Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700.Der Asiatischen Banise. und Bitten sind Gebote/ ihre Thränen wildeWasser/ welche den Damm des besten Vorsa- tzes durchdringen/ und ihre Seufftzer sind Sturm- Winde/ denen auch der unbeweglichste Colossus nicht widerstehen kan. Die Augen sind die Ver- räther unserer Freyheit. Es ist ein kurtzes Ding um einen Augenblick/ hat aber ein langes und ge- fährliches Aussehen/ wenn es zur Unzeit geschicht. Zugeschweigen/ wie unanständig es einem so gros- sen Printzen sey/ wenn er zwar viel Völcker/ nicht aber sein Gemüthe beherrschen könne. So lassen denn E. M. den Wurm in der Ferne tödten/ ehe er in der Nähe verletzen kan. Nach diesen Wor- ten schiene Chaumigrem im Hertzen gleichsam mit sich selbst zu kämpffen/ und die Begierden hielten mit der Ehrsucht einen gewaltigen Streit/ wodurch denn Ponnedro in gröste Angst versetzet ward/ weil er nicht unbillig besorgete/ des Rolims vielvermögender Ein-und Blut-Rath möchte die Oberhand erhalten. Endlich trugen doch die Be- gierden den Sieg davon/ welchen er durch diese Worte zu verstehen gab: Gleichwol müssen wir erfahren/ ob Ponnedro die Warheit gesaget habe. Eilet derowegen/ Ponnedro/ ehe ihre Hin- richtung unsern Befehl erfüllet hat/ und lasset sie Angesichts hieher bringen. Dem Ponnedro hätte kein angenehmer Befehl auffenleget werden können: Dannenhero er Fuß-fällig vor so gnä- diges Auffnehmen seiner Worte danckete/ und in vollen Sprüngen seinen Gehorsam erwieß. Der Ro-
Der Aſiatiſchen Baniſe. und Bitten ſind Gebote/ ihre Thraͤnen wildeWaſſer/ welche den Damm des beſten Vorſa- tzes durchdringen/ und ihre Seufftzer ſind Sturm- Winde/ denen auch der unbeweglichſte Coloſſus nicht widerſtehen kan. Die Augen ſind die Ver- raͤther unſerer Freyheit. Es iſt ein kurtzes Ding um einen Augenblick/ hat aber ein langes und ge- faͤhrliches Auſſehen/ wenn es zur Unzeit geſchicht. Zugeſchweigen/ wie unanſtaͤndig es einem ſo groſ- ſen Printzen ſey/ wenn er zwar viel Voͤlcker/ nicht aber ſein Gemuͤthe beherrſchen koͤnne. So laſſen denn E. M. den Wurm in der Ferne toͤdten/ ehe er in der Naͤhe verletzen kan. Nach dieſen Wor- ten ſchiene Chaumigrem im Hertzen gleichſam mit ſich ſelbſt zu kaͤmpffen/ und die Begierden hielten mit der Ehrſucht einen gewaltigen Streit/ wodurch denn Ponnedro in groͤſte Angſt verſetzet ward/ weil er nicht unbillig beſorgete/ des Rolims vielvermoͤgender Ein-und Blut-Rath moͤchte die Oberhand erhalten. Endlich trugen doch die Be- gierden den Sieg davon/ welchen er durch dieſe Worte zu verſtehen gab: Gleichwol muͤſſen wir erfahren/ ob Ponnedro die Warheit geſaget habe. Eilet derowegen/ Ponnedro/ ehe ihre Hin- richtung unſern Befehl erfuͤllet hat/ und laſſet ſie Angeſichts hieher bringen. Dem Ponnedro haͤtte kein angenehmer Befehl auffenleget werden koͤnnen: Dannenhero er Fuß-faͤllig vor ſo gnaͤ- diges Auffnehmen ſeiner Worte danckete/ und in vollen Spruͤngen ſeinen Gehorſam erwieß. Der Ro-
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Der Aſiatiſchen Baniſe.
und Bitten ſind Gebote/ ihre Thraͤnen wilde
Waſſer/ welche den Damm des beſten Vorſa-
tzes durchdringen/ und ihre Seufftzer ſind Sturm-
Winde/ denen auch der unbeweglichſte Coloſſus
nicht widerſtehen kan. Die Augen ſind die Ver-
raͤther unſerer Freyheit. Es iſt ein kurtzes Ding
um einen Augenblick/ hat aber ein langes und ge-
faͤhrliches Auſſehen/ wenn es zur Unzeit geſchicht.
Zugeſchweigen/ wie unanſtaͤndig es einem ſo groſ-
ſen Printzen ſey/ wenn er zwar viel Voͤlcker/ nicht
aber ſein Gemuͤthe beherrſchen koͤnne. So laſſen
denn E. M. den Wurm in der Ferne toͤdten/ ehe
er in der Naͤhe verletzen kan. Nach dieſen Wor-
ten ſchiene Chaumigrem im Hertzen gleichſam
mit ſich ſelbſt zu kaͤmpffen/ und die Begierden
hielten mit der Ehrſucht einen gewaltigen Streit/
wodurch denn Ponnedro in groͤſte Angſt verſetzet
ward/ weil er nicht unbillig beſorgete/ des Rolims
vielvermoͤgender Ein-und Blut-Rath moͤchte die
Oberhand erhalten. Endlich trugen doch die Be-
gierden den Sieg davon/ welchen er durch dieſe
Worte zu verſtehen gab: Gleichwol muͤſſen wir
erfahren/ ob Ponnedro die Warheit geſaget
habe. Eilet derowegen/ Ponnedro/ ehe ihre Hin-
richtung unſern Befehl erfuͤllet hat/ und laſſet ſie
Angeſichts hieher bringen. Dem Ponnedro
haͤtte kein angenehmer Befehl auffenleget werden
koͤnnen: Dannenhero er Fuß-faͤllig vor ſo gnaͤ-
diges Auffnehmen ſeiner Worte danckete/ und in
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Zitationshilfe: | Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700, S. 388. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689/408>, abgerufen am 16.02.2025. |