Er war gekommen, die deutschen Scriben- ten schreiben zu lehren. Diese seine Weisheit machte er in zwey verschiednen Vorlesungen bekant, von denen die erste gewiß nicht wohl- feil, und die zweyte ausschweifend theuer war. Jn der ersten lehrte er, Aus wenigem viel, und in der zweyten, Aus nichts etwas ma- chen. (Sein Hans Wurst triebs noch ärger. Er brachte seinen Lehrlingen so gar bey, wie sie Aus nichts viel machen könten.)
De la Popepiere hatte seine Lehrstunden von ungefähr auf folgende Art eröfnet: Geheim- nisse theil ich euch mit, und ganz und gar nicht so etwas, als schon in Büchern steht, und als es so gar ein Deutscher lehren kann. Meine Geheimnisse sind zwar einigen, besonders fran- zösischen Scribenten zur Gnüge bekant; und sie zeigen es auch recht meisterhaft in ih- ren Schriften, daß sie in dieselben hineinge- drungen sind: aber die Theorie haben sie im- mer noch für sich behalten. Jch bin es, der diese nicht etwa nur so gut, als die Scriben- ten einsieht, sondern der sie auch auf eine licht- volle Art vorträgt. Was würde euch ein noch so anhaltendes Studiren dieser Muster helfen, wenn meine Theorie nicht ihre Fackel über den- selben schwänge, und so schwänge, daß die Schönheiten der Muster den Weg in Kopf
und
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Er war gekommen, die deutſchen Scriben- ten ſchreiben zu lehren. Dieſe ſeine Weisheit machte er in zwey verſchiednen Vorleſungen bekant, von denen die erſte gewiß nicht wohl- feil, und die zweyte ausſchweifend theuer war. Jn der erſten lehrte er, Aus wenigem viel, und in der zweyten, Aus nichts etwas ma- chen. (Sein Hans Wurſt triebs noch aͤrger. Er brachte ſeinen Lehrlingen ſo gar bey, wie ſie Aus nichts viel machen koͤnten.)
De la Popepiere hatte ſeine Lehrſtunden von ungefaͤhr auf folgende Art eroͤfnet: Geheim- niſſe theil ich euch mit, und ganz und gar nicht ſo etwas, als ſchon in Buͤchern ſteht, und als es ſo gar ein Deutſcher lehren kann. Meine Geheimniſſe ſind zwar einigen, beſonders fran- zoͤſiſchen Scribenten zur Gnuͤge bekant; und ſie zeigen es auch recht meiſterhaft in ih- ren Schriften, daß ſie in dieſelben hineinge- drungen ſind: aber die Theorie haben ſie im- mer noch fuͤr ſich behalten. Jch bin es, der dieſe nicht etwa nur ſo gut, als die Scriben- ten einſieht, ſondern der ſie auch auf eine licht- volle Art vortraͤgt. Was wuͤrde euch ein noch ſo anhaltendes Studiren dieſer Muſter helfen, wenn meine Theorie nicht ihre Fackel uͤber den- ſelben ſchwaͤnge, und ſo ſchwaͤnge, daß die Schoͤnheiten der Muſter den Weg in Kopf
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Er war gekommen, die deutſchen Scriben-
ten ſchreiben zu lehren. Dieſe ſeine Weisheit
machte er in zwey verſchiednen Vorleſungen
bekant, von denen die erſte gewiß nicht wohl-
feil, und die zweyte ausſchweifend theuer war.
Jn der erſten lehrte er, Aus wenigem viel,
und in der zweyten, Aus nichts etwas ma-
chen. (Sein Hans Wurſt triebs noch aͤrger.
Er brachte ſeinen Lehrlingen ſo gar bey, wie
ſie Aus nichts viel machen koͤnten.)
De la Popepiere hatte ſeine Lehrſtunden von
ungefaͤhr auf folgende Art eroͤfnet: Geheim-
niſſe theil ich euch mit, und ganz und gar nicht
ſo etwas, als ſchon in Buͤchern ſteht, und als
es ſo gar ein Deutſcher lehren kann. Meine
Geheimniſſe ſind zwar einigen, beſonders fran-
zoͤſiſchen Scribenten zur Gnuͤge bekant; und
ſie zeigen es auch recht meiſterhaft in ih-
ren Schriften, daß ſie in dieſelben hineinge-
drungen ſind: aber die Theorie haben ſie im-
mer noch fuͤr ſich behalten. Jch bin es, der
dieſe nicht etwa nur ſo gut, als die Scriben-
ten einſieht, ſondern der ſie auch auf eine licht-
volle Art vortraͤgt. Was wuͤrde euch ein noch
ſo anhaltendes Studiren dieſer Muſter helfen,
wenn meine Theorie nicht ihre Fackel uͤber den-
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Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/383>, abgerufen am 22.11.2024.
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