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Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700.

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Der Asiatischen Banise.
begierige Frauenzimmer aber rieff ihm zu/ er sol-
te ihnen nur das Oel verkauffen/ sie müsten es
freylich gestehen/ daß sie das Armuth der Schön-
heit sehr drückte/ dahero solte er ihrer Dürfftig-
keit mit dem Oel zu statten kommen. Scandor
lachte/ und sagte: Hätte ich das/ was sie selbst be-
kennen/ zuvor gesagt/ ich glaube/ man hätte mir
einen gnädigen Staup-Besen ertheilet/ da mir
denn gewiß die heßlichste den ersten Streich geben
sollen. Nun aber sage ich/ daß es viel eine grös-
sere Narrheit ist/ die Götter/ welche uns durch
heßliche Gestalt nicht allen Augen/ wegen bewu-
ster innerlichen Lüsternheit/ wollen beliebt machen/
zu trotzen/ und das verstellete Wesen unserer Haut
durch einige Kunst zu beschönen. So wenig ein
Elephant auf dem Seile tantzen/ und ein alt Weib
ihre Haut wie eine Schlange abstreiffen/ und sich
verjüngern kan: so wenig/ ja so unmöglich ist es
auch/ daß ein greulich Gesichte schön gemacht
werden könne. Es gehet zwar an/ daß man die
Haut Müller-mäßig bestreuet/ und die Lippen
nebst den Wangen mit rother Narren-Salbe
und Krebsscheeren beschmieret: Allein zu dem/
daß es nach wenigen Stunden verschwindet/ und
eine viel heßlichere Larve/ als sie die Natur erfor-
dert/ darstellet: so ist es auch eine allzu augen-
scheinliche Sache/ welche den Leuten gar zu leich-
te in die Augen/ und hernach nicht unbillich auff
die Zunge fällt. Wäre also mein wohlgemeyn-
ter Rath/ man behielte seine Gestalt/ und dan-

ckete

Der Aſiatiſchen Baniſe.
begierige Frauenzimmer aber rieff ihm zu/ er ſol-
te ihnen nur das Oel verkauffen/ ſie muͤſten es
freylich geſtehen/ daß ſie das Armuth der Schoͤn-
heit ſehr druͤckte/ dahero ſolte er ihrer Duͤrfftig-
keit mit dem Oel zu ſtatten kommen. Scandor
lachte/ und ſagte: Haͤtte ich das/ was ſie ſelbſt be-
kennen/ zuvor geſagt/ ich glaube/ man haͤtte mir
einen gnaͤdigen Staup-Beſen ertheilet/ da mir
denn gewiß die heßlichſte den erſten Streich geben
ſollen. Nun aber ſage ich/ daß es viel eine groͤſ-
ſere Narrheit iſt/ die Goͤtter/ welche uns durch
heßliche Geſtalt nicht allen Augen/ wegen bewu-
ſter innerlichen Luͤſternheit/ wollen beliebt machen/
zu trotzen/ und das verſtellete Weſen unſerer Haut
durch einige Kunſt zu beſchoͤnen. So wenig ein
Elephant auf dem Seile tantzen/ und ein alt Weib
ihre Haut wie eine Schlange abſtreiffen/ und ſich
verjuͤngern kan: ſo wenig/ ja ſo unmoͤglich iſt es
auch/ daß ein greulich Geſichte ſchoͤn gemacht
werden koͤnne. Es gehet zwar an/ daß man die
Haut Muͤller-maͤßig beſtreuet/ und die Lippen
nebſt den Wangen mit rother Narren-Salbe
und Krebsſcheeren beſchmieret: Allein zu dem/
daß es nach wenigen Stunden verſchwindet/ und
eine viel heßlichere Larve/ als ſie die Natur erfor-
dert/ darſtellet: ſo iſt es auch eine allzu augen-
ſcheinliche Sache/ welche den Leuten gar zu leich-
te in die Augen/ und hernach nicht unbillich auff
die Zunge faͤllt. Waͤre alſo mein wohlgemeyn-
ter Rath/ man behielte ſeine Geſtalt/ und dan-

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[436/0456] Der Aſiatiſchen Baniſe. begierige Frauenzimmer aber rieff ihm zu/ er ſol- te ihnen nur das Oel verkauffen/ ſie muͤſten es freylich geſtehen/ daß ſie das Armuth der Schoͤn- heit ſehr druͤckte/ dahero ſolte er ihrer Duͤrfftig- keit mit dem Oel zu ſtatten kommen. Scandor lachte/ und ſagte: Haͤtte ich das/ was ſie ſelbſt be- kennen/ zuvor geſagt/ ich glaube/ man haͤtte mir einen gnaͤdigen Staup-Beſen ertheilet/ da mir denn gewiß die heßlichſte den erſten Streich geben ſollen. Nun aber ſage ich/ daß es viel eine groͤſ- ſere Narrheit iſt/ die Goͤtter/ welche uns durch heßliche Geſtalt nicht allen Augen/ wegen bewu- ſter innerlichen Luͤſternheit/ wollen beliebt machen/ zu trotzen/ und das verſtellete Weſen unſerer Haut durch einige Kunſt zu beſchoͤnen. So wenig ein Elephant auf dem Seile tantzen/ und ein alt Weib ihre Haut wie eine Schlange abſtreiffen/ und ſich verjuͤngern kan: ſo wenig/ ja ſo unmoͤglich iſt es auch/ daß ein greulich Geſichte ſchoͤn gemacht werden koͤnne. Es gehet zwar an/ daß man die Haut Muͤller-maͤßig beſtreuet/ und die Lippen nebſt den Wangen mit rother Narren-Salbe und Krebsſcheeren beſchmieret: Allein zu dem/ daß es nach wenigen Stunden verſchwindet/ und eine viel heßlichere Larve/ als ſie die Natur erfor- dert/ darſtellet: ſo iſt es auch eine allzu augen- ſcheinliche Sache/ welche den Leuten gar zu leich- te in die Augen/ und hernach nicht unbillich auff die Zunge faͤllt. Waͤre alſo mein wohlgemeyn- ter Rath/ man behielte ſeine Geſtalt/ und dan- ckete

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Zitationshilfe: Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700, S. 436. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689/456>, abgerufen am 22.11.2024.