daß die Republik, die sie jezt mehr als vordem kanten, und, welches einerley ist, schäzten, und zu deren Landtage sie mit derjenigen Neu- begierde, die schon beynah Genuß ist, gekom- men waren, Geschmak daran fände, durch die Anzahl ihrer Mitbürger, durch einen solchen ersten Anblik, dessen Täuschung doch so bald verschwände, groß in die Augen zu fallen.
Der Herold eröfnete den Landtag mit die- sem neuen Zurufe:
Seyd gerecht, und steuert allem, was der Ehre der Republik nachtheilig ist, oder werden kann! Fördert, was der Nation würdig ist, und haltet derselben nichts würdig, was nicht gut, edel, und unsterblich ist!
Als nach einigem Gemurmel, daß die Al- dermänner den uralten Zuruf abgeschaft, und diesen neuen geboten hätten, ein Aldermann zu reden aufstand, hinderte dieß der Anwald der Dichter durch seine schnelle Ankunft. Der Hauptinhalt seiner Anrede an die Aldermän- ner war:
Sie hätten den Landtag veranlassen sollen, da die Zünfte gezögert hätten es zu thun. Sie verdienten auch hierdurch den Vorwurf einer zu grossen Gelindigkeit. Denn wäre die Land- gemeine eher zusammengekommen; so würde auch Recht und Gerechtigkeit eher gehandhabt
wor-
daß die Republik, die ſie jezt mehr als vordem kanten, und, welches einerley iſt, ſchaͤzten, und zu deren Landtage ſie mit derjenigen Neu- begierde, die ſchon beynah Genuß iſt, gekom- men waren, Geſchmak daran faͤnde, durch die Anzahl ihrer Mitbuͤrger, durch einen ſolchen erſten Anblik, deſſen Taͤuſchung doch ſo bald verſchwaͤnde, groß in die Augen zu fallen.
Der Herold eroͤfnete den Landtag mit die- ſem neuen Zurufe:
Seyd gerecht, und ſteuert allem, was der Ehre der Republik nachtheilig iſt, oder werden kann! Foͤrdert, was der Nation wuͤrdig iſt, und haltet derſelben nichts wuͤrdig, was nicht gut, edel, und unſterblich iſt!
Als nach einigem Gemurmel, daß die Al- dermaͤnner den uralten Zuruf abgeſchaft, und dieſen neuen geboten haͤtten, ein Aldermann zu reden aufſtand, hinderte dieß der Anwald der Dichter durch ſeine ſchnelle Ankunft. Der Hauptinhalt ſeiner Anrede an die Aldermaͤn- ner war:
Sie haͤtten den Landtag veranlaſſen ſollen, da die Zuͤnfte gezoͤgert haͤtten es zu thun. Sie verdienten auch hierdurch den Vorwurf einer zu groſſen Gelindigkeit. Denn waͤre die Land- gemeine eher zuſammengekommen; ſo wuͤrde auch Recht und Gerechtigkeit eher gehandhabt
wor-
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daß die Republik, die ſie jezt mehr als vordem
kanten, und, welches einerley iſt, ſchaͤzten,
und zu deren Landtage ſie mit derjenigen Neu-
begierde, die ſchon beynah Genuß iſt, gekom-
men waren, Geſchmak daran faͤnde, durch die
Anzahl ihrer Mitbuͤrger, durch einen ſolchen
erſten Anblik, deſſen Taͤuſchung doch ſo bald
verſchwaͤnde, groß in die Augen zu fallen.
Der Herold eroͤfnete den Landtag mit die-
ſem neuen Zurufe:
Seyd gerecht, und ſteuert allem, was der
Ehre der Republik nachtheilig iſt, oder werden
kann! Foͤrdert, was der Nation wuͤrdig iſt,
und haltet derſelben nichts wuͤrdig, was nicht
gut, edel, und unſterblich iſt!
Als nach einigem Gemurmel, daß die Al-
dermaͤnner den uralten Zuruf abgeſchaft, und
dieſen neuen geboten haͤtten, ein Aldermann
zu reden aufſtand, hinderte dieß der Anwald
der Dichter durch ſeine ſchnelle Ankunft. Der
Hauptinhalt ſeiner Anrede an die Aldermaͤn-
ner war:
Sie haͤtten den Landtag veranlaſſen ſollen,
da die Zuͤnfte gezoͤgert haͤtten es zu thun. Sie
verdienten auch hierdurch den Vorwurf einer
zu groſſen Gelindigkeit. Denn waͤre die Land-
gemeine eher zuſammengekommen; ſo wuͤrde
auch Recht und Gerechtigkeit eher gehandhabt
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Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/251>, abgerufen am 22.11.2024.
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