Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700.Erstes Buch. hen Gnade und unvergleichlichen Tugend nichtversichert wäre/ daß sie die Missethat eines un- gerechten Vaters die Unschuld eines Kindes nicht würde entgelten lassen/ so trüge ich billiches Be- dencken/ mich demjenigen zu offenbahren/ wel- cher die Rache in Händen hat; Nachdem ich mich aber verpflichte/ nicht allein nach äusserstem Vermögen die Väterliche Scharte wiederum auszuwetzen/ sondern auch vor die hohe Wohl- farth dieses Käyserl. Hauses mein Leben auffzu- setzen/ so lebe ich der festen Zuversicht/ es werde dero Käyserliche Gnade nicht vermindert werden/ ob ich schon bekenne/ daß ich warhafftig ein Printz/ und zwar der nechste zur Crone von Ava bin/ welchen ein unbarmhertzjger Vater vertrie- ben/ und die gütigen Götter seine Vergnügung in Pegu zu suchen gerathen haben. Der Käy- ser hatte meinen Printzen durch einiges Still- schweigen etwas bekümmert/ iedoch durch folgen- des Anreden bald wieder ermuntert: Werthester Printz! wahr ist es/ euer Vater hat uns nicht we- nig betrübet/ ja er hat sich nicht als ein naher Vetter und Bluts-Freund/ sondern als ein ge- schworner Todt-Feind gegen uns erwiesen/ wel- ches uns aber iedoch keines weges verhindert/ euch mit aller Gnade und Wohlthat zu über- schütten; Angesehen ihr den harten Fehler eures Vaters mit reichem Wucher ersetzet/ und uns dahero nicht allein zu einer allgemeinen Verzei- hung/ sondern auch zu einer genauern Verbin- dung
Erſtes Buch. hen Gnade und unvergleichlichen Tugend nichtverſichert waͤre/ daß ſie die Miſſethat eines un- gerechten Vaters die Unſchuld eines Kindes nicht wuͤrde entgelten laſſen/ ſo truͤge ich billiches Be- dencken/ mich demjenigen zu offenbahren/ wel- cher die Rache in Haͤnden hat; Nachdem ich mich aber verpflichte/ nicht allein nach aͤuſſerſtem Vermoͤgen die Vaͤterliche Scharte wiederum auszuwetzen/ ſondern auch vor die hohe Wohl- farth dieſes Kaͤyſerl. Hauſes mein Leben auffzu- ſetzen/ ſo lebe ich der feſten Zuverſicht/ es werde dero Kaͤyſerliche Gnade nicht vermindert werden/ ob ich ſchon bekenne/ daß ich warhafftig ein Printz/ und zwar der nechſte zur Crone von Ava bin/ welchen ein unbarmhertzjger Vater vertrie- ben/ und die guͤtigen Goͤtter ſeine Vergnuͤgung in Pegu zu ſuchen gerathen haben. Der Kaͤy- ſer hatte meinen Printzen durch einiges Still- ſchweigen etwas bekuͤmmert/ iedoch durch folgen- des Anreden bald wieder ermuntert: Wertheſter Printz! wahr iſt es/ euer Vater hat uns nicht we- nig betruͤbet/ ja er hat ſich nicht als ein naher Vetter und Bluts-Freund/ ſondern als ein ge- ſchworner Todt-Feind gegen uns erwieſen/ wel- ches uns aber iedoch keines weges verhindert/ euch mit aller Gnade und Wohlthat zu uͤber- ſchuͤtten; Angeſehen ihr den harten Fehler eures Vaters mit reichem Wucher erſetzet/ und uns dahero nicht allein zu einer allgemeinen Verzei- hung/ ſondern auch zu einer genauern Verbin- dung
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0273" n="253"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Erſtes Buch.</hi></fw><lb/> hen Gnade und unvergleichlichen Tugend nicht<lb/> verſichert waͤre/ daß ſie die Miſſethat eines un-<lb/> gerechten Vaters die Unſchuld eines Kindes nicht<lb/> wuͤrde entgelten laſſen/ ſo truͤge ich billiches Be-<lb/> dencken/ mich demjenigen zu offenbahren/ wel-<lb/> cher die Rache in Haͤnden hat; Nachdem ich<lb/> mich aber verpflichte/ nicht allein nach aͤuſſerſtem<lb/> Vermoͤgen die Vaͤterliche Scharte wiederum<lb/> auszuwetzen/ ſondern auch vor die hohe Wohl-<lb/> farth dieſes Kaͤyſerl. Hauſes mein Leben auffzu-<lb/> ſetzen/ ſo lebe ich der feſten Zuverſicht/ es werde<lb/> dero Kaͤyſerliche Gnade nicht vermindert werden/<lb/> ob ich ſchon bekenne/ daß ich warhafftig ein<lb/> Printz/ und zwar der nechſte zur Crone von Ava<lb/> bin/ welchen ein unbarmhertzjger Vater vertrie-<lb/> ben/ und die guͤtigen Goͤtter ſeine Vergnuͤgung<lb/> in Pegu zu ſuchen gerathen haben. Der Kaͤy-<lb/> ſer hatte meinen Printzen durch einiges Still-<lb/> ſchweigen etwas bekuͤmmert/ iedoch durch folgen-<lb/> des Anreden bald wieder ermuntert: Wertheſter<lb/> Printz! wahr iſt es/ euer Vater hat uns nicht we-<lb/> nig betruͤbet/ ja er hat ſich nicht als ein naher<lb/> Vetter und Bluts-Freund/ ſondern als ein ge-<lb/> ſchworner Todt-Feind gegen uns erwieſen/ wel-<lb/> ches uns aber iedoch keines weges verhindert/<lb/> euch mit aller Gnade und Wohlthat zu uͤber-<lb/> ſchuͤtten; Angeſehen ihr den harten Fehler eures<lb/> Vaters mit reichem Wucher erſetzet/ und uns<lb/> dahero nicht allein zu einer allgemeinen Verzei-<lb/> hung/ ſondern auch zu einer genauern Verbin-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">dung</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [253/0273]
Erſtes Buch.
hen Gnade und unvergleichlichen Tugend nicht
verſichert waͤre/ daß ſie die Miſſethat eines un-
gerechten Vaters die Unſchuld eines Kindes nicht
wuͤrde entgelten laſſen/ ſo truͤge ich billiches Be-
dencken/ mich demjenigen zu offenbahren/ wel-
cher die Rache in Haͤnden hat; Nachdem ich
mich aber verpflichte/ nicht allein nach aͤuſſerſtem
Vermoͤgen die Vaͤterliche Scharte wiederum
auszuwetzen/ ſondern auch vor die hohe Wohl-
farth dieſes Kaͤyſerl. Hauſes mein Leben auffzu-
ſetzen/ ſo lebe ich der feſten Zuverſicht/ es werde
dero Kaͤyſerliche Gnade nicht vermindert werden/
ob ich ſchon bekenne/ daß ich warhafftig ein
Printz/ und zwar der nechſte zur Crone von Ava
bin/ welchen ein unbarmhertzjger Vater vertrie-
ben/ und die guͤtigen Goͤtter ſeine Vergnuͤgung
in Pegu zu ſuchen gerathen haben. Der Kaͤy-
ſer hatte meinen Printzen durch einiges Still-
ſchweigen etwas bekuͤmmert/ iedoch durch folgen-
des Anreden bald wieder ermuntert: Wertheſter
Printz! wahr iſt es/ euer Vater hat uns nicht we-
nig betruͤbet/ ja er hat ſich nicht als ein naher
Vetter und Bluts-Freund/ ſondern als ein ge-
ſchworner Todt-Feind gegen uns erwieſen/ wel-
ches uns aber iedoch keines weges verhindert/
euch mit aller Gnade und Wohlthat zu uͤber-
ſchuͤtten; Angeſehen ihr den harten Fehler eures
Vaters mit reichem Wucher erſetzet/ und uns
dahero nicht allein zu einer allgemeinen Verzei-
hung/ ſondern auch zu einer genauern Verbin-
dung
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689/273 |
Zitationshilfe: | Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689/273>, abgerufen am 16.07.2024. |