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Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700.

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Der Asiatischen Banise.
Princeßin von Savady nur silberne trug/ das
übrige vornehme Frauenzimmer aber alles war
mit seidenen Stricken gebunden. Als ich mich
der Princeßin genahet/ schlug sie ihre Augen auff/
sahe mich mit erbärmlichsten Blicken an/ und sag-
te mit halb-gebrochenen Worten: Ach Talemon/
erbarmet euch eurer vorhin gebietenden Princes-
sin/ und stosset einen Dolch in meine Brust/ um die
beängstigte Seele von bevorstehender Schmach
zu erretten/ welche sich mein Hertz erschrecklicher
als einen hundertfachen Tod vorstellet. Jch wu-
ste hierauff vor Schmertzen nichts/ als diese trost-
lose Worte zu sagen: Durchlauchtigste Princes-
sin! Man suchet umsonst Hülffe bey einem
halb-todten Menschen/ indem ich selbst Hencker
und Sebel küssen wolte/ wenn nur der Tod fer-
nern betrübten Anblicken meine Augen| schlies-
sen wolte. Ach verfluchte Tyranney! fuhr
die Princeßin unter tausend Thränen fort/ da
man auch die Auffenthaltung des Lebens zur neu-
en Folter machet/ und uns verhindert zu sterben/
wodurch wir unsere Ruhe suchen. Allein/ das
ist mein Trost/ daß die Seele tausend Ausgänge
weiß/ diesen sterblichen Leib zu verlassen: Und
weil ich weiß/ daß ihr die Vollziehung meines
Vorsatzes erleben werdet/ so bemühet euch mög-
lichst/ meinem liebsten Printzen die letzte gute
Nacht aus diesem sterbenden Munde zu über-
bringen/ und ihn zu versichern/ daß die Blume
meiner Keuschheit/ und Liebe gegen ihn/ auch in

dem

Der Aſiatiſchen Baniſe.
Princeßin von Savady nur ſilberne trug/ das
uͤbrige vornehme Frauenzimmer aber alles war
mit ſeidenen Stricken gebunden. Als ich mich
der Princeßin genahet/ ſchlug ſie ihre Augen auff/
ſahe mich mit erbaͤrmlichſten Blicken an/ und ſag-
te mit halb-gebrochenen Worten: Ach Talemon/
erbarmet euch eurer vorhin gebietenden Princeſ-
ſin/ und ſtoſſet einen Dolch in meine Bruſt/ um die
beaͤngſtigte Seele von bevorſtehender Schmach
zu erretten/ welche ſich mein Hertz erſchrecklicher
als einen hundertfachen Tod vorſtellet. Jch wu-
ſte hierauff vor Schmertzen nichts/ als dieſe troſt-
loſe Worte zu ſagen: Durchlauchtigſte Princeſ-
ſin! Man ſuchet umſonſt Huͤlffe bey einem
halb-todten Menſchen/ indem ich ſelbſt Hencker
und Sebel kuͤſſen wolte/ wenn nur der Tod fer-
nern betruͤbten Anblicken meine Augen| ſchlieſ-
ſen wolte. Ach verfluchte Tyranney! fuhr
die Princeßin unter tauſend Thraͤnen fort/ da
man auch die Auffenthaltung des Lebens zur neu-
en Folter machet/ und uns verhindert zu ſterben/
wodurch wir unſere Ruhe ſuchen. Allein/ das
iſt mein Troſt/ daß die Seele tauſend Ausgaͤnge
weiß/ dieſen ſterblichen Leib zu verlaſſen: Und
weil ich weiß/ daß ihr die Vollziehung meines
Vorſatzes erleben werdet/ ſo bemuͤhet euch moͤg-
lichſt/ meinem liebſten Printzen die letzte gute
Nacht aus dieſem ſterbenden Munde zu uͤber-
bringen/ und ihn zu verſichern/ daß die Blume
meiner Keuſchheit/ und Liebe gegen ihn/ auch in

dem
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[312/0332] Der Aſiatiſchen Baniſe. Princeßin von Savady nur ſilberne trug/ das uͤbrige vornehme Frauenzimmer aber alles war mit ſeidenen Stricken gebunden. Als ich mich der Princeßin genahet/ ſchlug ſie ihre Augen auff/ ſahe mich mit erbaͤrmlichſten Blicken an/ und ſag- te mit halb-gebrochenen Worten: Ach Talemon/ erbarmet euch eurer vorhin gebietenden Princeſ- ſin/ und ſtoſſet einen Dolch in meine Bruſt/ um die beaͤngſtigte Seele von bevorſtehender Schmach zu erretten/ welche ſich mein Hertz erſchrecklicher als einen hundertfachen Tod vorſtellet. Jch wu- ſte hierauff vor Schmertzen nichts/ als dieſe troſt- loſe Worte zu ſagen: Durchlauchtigſte Princeſ- ſin! Man ſuchet umſonſt Huͤlffe bey einem halb-todten Menſchen/ indem ich ſelbſt Hencker und Sebel kuͤſſen wolte/ wenn nur der Tod fer- nern betruͤbten Anblicken meine Augen| ſchlieſ- ſen wolte. Ach verfluchte Tyranney! fuhr die Princeßin unter tauſend Thraͤnen fort/ da man auch die Auffenthaltung des Lebens zur neu- en Folter machet/ und uns verhindert zu ſterben/ wodurch wir unſere Ruhe ſuchen. Allein/ das iſt mein Troſt/ daß die Seele tauſend Ausgaͤnge weiß/ dieſen ſterblichen Leib zu verlaſſen: Und weil ich weiß/ daß ihr die Vollziehung meines Vorſatzes erleben werdet/ ſo bemuͤhet euch moͤg- lichſt/ meinem liebſten Printzen die letzte gute Nacht aus dieſem ſterbenden Munde zu uͤber- bringen/ und ihn zu verſichern/ daß die Blume meiner Keuſchheit/ und Liebe gegen ihn/ auch in dem

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Zitationshilfe: Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689/332>, abgerufen am 22.11.2024.