Art, anfallen lassen, und noch dazu durch sein Stillschweigen den Schein haben, als wäre der Anfall gerecht? Die Verhältnisse zwischen diesen Kritikern, und den Scribenten sind zu ungleich. Jene dürfen alles thun; und diese nichts. Denn welcher Scribent, der auf eine gewisse Art denkt, wird sich jemals vertheidi- gen? Darf er sagen, daß seine Schrift gut, oder schön sey? Denn darauf würde das, was er zu sagen hätte, doch hinaus laufen, welche Wendung er der Sache auch zu geben wüste. Kein halbes Wort darf er davon sagen. Und entschlöß er sich auch dazu; würde nicht die Vertheidigung eben deswegen ein sehr wehrlo- ses Ansehn haben, weil er nur ein schüchternes halbes Wort gesagt hätte? Und selbst bey Anlässen solcher noch so bescheidnen Vertheidi- gungen, pflegen die Ausrufer, sie, die zuerst, und so sehr beleidigen, zu sagen, das sey das Geschrey des beleidigten Scribenten! Aber roth ist auch dafür vor allen Gesichtern, die nicht mehr roth werden können, keins wie das ihrige, von den Brandmalen der Schamlosig- keit. Dawider wird denn doch wol auch nicht der schwächste Einwurf vorgebracht werden können, daß die, welche, bey solchen Ver- hältnissen, angreifen, sehr unedel handeln? Doch nur unedel zu handeln, das ist ihnen noch
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Art, anfallen laſſen, und noch dazu durch ſein Stillſchweigen den Schein haben, als waͤre der Anfall gerecht? Die Verhaͤltniſſe zwiſchen dieſen Kritikern, und den Scribenten ſind zu ungleich. Jene duͤrfen alles thun; und dieſe nichts. Denn welcher Scribent, der auf eine gewiſſe Art denkt, wird ſich jemals vertheidi- gen? Darf er ſagen, daß ſeine Schrift gut, oder ſchoͤn ſey? Denn darauf wuͤrde das, was er zu ſagen haͤtte, doch hinaus laufen, welche Wendung er der Sache auch zu geben wuͤſte. Kein halbes Wort darf er davon ſagen. Und entſchloͤß er ſich auch dazu; wuͤrde nicht die Vertheidigung eben deswegen ein ſehr wehrlo- ſes Anſehn haben, weil er nur ein ſchuͤchternes halbes Wort geſagt haͤtte? Und ſelbſt bey Anlaͤſſen ſolcher noch ſo beſcheidnen Vertheidi- gungen, pflegen die Ausrufer, ſie, die zuerſt, und ſo ſehr beleidigen, zu ſagen, das ſey das Geſchrey des beleidigten Scribenten! Aber roth iſt auch dafuͤr vor allen Geſichtern, die nicht mehr roth werden koͤnnen, keins wie das ihrige, von den Brandmalen der Schamloſig- keit. Dawider wird denn doch wol auch nicht der ſchwaͤchſte Einwurf vorgebracht werden koͤnnen, daß die, welche, bey ſolchen Ver- haͤltniſſen, angreifen, ſehr unedel handeln? Doch nur unedel zu handeln, das iſt ihnen noch
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Art, anfallen laſſen, und noch dazu durch ſein
Stillſchweigen den Schein haben, als waͤre
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dieſen Kritikern, und den Scribenten ſind zu
ungleich. Jene duͤrfen alles thun; und dieſe
nichts. Denn welcher Scribent, der auf eine
gewiſſe Art denkt, wird ſich jemals vertheidi-
gen? Darf er ſagen, daß ſeine Schrift gut,
oder ſchoͤn ſey? Denn darauf wuͤrde das, was
er zu ſagen haͤtte, doch hinaus laufen, welche
Wendung er der Sache auch zu geben wuͤſte.
Kein halbes Wort darf er davon ſagen. Und
entſchloͤß er ſich auch dazu; wuͤrde nicht die
Vertheidigung eben deswegen ein ſehr wehrlo-
ſes Anſehn haben, weil er nur ein ſchuͤchternes
halbes Wort geſagt haͤtte? Und ſelbſt bey
Anlaͤſſen ſolcher noch ſo beſcheidnen Vertheidi-
gungen, pflegen die Ausrufer, ſie, die zuerſt,
und ſo ſehr beleidigen, zu ſagen, das ſey das
Geſchrey des beleidigten Scribenten! Aber
roth iſt auch dafuͤr vor allen Geſichtern, die
nicht mehr roth werden koͤnnen, keins wie das
ihrige, von den Brandmalen der Schamloſig-
keit. Dawider wird denn doch wol auch nicht
der ſchwaͤchſte Einwurf vorgebracht werden
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Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/351>, abgerufen am 22.11.2024.
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