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Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700.

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Der Asiatischen Banise.
he ihren Verlust mit höchstem Schrecken: Er
wandte bald ein/ und eilte seinem Huffschlage nach
zurücke/ allein/ ie weiter er sich rückwerts begab/
ie näher sahe er sich dem verhaßten Pegu/ die
Princeßin aber zu erlangen/ war eine Unmöglig-
keit/ weil sie bereits von tausend gewaffneten
Händen umgeben war. Weil nun das Pferd
sehr müde war/ stieg er ab/ band es an/ und durch-
suchte zu Fusse das gantze Holtz/ ob er nicht das je-
nige antreffen könte/ was er mit grosser Sorg-
salt biß hieher gebracht hatte. Er wendete seine
Augen allenthalben umher/ er gab durch Schrey-
en und Pfeiffen vielfältiges Bedeuten: allein ein
trauriger Wiederschall jagete Stimme und Hof-
nung zurücke. Weil er auch niemand von den
Verfolgern mehr verspürte/ so schloß er schmertz-
lichst/ sie müsse in ihre Raub-Klauen gerathen
seyn. Hier wolte Verzweifflung und Großmuth
einen gefährlichen Wett-Streit in seiner Seele
antreten: Wie/ nachläßiger Balacin! sagte er
zu sich selbst/ ist wohl dieser schmertzliche Verlust
iemand anders beyzumessen/ als dir? Haben dir
die Götter deßwegen ein so werthes Kleinod über-
antwortet/ daß du es aus deinen Augen lassen/
und nur auff eigene Sicherheit bedacht seyn sol-
test? O verfluchtes Schicksal! Bin ich denn nur
allein das Ziel/ nach welchem das Unglückswet-
ter alle seine Keile richtet. O verhaßtes Son-
nen-Liecht/ kuntest du uns nicht einen Theil deiner
Strahlen diese Nacht verleihen/ damit wir nicht

auf

Der Aſiatiſchen Baniſe.
he ihren Verluſt mit hoͤchſtem Schrecken: Er
wandte bald ein/ und eilte ſeinem Huffſchlage nach
zuruͤcke/ allein/ ie weiter er ſich ruͤckwerts begab/
ie naͤher ſahe er ſich dem verhaßten Pegu/ die
Princeßin aber zu erlangen/ war eine Unmoͤglig-
keit/ weil ſie bereits von tauſend gewaffneten
Haͤnden umgeben war. Weil nun das Pferd
ſehr muͤde war/ ſtieg er ab/ band es an/ und durch-
ſuchte zu Fuſſe das gantze Holtz/ ob er nicht das je-
nige antreffen koͤnte/ was er mit groſſer Sorg-
ſalt biß hieher gebracht hatte. Er wendete ſeine
Augen allenthalben umher/ er gab durch Schrey-
en und Pfeiffen vielfaͤltiges Bedeuten: allein ein
trauriger Wiederſchall jagete Stimme und Hof-
nung zuruͤcke. Weil er auch niemand von den
Verfolgern mehr verſpuͤrte/ ſo ſchloß er ſchmertz-
lichſt/ ſie muͤſſe in ihre Raub-Klauen gerathen
ſeyn. Hier wolte Verzweifflung und Großmuth
einen gefaͤhrlichen Wett-Streit in ſeiner Seele
antreten: Wie/ nachlaͤßiger Balacin! ſagte er
zu ſich ſelbſt/ iſt wohl dieſer ſchmertzliche Verluſt
iemand anders beyzumeſſen/ als dir? Haben dir
die Goͤtter deßwegen ein ſo werthes Kleinod uͤber-
antwortet/ daß du es aus deinen Augen laſſen/
und nur auff eigene Sicherheit bedacht ſeyn ſol-
teſt? O verfluchtes Schickſal! Bin ich denn nur
allein das Ziel/ nach welchem das Ungluͤckswet-
ter alle ſeine Keile richtet. O verhaßtes Son-
nen-Liecht/ kunteſt du uns nicht einen Theil deiner
Strahlen dieſe Nacht verleihen/ damit wir nicht

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[450/0470] Der Aſiatiſchen Baniſe. he ihren Verluſt mit hoͤchſtem Schrecken: Er wandte bald ein/ und eilte ſeinem Huffſchlage nach zuruͤcke/ allein/ ie weiter er ſich ruͤckwerts begab/ ie naͤher ſahe er ſich dem verhaßten Pegu/ die Princeßin aber zu erlangen/ war eine Unmoͤglig- keit/ weil ſie bereits von tauſend gewaffneten Haͤnden umgeben war. Weil nun das Pferd ſehr muͤde war/ ſtieg er ab/ band es an/ und durch- ſuchte zu Fuſſe das gantze Holtz/ ob er nicht das je- nige antreffen koͤnte/ was er mit groſſer Sorg- ſalt biß hieher gebracht hatte. Er wendete ſeine Augen allenthalben umher/ er gab durch Schrey- en und Pfeiffen vielfaͤltiges Bedeuten: allein ein trauriger Wiederſchall jagete Stimme und Hof- nung zuruͤcke. Weil er auch niemand von den Verfolgern mehr verſpuͤrte/ ſo ſchloß er ſchmertz- lichſt/ ſie muͤſſe in ihre Raub-Klauen gerathen ſeyn. Hier wolte Verzweifflung und Großmuth einen gefaͤhrlichen Wett-Streit in ſeiner Seele antreten: Wie/ nachlaͤßiger Balacin! ſagte er zu ſich ſelbſt/ iſt wohl dieſer ſchmertzliche Verluſt iemand anders beyzumeſſen/ als dir? Haben dir die Goͤtter deßwegen ein ſo werthes Kleinod uͤber- antwortet/ daß du es aus deinen Augen laſſen/ und nur auff eigene Sicherheit bedacht ſeyn ſol- teſt? O verfluchtes Schickſal! Bin ich denn nur allein das Ziel/ nach welchem das Ungluͤckswet- ter alle ſeine Keile richtet. O verhaßtes Son- nen-Liecht/ kunteſt du uns nicht einen Theil deiner Strahlen dieſe Nacht verleihen/ damit wir nicht auf

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Zitationshilfe: Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700, S. 450. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689/470>, abgerufen am 22.11.2024.