lautete die Vertheidigung der Nacht- waͤchter, haͤtten dieſe Nacht nicht wenig Ge- ſpenſter verſtorbner Schriften geſehen, aber ſie durchaus nicht zum Weichen bringen koͤn- nen: Bergmaͤnchen mit langen weiſſen Baͤr- ten, und die gleichwol doch ſehr poſſenhaft
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ſehr kraͤnken wuͤrde, wenn man deswegen
Mistrauen in unſre hiſtoriſche Wahrhaftig-
keit ſezen wolte, weil wir der allerdings etwas
wunderbaren Ereigniſſe, (welche wir gleich
erzaͤhlen wollen) die Geſpenſter und den Maͤu-
ſeberg betreffend erwaͤhnen. Mit gleichem
Unrechte, wuͤrde man ſo gar gegen die Glaub-
wuͤrdigkeit der Xenophone, der Caͤſare, und der
Dione Zweifel vorbringen koͤnnen, weil (wir
fuͤhren nur ſie, und aus jedem nur Ein Bey-
ſpiel an) der erſte durch einen Traum zu der
Fuͤhrung der Zehntauſend ermuntert wurde;
der zweyte von Thieren des Harzes, die Beine
ohne Gelenke hatten, Nachricht gab, und der
dritte erzaͤhlte, eine Bildſaͤule der Sieges-
goͤttin haͤtte ihr Geſicht zu der Zeit von Rom
weggewendet, als Varus und die Legionen
in Teutoburgs Thaͤler gekoͤmmen waͤren. Wir
hoffen durch dieſe wenigen Beyſpiele (wie viele
koͤnten wir nicht noch anfuͤhren) allen Ver-
dacht des Fabelhaften, das wir ſo ſehr haſſen,
von uns abgelehnt zu haben. Sie, und an-
dre, lautete die Vertheidigung der Nacht-
waͤchter, haͤtten dieſe Nacht nicht wenig Ge-
ſpenſter verſtorbner Schriften geſehen, aber
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Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/414>, abgerufen am 22.11.2024.
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