Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700.

Bild:
<< vorherige Seite

Anderes Buch.
Stadt zu unterschiedenen mahlen dermassen/ daß
sich der helle Tag in eine abscheuliche Mitter-
nacht versteckte; und indem sich die Sonne gantz
unter den dick-schwartzen Dampff verbarg/ so
schien es/ als wenn die Nacht etliche Stunden zu
früh eingebrochen wäre. Niemand hätte wis-
sen können/ wohin er fliehen sollen/ wenn nicht
bißweilen die Flamme durch den Rauch geschla-
gen/ und das erbärmliche Wehklagen der Ver-
brennenden die andern gewarnet hätte/ zurücke
zu bleiben. Begaben sich aber die guten Leute
an einen von der Flamme noch unberühreten
Ort/ so funden sie das fressende Schwerdt/ wel-
ches gleichfalls so grausam wütete/ als ob das
Feuer mit lauter Menschen-Blute sollte gelöschet
werden. Unterweilen fielen die Giebel der Häu-
ser über die Gassen/ und verscharrten die Men-
schen in einem glüenden Grabe. Offtmahls fie-
len die Häuser einwärts/ und schien die Flamme
begraben zu seyn/ welche aber doch hiedurch nur
mehr Nahrung bekam/ desto erschrecklicher wie-
der hervor zu brechen. Die Riegel und Balcken
krachten und sprungen dergestalt von einander/
daß Boden und Wände herunter/ und über einen
Hauffen fielen. Zuweilen zündete ein brennen-
des Hauß das neben ihm stehende unten/ oder
in der mitten an. Hier stürtzten gantze Dächer
herunter/ dort kamen brennende Stücke mit ei-
nem harten Winde in die Gassen geflogen: an-
derswo erschütterte der Grund vom Falle der nie-

der-
N n 3

Anderes Buch.
Stadt zu unterſchiedenen mahlen dermaſſen/ daß
ſich der helle Tag in eine abſcheuliche Mitter-
nacht verſteckte; und indem ſich die Sonne gantz
unter den dick-ſchwartzen Dampff verbarg/ ſo
ſchien es/ als wenn die Nacht etliche Stunden zu
fruͤh eingebrochen waͤre. Niemand haͤtte wiſ-
ſen koͤnnen/ wohin er fliehen ſollen/ wenn nicht
bißweilen die Flamme durch den Rauch geſchla-
gen/ und das erbaͤrmliche Wehklagen der Ver-
brennenden die andern gewarnet haͤtte/ zuruͤcke
zu bleiben. Begaben ſich aber die guten Leute
an einen von der Flamme noch unberuͤhreten
Ort/ ſo funden ſie das freſſende Schwerdt/ wel-
ches gleichfalls ſo grauſam wuͤtete/ als ob das
Feuer mit lauter Menſchen-Blute ſollte geloͤſchet
werden. Unterweilen fielen die Giebel der Haͤu-
ſer uͤber die Gaſſen/ und verſcharrten die Men-
ſchen in einem gluͤenden Grabe. Offtmahls fie-
len die Haͤuſer einwaͤrts/ und ſchien die Flamme
begraben zu ſeyn/ welche aber doch hiedurch nur
mehr Nahrung bekam/ deſto erſchrecklicher wie-
der hervor zu brechen. Die Riegel und Balcken
krachten und ſprungen dergeſtalt von einander/
daß Boden und Waͤnde herunter/ und uͤber einen
Hauffen fielen. Zuweilen zuͤndete ein brennen-
des Hauß das neben ihm ſtehende unten/ oder
in der mitten an. Hier ſtuͤrtzten gantze Daͤcher
herunter/ dort kamen brennende Stuͤcke mit ei-
nem harten Winde in die Gaſſen geflogen: an-
derswo erſchuͤtterte der Grund vom Falle der nie-

der-
N n 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0585" n="565"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Anderes Buch.</hi></fw><lb/>
Stadt zu unter&#x017F;chiedenen mahlen derma&#x017F;&#x017F;en/ daß<lb/>
&#x017F;ich der helle Tag in eine ab&#x017F;cheuliche Mitter-<lb/>
nacht ver&#x017F;teckte; und indem &#x017F;ich die Sonne gantz<lb/>
unter den dick-&#x017F;chwartzen Dampff verbarg/ &#x017F;o<lb/>
&#x017F;chien es/ als wenn die Nacht etliche Stunden zu<lb/>
fru&#x0364;h eingebrochen wa&#x0364;re. Niemand ha&#x0364;tte wi&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en ko&#x0364;nnen/ wohin er fliehen &#x017F;ollen/ wenn nicht<lb/>
bißweilen die Flamme durch den Rauch ge&#x017F;chla-<lb/>
gen/ und das erba&#x0364;rmliche Wehklagen der Ver-<lb/>
brennenden die andern gewarnet ha&#x0364;tte/ zuru&#x0364;cke<lb/>
zu bleiben. Begaben &#x017F;ich aber die guten Leute<lb/>
an einen von der Flamme noch unberu&#x0364;hreten<lb/>
Ort/ &#x017F;o funden &#x017F;ie das fre&#x017F;&#x017F;ende Schwerdt/ wel-<lb/>
ches gleichfalls &#x017F;o grau&#x017F;am wu&#x0364;tete/ als ob das<lb/>
Feuer mit lauter Men&#x017F;chen-Blute &#x017F;ollte gelo&#x0364;&#x017F;chet<lb/>
werden. Unterweilen fielen die Giebel der Ha&#x0364;u-<lb/>
&#x017F;er u&#x0364;ber die Ga&#x017F;&#x017F;en/ und ver&#x017F;charrten die Men-<lb/>
&#x017F;chen in einem glu&#x0364;enden Grabe. Offtmahls fie-<lb/>
len die Ha&#x0364;u&#x017F;er einwa&#x0364;rts/ und &#x017F;chien die Flamme<lb/>
begraben zu &#x017F;eyn/ welche aber doch hiedurch nur<lb/>
mehr Nahrung bekam/ de&#x017F;to er&#x017F;chrecklicher wie-<lb/>
der hervor zu brechen. Die Riegel und Balcken<lb/>
krachten und &#x017F;prungen derge&#x017F;talt von einander/<lb/>
daß Boden und Wa&#x0364;nde herunter/ und u&#x0364;ber einen<lb/>
Hauffen fielen. Zuweilen zu&#x0364;ndete ein brennen-<lb/>
des Hauß das neben ihm &#x017F;tehende unten/ oder<lb/>
in der mitten an. Hier &#x017F;tu&#x0364;rtzten gantze Da&#x0364;cher<lb/>
herunter/ dort kamen brennende Stu&#x0364;cke mit ei-<lb/>
nem harten Winde in die Ga&#x017F;&#x017F;en geflogen: an-<lb/>
derswo er&#x017F;chu&#x0364;tterte der Grund vom Falle der nie-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">N n 3</fw><fw place="bottom" type="catch">der-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[565/0585] Anderes Buch. Stadt zu unterſchiedenen mahlen dermaſſen/ daß ſich der helle Tag in eine abſcheuliche Mitter- nacht verſteckte; und indem ſich die Sonne gantz unter den dick-ſchwartzen Dampff verbarg/ ſo ſchien es/ als wenn die Nacht etliche Stunden zu fruͤh eingebrochen waͤre. Niemand haͤtte wiſ- ſen koͤnnen/ wohin er fliehen ſollen/ wenn nicht bißweilen die Flamme durch den Rauch geſchla- gen/ und das erbaͤrmliche Wehklagen der Ver- brennenden die andern gewarnet haͤtte/ zuruͤcke zu bleiben. Begaben ſich aber die guten Leute an einen von der Flamme noch unberuͤhreten Ort/ ſo funden ſie das freſſende Schwerdt/ wel- ches gleichfalls ſo grauſam wuͤtete/ als ob das Feuer mit lauter Menſchen-Blute ſollte geloͤſchet werden. Unterweilen fielen die Giebel der Haͤu- ſer uͤber die Gaſſen/ und verſcharrten die Men- ſchen in einem gluͤenden Grabe. Offtmahls fie- len die Haͤuſer einwaͤrts/ und ſchien die Flamme begraben zu ſeyn/ welche aber doch hiedurch nur mehr Nahrung bekam/ deſto erſchrecklicher wie- der hervor zu brechen. Die Riegel und Balcken krachten und ſprungen dergeſtalt von einander/ daß Boden und Waͤnde herunter/ und uͤber einen Hauffen fielen. Zuweilen zuͤndete ein brennen- des Hauß das neben ihm ſtehende unten/ oder in der mitten an. Hier ſtuͤrtzten gantze Daͤcher herunter/ dort kamen brennende Stuͤcke mit ei- nem harten Winde in die Gaſſen geflogen: an- derswo erſchuͤtterte der Grund vom Falle der nie- der- N n 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Zum Zeitpunkt der Volltextdigitalisierung im Deut… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689/585
Zitationshilfe: Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700, S. 565. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689/585>, abgerufen am 03.07.2024.