Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700.Der Asiatischen Banise. eine überirrdische Schönheit hat sich denen Ge-müths-Augen im Schlaffe vorgestellet: Jhr blos- ses Anschauen hat mich entgeistert/ und das An- dencken setzet meine Seele in empfindlichste Flam- men. Ach treuester Scandor/ wo dieses nur ein blosser Traum ohne erfüllende Bedeutung gewe- sen ist/ so gestehe ich gar gerne/ daß ich keinen Au- genblick länger zu leben/ sondern nur in das schö- ne Niba auffgenommen zu werden begehre/ all- wo sich ausser allem Zweiffel diese Göttergleiche Schönheit auffhalten muß/ und ich nur durch ste- tes Anschauen mich zu vergnügen wündsche. Gnä- digster Herr/ redete ich hier ein/ Träume sind Schatten/ und ein kluger Geist achtet ihre An- muth nichts/ wie auch ihr Schrecken keine Furcht in uns erwecken soll. Ach schweig/ unverständiger Scandor/ verwieß mir der Printz/ ein anders ist eine Fantasie/ welche aus einem besorgten Hertzen ihren Ursprung nimmt/ und die Geister verfüh- ret; ein anders ist hingegen eine Göttliche Offen- bahrung: Denn diese vorgestellte Anmuth hat mir im Schlaffe etwas mehrers eingepräget/ als daß ich sie wachende so bald vergessen solte. Ja ich schwere/ dieses Bild soll mir nimmermehr aus meinem Hertzen gerissen werden. Jch will alle Ecken der Welt durchreisen/ und die Schönheit suchen. Bin ich hierinnen unglücklich/ so wil ich sie doch im Himmel antreffen. Als ich des Prin- tzen starcke Einbildung merckte/ erkandte ich mei- nen Fehler/ daß man solchen Herrn nicht allzu sehr
Der Aſiatiſchen Baniſe. eine uͤberirrdiſche Schoͤnheit hat ſich denen Ge-muͤths-Augen im Schlaffe vorgeſtellet: Jhr bloſ- ſes Anſchauen hat mich entgeiſtert/ und das An- dencken ſetzet meine Seele in empfindlichſte Flam- men. Ach treueſter Scandor/ wo dieſes nur ein bloſſer Traum ohne erfuͤllende Bedeutung gewe- ſen iſt/ ſo geſtehe ich gar gerne/ daß ich keinen Au- genblick laͤnger zu leben/ ſondern nur in das ſchoͤ- ne Niba auffgenommen zu werden begehre/ all- wo ſich auſſer allem Zweiffel dieſe Goͤttergleiche Schoͤnheit auffhalten muß/ und ich nur durch ſte- tes Anſchauen mich zu veꝛgnuͤgen wuͤndſche. Gnaͤ- digſter Herr/ redete ich hier ein/ Traͤume ſind Schatten/ und ein kluger Geiſt achtet ihre An- muth nichts/ wie auch ihr Schrecken keine Furcht in uns erwecken ſoll. Ach ſchweig/ unverſtaͤndiger Scandor/ verwieß mir der Printz/ ein anders iſt eine Fantaſie/ welche aus einem beſorgten Hertzen ihren Urſprung nimmt/ und die Geiſter verfuͤh- ret; ein anders iſt hingegen eine Goͤttliche Offen- bahrung: Denn dieſe vorgeſtellte Anmuth hat mir im Schlaffe etwas mehrers eingepraͤget/ als daß ich ſie wachende ſo bald vergeſſen ſolte. Ja ich ſchwere/ dieſes Bild ſoll mir nimmermehr aus meinem Hertzen geriſſen werden. Jch will alle Ecken der Welt durchreiſen/ und die Schoͤnheit ſuchen. Bin ich hierinnen ungluͤcklich/ ſo wil ich ſie doch im Himmel antreffen. Als ich des Prin- tzen ſtarcke Einbildung merckte/ erkandte ich mei- nen Fehler/ daß man ſolchen Herrn nicht allzu ſehr
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Der Aſiatiſchen Baniſe.
eine uͤberirrdiſche Schoͤnheit hat ſich denen Ge-
muͤths-Augen im Schlaffe vorgeſtellet: Jhr bloſ-
ſes Anſchauen hat mich entgeiſtert/ und das An-
dencken ſetzet meine Seele in empfindlichſte Flam-
men. Ach treueſter Scandor/ wo dieſes nur ein
bloſſer Traum ohne erfuͤllende Bedeutung gewe-
ſen iſt/ ſo geſtehe ich gar gerne/ daß ich keinen Au-
genblick laͤnger zu leben/ ſondern nur in das ſchoͤ-
ne Niba auffgenommen zu werden begehre/ all-
wo ſich auſſer allem Zweiffel dieſe Goͤttergleiche
Schoͤnheit auffhalten muß/ und ich nur durch ſte-
tes Anſchauen mich zu veꝛgnuͤgen wuͤndſche. Gnaͤ-
digſter Herr/ redete ich hier ein/ Traͤume ſind
Schatten/ und ein kluger Geiſt achtet ihre An-
muth nichts/ wie auch ihr Schrecken keine Furcht
in uns erwecken ſoll. Ach ſchweig/ unverſtaͤndiger
Scandor/ verwieß mir der Printz/ ein anders iſt
eine Fantaſie/ welche aus einem beſorgten Hertzen
ihren Urſprung nimmt/ und die Geiſter verfuͤh-
ret; ein anders iſt hingegen eine Goͤttliche Offen-
bahrung: Denn dieſe vorgeſtellte Anmuth hat
mir im Schlaffe etwas mehrers eingepraͤget/ als
daß ich ſie wachende ſo bald vergeſſen ſolte. Ja
ich ſchwere/ dieſes Bild ſoll mir nimmermehr aus
meinem Hertzen geriſſen werden. Jch will alle
Ecken der Welt durchreiſen/ und die Schoͤnheit
ſuchen. Bin ich hierinnen ungluͤcklich/ ſo wil ich
ſie doch im Himmel antreffen. Als ich des Prin-
tzen ſtarcke Einbildung merckte/ erkandte ich mei-
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