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Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700.

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Der Asiatischen Banise.
beseelet. Weil sich auch der Sommer in volli-
ger Pracht auf den Rosen-Wangen zeiget: Wie
kan doch der verdrießliche Winter im Hertzen
wohnen. Jch sichere/ daß tausend Sonnen ih-
rer Schönheit Fuß-fällig werden müssen. Es ist
Bedenckens-würdig/ redete ihm die Princeßin
gantz sittsam ein/ schlechtes Glaß vor Diamanten
zu erwehlen. Welches J. M. wohl zu überlegen
belieben/ damit die Vernunfft nicht einst diß vor
Thorheit schelten möge/ was ietzt die Ubereilung
vor Vergnügung hält. Hier meynte der Printz/
es habe sich die Princeßin zu weit vergangen/ daß
sie/ ob zwar sehr dunckel/ ihm bereits einige Hoff-
nung zur Liebe gemacht/ gleichsam als ob sie nach
reiffer Uberlegung des Wercks ihn einiger Huld
vergewisserte. Allein die kluge Banise wuste
wohl/ wie man einen Tyger zähmen/ und sich bey
Gelegenheit dessen Klauen entreissen solte. Chau-
migrem fuhr unterdessen fort/ und sagte: Die
Sache ist mehr als wol erwogen. Jhre Schön-
heit ist mir schon dermassen ins Hertze gepfropfft/
daß auch der gröste Sturm diese Wurtzel nicht
versehren kan: Ach! so betrübe sie uns doch nicht
ferner durch ungegründete Einwürffe. So schö-
ne Augen/ Lippen und Brüste haben die Götter
gewiß nicht umsonst erschaffen: sondern vielmehr/
daß sie nur würdig seyn sollen/ ein Königliches
Hertz zu vergnügen. Ach! so schaue doch/ Eng-
lische Seele/ wie mein Angesicht glühet/ und wie
mein Geist nach den Rosen lechzet/ welche auff

ihren

Der Aſiatiſchen Baniſe.
beſeelet. Weil ſich auch der Sommer in volli-
ger Pracht auf den Roſen-Wangen zeiget: Wie
kan doch der verdrießliche Winter im Hertzen
wohnen. Jch ſichere/ daß tauſend Sonnen ih-
rer Schoͤnheit Fuß-faͤllig werden muͤſſen. Es iſt
Bedenckens-wuͤrdig/ redete ihm die Princeßin
gantz ſittſam ein/ ſchlechtes Glaß vor Diamanten
zu erwehlen. Welches J. M. wohl zu uͤberlegen
belieben/ damit die Vernunfft nicht einſt diß vor
Thorheit ſchelten moͤge/ was ietzt die Ubereilung
vor Vergnuͤgung haͤlt. Hier meynte der Printz/
es habe ſich die Princeßin zu weit vergangen/ daß
ſie/ ob zwar ſehr dunckel/ ihm bereits einige Hoff-
nung zur Liebe gemacht/ gleichſam als ob ſie nach
reiffer Uberlegung des Wercks ihn einiger Huld
vergewiſſerte. Allein die kluge Baniſe wuſte
wohl/ wie man einen Tyger zaͤhmen/ und ſich bey
Gelegenheit deſſen Klauen entreiſſen ſolte. Chau-
migrem fuhr unterdeſſen fort/ und ſagte: Die
Sache iſt mehr als wol erwogen. Jhre Schoͤn-
heit iſt mir ſchon dermaſſen ins Hertze gepfropfft/
daß auch der groͤſte Sturm dieſe Wurtzel nicht
verſehren kan: Ach! ſo betruͤbe ſie uns doch nicht
ferner durch ungegruͤndete Einwuͤrffe. So ſchoͤ-
ne Augen/ Lippen und Bruͤſte haben die Goͤtter
gewiß nicht umſonſt erſchaffen: ſondern vielmehr/
daß ſie nur wuͤrdig ſeyn ſollen/ ein Koͤnigliches
Hertz zu vergnuͤgen. Ach! ſo ſchaue doch/ Eng-
liſche Seele/ wie mein Angeſicht gluͤhet/ und wie
mein Geiſt nach den Roſen lechzet/ welche auff

ihren
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[420/0440] Der Aſiatiſchen Baniſe. beſeelet. Weil ſich auch der Sommer in volli- ger Pracht auf den Roſen-Wangen zeiget: Wie kan doch der verdrießliche Winter im Hertzen wohnen. Jch ſichere/ daß tauſend Sonnen ih- rer Schoͤnheit Fuß-faͤllig werden muͤſſen. Es iſt Bedenckens-wuͤrdig/ redete ihm die Princeßin gantz ſittſam ein/ ſchlechtes Glaß vor Diamanten zu erwehlen. Welches J. M. wohl zu uͤberlegen belieben/ damit die Vernunfft nicht einſt diß vor Thorheit ſchelten moͤge/ was ietzt die Ubereilung vor Vergnuͤgung haͤlt. Hier meynte der Printz/ es habe ſich die Princeßin zu weit vergangen/ daß ſie/ ob zwar ſehr dunckel/ ihm bereits einige Hoff- nung zur Liebe gemacht/ gleichſam als ob ſie nach reiffer Uberlegung des Wercks ihn einiger Huld vergewiſſerte. Allein die kluge Baniſe wuſte wohl/ wie man einen Tyger zaͤhmen/ und ſich bey Gelegenheit deſſen Klauen entreiſſen ſolte. Chau- migrem fuhr unterdeſſen fort/ und ſagte: Die Sache iſt mehr als wol erwogen. Jhre Schoͤn- heit iſt mir ſchon dermaſſen ins Hertze gepfropfft/ daß auch der groͤſte Sturm dieſe Wurtzel nicht verſehren kan: Ach! ſo betruͤbe ſie uns doch nicht ferner durch ungegruͤndete Einwuͤrffe. So ſchoͤ- ne Augen/ Lippen und Bruͤſte haben die Goͤtter gewiß nicht umſonſt erſchaffen: ſondern vielmehr/ daß ſie nur wuͤrdig ſeyn ſollen/ ein Koͤnigliches Hertz zu vergnuͤgen. Ach! ſo ſchaue doch/ Eng- liſche Seele/ wie mein Angeſicht gluͤhet/ und wie mein Geiſt nach den Roſen lechzet/ welche auff ihren

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Zitationshilfe: Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700, S. 420. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689/440>, abgerufen am 15.08.2024.