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Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700.

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Erstes Buch.
der Unterschied der Liebhabenden wird gar hind-
an gesetzet. Denn so wenig diß letztere von den
Männern ein gewisser Schluß ist/ so wenig wird
man sich bereden lassen/ es sey iedwedes Frauen-
Zimmer Sonnenrein/ da sie doch iederzeit dem
Monden zu vergleichen seyn/ welchem von den
Sternkündigern viel Flecken beygeleget werden.
Ja es liesse sich dieser Satz gar leichte durch häuf-
fige Erempel umstossen/ wenn nicht das geschwä-
tzige Gerüchte auch öffters in der Printzen Cabi-
nete nachfolgte. Man schauet ja hin und wieder
viel schöne Bilder/ welche der Himmel mit sattsa-
men Verstande begabet/ daß sie die Liebe wol zu
unterscheiden wissen: Dennoch siehet man sie
viel begieriger den Neben-Weg der Liebe lauf-
fen/ als iemals ein Mann thun kan. Wer locket
aber die unschuldigen Männer-Hertzen mehr auf
solchen Weg/ als eben diese Syrenen? Und kan
man also das Frauenzimmer nicht so gar Engel-
rein abbilden/ als sie es haben wollen/ und sich vor-
stellen. Bey den Rosen sind Dornen/ fieng die
Princeßin hierauff an/ ja auch die Sternen sind
nicht von gestirnten Mißgeburten befreyet: Wie
solten sich nicht auch öffters Teuffel denen reinen
Geistern beygesellen/ und vor Engel ausgeben;
So auch alle Engel-rein wären/ so würde Keusch-
heit keine seltzame Tugend/ sondern ein gemeines
Wesen genennet werden. Freylich ist es zu be-
klagen/ ja mit blutigen Thränen zu beweinen/ daß
unser Asiatisches Frauenzimmer fast mehr Co-

me-
G 3

Erſtes Buch.
der Unterſchied der Liebhabenden wird gar hind-
an geſetzet. Denn ſo wenig diß letztere von den
Maͤnnern ein gewiſſer Schluß iſt/ ſo wenig wird
man ſich bereden laſſen/ es ſey iedwedes Frauen-
Zimmer Sonnenrein/ da ſie doch iederzeit dem
Monden zu vergleichen ſeyn/ welchem von den
Sternkuͤndigern viel Flecken beygeleget werden.
Ja es lieſſe ſich dieſer Satz gar leichte durch haͤuf-
fige Erempel umſtoſſen/ wenn nicht das geſchwaͤ-
tzige Geruͤchte auch oͤffters in der Printzen Cabi-
nete nachfolgte. Man ſchauet ja hin und wieder
viel ſchoͤne Bilder/ welche der Himmel mit ſattſa-
men Verſtande begabet/ daß ſie die Liebe wol zu
unterſcheiden wiſſen: Dennoch ſiehet man ſie
viel begieriger den Neben-Weg der Liebe lauf-
fen/ als iemals ein Mann thun kan. Wer locket
aber die unſchuldigen Maͤnner-Hertzen mehr auf
ſolchen Weg/ als eben dieſe Syrenen? Und kan
man alſo das Frauenzimmer nicht ſo gar Engel-
rein abbilden/ als ſie es haben wollen/ und ſich vor-
ſtellen. Bey den Roſen ſind Dornen/ fieng die
Princeßin hierauff an/ ja auch die Sternen ſind
nicht von geſtirnten Mißgeburten befreyet: Wie
ſolten ſich nicht auch oͤffters Teuffel denen reinen
Geiſtern beygeſellen/ und vor Engel ausgeben;
So auch alle Engel-rein waͤren/ ſo wuͤrde Keuſch-
heit keine ſeltzame Tugend/ ſondern ein gemeines
Weſen genennet werden. Freylich iſt es zu be-
klagen/ ja mit blutigen Thraͤnen zu beweinen/ daß
unſer Aſiatiſches Frauenzimmer faſt mehr Co-

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G 3
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[101/0121] Erſtes Buch. der Unterſchied der Liebhabenden wird gar hind- an geſetzet. Denn ſo wenig diß letztere von den Maͤnnern ein gewiſſer Schluß iſt/ ſo wenig wird man ſich bereden laſſen/ es ſey iedwedes Frauen- Zimmer Sonnenrein/ da ſie doch iederzeit dem Monden zu vergleichen ſeyn/ welchem von den Sternkuͤndigern viel Flecken beygeleget werden. Ja es lieſſe ſich dieſer Satz gar leichte durch haͤuf- fige Erempel umſtoſſen/ wenn nicht das geſchwaͤ- tzige Geruͤchte auch oͤffters in der Printzen Cabi- nete nachfolgte. Man ſchauet ja hin und wieder viel ſchoͤne Bilder/ welche der Himmel mit ſattſa- men Verſtande begabet/ daß ſie die Liebe wol zu unterſcheiden wiſſen: Dennoch ſiehet man ſie viel begieriger den Neben-Weg der Liebe lauf- fen/ als iemals ein Mann thun kan. Wer locket aber die unſchuldigen Maͤnner-Hertzen mehr auf ſolchen Weg/ als eben dieſe Syrenen? Und kan man alſo das Frauenzimmer nicht ſo gar Engel- rein abbilden/ als ſie es haben wollen/ und ſich vor- ſtellen. Bey den Roſen ſind Dornen/ fieng die Princeßin hierauff an/ ja auch die Sternen ſind nicht von geſtirnten Mißgeburten befreyet: Wie ſolten ſich nicht auch oͤffters Teuffel denen reinen Geiſtern beygeſellen/ und vor Engel ausgeben; So auch alle Engel-rein waͤren/ ſo wuͤrde Keuſch- heit keine ſeltzame Tugend/ ſondern ein gemeines Weſen genennet werden. Freylich iſt es zu be- klagen/ ja mit blutigen Thraͤnen zu beweinen/ daß unſer Aſiatiſches Frauenzimmer faſt mehr Co- me- G 3

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Zitationshilfe: Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689/121>, abgerufen am 17.09.2024.