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Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700.

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Anderes Buch.
fet seyn/ und ihr Liecht wie der Mond von der
Sonnen empfangen: ausser diesem ist sie nur ein
stummer Betrug/ und ein Leitstern zu den Sün-
den/ ja ein rechtes Aaß/ welches nur den Raub-
Vogeln gefällt/ und Raben an sich locket. Schön
und from seyn/ stehet selten bey einander/ und die
Tugend trifft nicht allezeit mit der Gestalt über-
ein: diejenigen irren aber sehr weit/ welche ein
wohlgebildetes Gesichte ohne Tugend unter die
Schönheit rechnen/ die doch nur ein Comet zu
nennen ist/ dessen Strauß iederzeit auff ein neues
Unheil deutet; ja ein Abgott/ welchem statt Wey-
rauchs/ stinckend Hartz angezündet wird. Zu
dem beruhet die Schönheit mehr in einer blossen
Einbildung/ als wahren Beschaffenheit/ denn
was einem ieden gefällt/ das nennet er schön: und
ich versichere euch/ daß ihrer viel dasjenige/ was
ihr an mir lobwürdig schätzet/ auffs höchste tadeln
würden. So sey es demnach ferne/ daß sich eure
heilige Weißheit durch Einbildung und falsches
Wesen solte verblenden lassen. Jch will hier
nicht gedencken der ungemeinen Veränderung/
womit die Schönheit am meisten stets bedrohet
wird. Bald wird sie durch das scharffe Schwerdt
der Sorgen/ bald durch die Sichel der Zeiten/
endlich wohl gar durch den grimmigen Pfeil des
Todes dermassen bestritten/ und verstellet; daß
man in kurtzem ein allgemeiner Eckel der verlieb-
ten Welt muß genennet werden. Kurtz: ich stel-
le euch ihre Vergänglichkeit und eigendliches
Wesen mit jenem singenden Europäer also vor:

Was

Anderes Buch.
fet ſeyn/ und ihr Liecht wie der Mond von der
Sonnen empfangen: auſſer dieſem iſt ſie nur ein
ſtummer Betrug/ und ein Leitſtern zu den Suͤn-
den/ ja ein rechtes Aaß/ welches nur den Raub-
Vogeln gefaͤllt/ und Raben an ſich locket. Schoͤn
und from ſeyn/ ſtehet ſelten bey einander/ und die
Tugend trifft nicht allezeit mit der Geſtalt uͤber-
ein: diejenigen irren aber ſehr weit/ welche ein
wohlgebildetes Geſichte ohne Tugend unter die
Schoͤnheit rechnen/ die doch nur ein Comet zu
nennen iſt/ deſſen Strauß iederzeit auff ein neues
Unheil deutet; ja ein Abgott/ welchem ſtatt Wey-
rauchs/ ſtinckend Hartz angezuͤndet wird. Zu
dem beruhet die Schoͤnheit mehr in einer bloſſen
Einbildung/ als wahren Beſchaffenheit/ denn
was einem ieden gefaͤllt/ das nennet er ſchoͤn: und
ich verſichere euch/ daß ihrer viel dasjenige/ was
ihr an mir lobwuͤrdig ſchaͤtzet/ auffs hoͤchſte tadeln
wuͤrden. So ſey es demnach ferne/ daß ſich eure
heilige Weißheit durch Einbildung und falſches
Weſen ſolte verblenden laſſen. Jch will hier
nicht gedencken der ungemeinen Veraͤnderung/
womit die Schoͤnheit am meiſten ſtets bedrohet
wird. Bald wird ſie durch das ſcharffe Schwerdt
der Sorgen/ bald durch die Sichel der Zeiten/
endlich wohl gar durch den grimmigen Pfeil des
Todes dermaſſen beſtritten/ und verſtellet; daß
man in kurtzem ein allgemeiner Eckel der verlieb-
ten Welt muß genennet werden. Kurtz: ich ſtel-
le euch ihre Vergaͤnglichkeit und eigendliches
Weſen mit jenem ſingenden Europaͤer alſo vor:

Was
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[509/0529] Anderes Buch. fet ſeyn/ und ihr Liecht wie der Mond von der Sonnen empfangen: auſſer dieſem iſt ſie nur ein ſtummer Betrug/ und ein Leitſtern zu den Suͤn- den/ ja ein rechtes Aaß/ welches nur den Raub- Vogeln gefaͤllt/ und Raben an ſich locket. Schoͤn und from ſeyn/ ſtehet ſelten bey einander/ und die Tugend trifft nicht allezeit mit der Geſtalt uͤber- ein: diejenigen irren aber ſehr weit/ welche ein wohlgebildetes Geſichte ohne Tugend unter die Schoͤnheit rechnen/ die doch nur ein Comet zu nennen iſt/ deſſen Strauß iederzeit auff ein neues Unheil deutet; ja ein Abgott/ welchem ſtatt Wey- rauchs/ ſtinckend Hartz angezuͤndet wird. Zu dem beruhet die Schoͤnheit mehr in einer bloſſen Einbildung/ als wahren Beſchaffenheit/ denn was einem ieden gefaͤllt/ das nennet er ſchoͤn: und ich verſichere euch/ daß ihrer viel dasjenige/ was ihr an mir lobwuͤrdig ſchaͤtzet/ auffs hoͤchſte tadeln wuͤrden. So ſey es demnach ferne/ daß ſich eure heilige Weißheit durch Einbildung und falſches Weſen ſolte verblenden laſſen. Jch will hier nicht gedencken der ungemeinen Veraͤnderung/ womit die Schoͤnheit am meiſten ſtets bedrohet wird. Bald wird ſie durch das ſcharffe Schwerdt der Sorgen/ bald durch die Sichel der Zeiten/ endlich wohl gar durch den grimmigen Pfeil des Todes dermaſſen beſtritten/ und verſtellet; daß man in kurtzem ein allgemeiner Eckel der verlieb- ten Welt muß genennet werden. Kurtz: ich ſtel- le euch ihre Vergaͤnglichkeit und eigendliches Weſen mit jenem ſingenden Europaͤer alſo vor: Was

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Zitationshilfe: Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700, S. 509. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689/529>, abgerufen am 22.11.2024.