Klinger, Friedrich Maximilian von: Die Zwillinge. Hannover, 1796.
Große, Dich anstößt, und jeder sich ein Spröß- chen abbricht, daß Du kahl da stehest. Du allein hättst Dein Haus in vorige Aufnahme gebracht durch Deine Tapferkeit. Und wie viel würde ge- fehlt haben, wenn Du Kamilla geheurathet hät- test, Du hättest Dich mit Deinen und ihren Gü- tern zum Herzog aufgeschwungen; dann brav ge- arbeitet -- Guelfo! ein Mensch mit diesem Sinn, mit dieser Festigkeit, mit dieser niederwer- fenden Gewalt -- Jch möchte rasend werden! Der Welt einen Mann zu stehlen, an dem sie sich geweidet hätte, wie an einer neuen Erscheinung! Jch muß aufhören; mich faßt eine üble Laune, und ich möchte Dir rathen, möchte -- was will das auch! -- Mich friert's, und 's läuft mir kalt durch die Adern. Jch fürchte krank zu wer- den über mein Elend und diese Nachricht. Guel- fo! daß wir so hingestreckt sind! -- Laß mich los! ich rede nichts mehr. Guelfo. Und was brauch' ich denn alles das? Fühl' ich mich nicht, und weiß, wozu ich geschaffen bin? und weiß, wie man sich an mir versündigt hat? Grimaldi, ich würde mich selbst niederstoßen, augenblicks, wenn mir das nicht grimmig zubliese. Was denn? Mein Vater? meine Mutter? Sind sies? Laß das nur, und spar
Große, Dich anſtoͤßt, und jeder ſich ein Sproͤß- chen abbricht, daß Du kahl da ſteheſt. Du allein haͤttſt Dein Haus in vorige Aufnahme gebracht durch Deine Tapferkeit. Und wie viel wuͤrde ge- fehlt haben, wenn Du Kamilla geheurathet haͤt- teſt, Du haͤtteſt Dich mit Deinen und ihren Guͤ- tern zum Herzog aufgeſchwungen; dann brav ge- arbeitet — Guelfo! ein Menſch mit dieſem Sinn, mit dieſer Feſtigkeit, mit dieſer niederwer- fenden Gewalt — Jch moͤchte raſend werden! Der Welt einen Mann zu ſtehlen, an dem ſie ſich geweidet haͤtte, wie an einer neuen Erſcheinung! Jch muß aufhoͤren; mich faßt eine uͤble Laune, und ich moͤchte Dir rathen, moͤchte — was will das auch! — Mich friert’s, und ’s laͤuft mir kalt durch die Adern. Jch fuͤrchte krank zu wer- den uͤber mein Elend und dieſe Nachricht. Guel- fo! daß wir ſo hingeſtreckt ſind! — Laß mich los! ich rede nichts mehr. Guelfo. Und was brauch’ ich denn alles das? Fuͤhl’ ich mich nicht, und weiß, wozu ich geſchaffen bin? und weiß, wie man ſich an mir verſuͤndigt hat? Grimaldi, ich wuͤrde mich ſelbſt niederſtoßen, augenblicks, wenn mir das nicht grimmig zublieſe. Was denn? Mein Vater? meine Mutter? Sind ſies? Laß das nur, und ſpar
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Große, Dich anſtoͤßt, und jeder ſich ein Sproͤß-
chen abbricht, daß Du kahl da ſteheſt. Du allein
haͤttſt Dein Haus in vorige Aufnahme gebracht
durch Deine Tapferkeit. Und wie viel wuͤrde ge-
fehlt haben, wenn Du Kamilla geheurathet haͤt-
teſt, Du haͤtteſt Dich mit Deinen und ihren Guͤ-
tern zum Herzog aufgeſchwungen; dann brav ge-
arbeitet — Guelfo! ein Menſch mit dieſem
Sinn, mit dieſer Feſtigkeit, mit dieſer niederwer-
fenden Gewalt — Jch moͤchte raſend werden!
Der Welt einen Mann zu ſtehlen, an dem ſie ſich
geweidet haͤtte, wie an einer neuen Erſcheinung!
Jch muß aufhoͤren; mich faßt eine uͤble Laune,
und ich moͤchte Dir rathen, moͤchte — was will
das auch! — Mich friert’s, und ’s laͤuft mir
kalt durch die Adern. Jch fuͤrchte krank zu wer-
den uͤber mein Elend und dieſe Nachricht. Guel-
fo! daß wir ſo hingeſtreckt ſind! — Laß mich
los! ich rede nichts mehr.
Guelfo. Und was brauch’ ich denn alles
das? Fuͤhl’ ich mich nicht, und weiß, wozu ich
geſchaffen bin? und weiß, wie man ſich an mir
verſuͤndigt hat? Grimaldi, ich wuͤrde mich ſelbſt
niederſtoßen, augenblicks, wenn mir das nicht
grimmig zublieſe. Was denn? Mein Vater?
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