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Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700.

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Der Asiatischen Banise.
bestehe/ solches weiß sie nicht zu sagen. Dero-
wegen lasse sie die Todten ihre Todten begraben/
sie aber/ als eine Gleichheit der vollkommensten
Göttin/ liebe die Lebenden/ und versichere sich/ wo
sie einmal auff die rechte Spur der Liebe gera-
then/ sie den Wegweiser küssen werde. Mit
Printz Nheranden/ antwortete die Princeßin/
fällt mein Stern ins Grab/ und ausser diesem
Lichte erwehle ich die Finsterniß: ja mein Geist
soll nunmehro nur mit seinem eignen Schatten
buhlen. Meine Seele soll aus seiner Asche Lust
schöpffen/ und sein Tod soll alles/ was in mir Liebe
heist/ vertilgen. Denn wo Hertz und Lufft trübe
ist/ da wird Sonne und Brunst dunckel. Nicht
so/ Durchlauchte Higvanama/ redete Chaumi-
grem ferner ein/ wo Sterne schwinden/ dagehet
die Sonne auff/ und Nherandi Anmuth ist hun-
dert Seelen eingepflantzet/ welche sich eben so
wohl ihrer Liebe würdig machen können. Der
Himmel selbst zehlet sie nunmehro durch den Mund
des sterbenden Printzen loß von aller Pflicht/ wo-
durch sich verliebte Hertzen verbinden/ und ist
schon vergnügt/ über die zwey jährige Beständig-
keit/ welche sie ihrem noch lebenden Printzen er-
wiesen hat/ ja er will sie nunmehro durch einen an-
genehmen Liebes-Wechsel bekrönen/ wo nicht
verbessern. Denn wie die Sonne bald diesen
bald jenen Stern küsset/ und sich auch der Mond
bemühet durch öfftere Veränderung seiner Ge-
stalt dem Himmel durch sein einfaches Licht kei-

nen

Der Aſiatiſchen Baniſe.
beſtehe/ ſolches weiß ſie nicht zu ſagen. Dero-
wegen laſſe ſie die Todten ihre Todten begraben/
ſie aber/ als eine Gleichheit der vollkommenſten
Goͤttin/ liebe die Lebenden/ und verſichere ſich/ wo
ſie einmal auff die rechte Spur der Liebe gera-
then/ ſie den Wegweiſer kuͤſſen werde. Mit
Printz Nheranden/ antwortete die Princeßin/
faͤllt mein Stern ins Grab/ und auſſer dieſem
Lichte erwehle ich die Finſterniß: ja mein Geiſt
ſoll nunmehro nur mit ſeinem eignen Schatten
buhlen. Meine Seele ſoll aus ſeiner Aſche Luſt
ſchoͤpffen/ und ſein Tod ſoll alles/ was in mir Liebe
heiſt/ vertilgen. Denn wo Hertz und Lufft truͤbe
iſt/ da wird Sonne und Brunſt dunckel. Nicht
ſo/ Durchlauchte Higvanama/ redete Chaumi-
grem ferner ein/ wo Sterne ſchwinden/ dagehet
die Sonne auff/ und Nherandi Anmuth iſt hun-
dert Seelen eingepflantzet/ welche ſich eben ſo
wohl ihrer Liebe wuͤrdig machen koͤnnen. Der
Him̃el ſelbſt zehlet ſie nunmehro durch den Mund
des ſterbenden Printzen loß von aller Pflicht/ wo-
durch ſich verliebte Hertzen verbinden/ und iſt
ſchon vergnuͤgt/ uͤber die zwey jaͤhrige Beſtaͤndig-
keit/ welche ſie ihrem noch lebenden Printzen er-
wieſen hat/ ja er will ſie nunmehro durch einen an-
genehmen Liebes-Wechſel bekroͤnen/ wo nicht
verbeſſern. Denn wie die Sonne bald dieſen
bald jenen Stern kuͤſſet/ und ſich auch der Mond
bemuͤhet durch oͤfftere Veraͤnderung ſeiner Ge-
ſtalt dem Himmel durch ſein einfaches Licht kei-

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[116/0136] Der Aſiatiſchen Baniſe. beſtehe/ ſolches weiß ſie nicht zu ſagen. Dero- wegen laſſe ſie die Todten ihre Todten begraben/ ſie aber/ als eine Gleichheit der vollkommenſten Goͤttin/ liebe die Lebenden/ und verſichere ſich/ wo ſie einmal auff die rechte Spur der Liebe gera- then/ ſie den Wegweiſer kuͤſſen werde. Mit Printz Nheranden/ antwortete die Princeßin/ faͤllt mein Stern ins Grab/ und auſſer dieſem Lichte erwehle ich die Finſterniß: ja mein Geiſt ſoll nunmehro nur mit ſeinem eignen Schatten buhlen. Meine Seele ſoll aus ſeiner Aſche Luſt ſchoͤpffen/ und ſein Tod ſoll alles/ was in mir Liebe heiſt/ vertilgen. Denn wo Hertz und Lufft truͤbe iſt/ da wird Sonne und Brunſt dunckel. Nicht ſo/ Durchlauchte Higvanama/ redete Chaumi- grem ferner ein/ wo Sterne ſchwinden/ dagehet die Sonne auff/ und Nherandi Anmuth iſt hun- dert Seelen eingepflantzet/ welche ſich eben ſo wohl ihrer Liebe wuͤrdig machen koͤnnen. Der Him̃el ſelbſt zehlet ſie nunmehro durch den Mund des ſterbenden Printzen loß von aller Pflicht/ wo- durch ſich verliebte Hertzen verbinden/ und iſt ſchon vergnuͤgt/ uͤber die zwey jaͤhrige Beſtaͤndig- keit/ welche ſie ihrem noch lebenden Printzen er- wieſen hat/ ja er will ſie nunmehro durch einen an- genehmen Liebes-Wechſel bekroͤnen/ wo nicht verbeſſern. Denn wie die Sonne bald dieſen bald jenen Stern kuͤſſet/ und ſich auch der Mond bemuͤhet durch oͤfftere Veraͤnderung ſeiner Ge- ſtalt dem Himmel durch ſein einfaches Licht kei- nen

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Zitationshilfe: Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689/136>, abgerufen am 17.09.2024.