Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

Teufel. Ich will deinem Sinne näher rü-
cken. Das edle Roß beißt in die Stange,
so der Mensch, der sich Flügel fühlt, im
Licht zu schweben, und den eine tyrannische
Hand in dunklen Abgrund drückt. Faust,
viel ahndet dein feuriger Geist, aber das
was du umfassen möchtest, verschwindet,
und das Erhaschte ist immer nur Schatten-
bild deiner eignen Gestalt.

Faust. Rascher!

Teufel. Noch schlage ich leise an deiner
Seele an, wenn ich einst deine Sinne be-
rühre, wirst du noch heißer auflodern. Ja,
du bist einer der Geister, die die alltäglichen
Verhältnisse des Menschen verbrennen, de-
nen das nicht gnügt, was der Karge ihnen
aufgetischt hat. Mächtig ist deine Kraft,
ausgedehnt deine Seele, kühn dein Wille;
aber der Fluch der Beschränktheit liegt auf
dir, wie auf allen -- Faust, du bist so
groß als der Mensch seyn kann.

Faust.

Teufel. Ich will deinem Sinne naͤher ruͤ-
cken. Das edle Roß beißt in die Stange,
ſo der Menſch, der ſich Fluͤgel fuͤhlt, im
Licht zu ſchweben, und den eine tyranniſche
Hand in dunklen Abgrund druͤckt. Fauſt,
viel ahndet dein feuriger Geiſt, aber das
was du umfaſſen moͤchteſt, verſchwindet,
und das Erhaſchte iſt immer nur Schatten-
bild deiner eignen Geſtalt.

Fauſt. Raſcher!

Teufel. Noch ſchlage ich leiſe an deiner
Seele an, wenn ich einſt deine Sinne be-
ruͤhre, wirſt du noch heißer auflodern. Ja,
du biſt einer der Geiſter, die die alltaͤglichen
Verhaͤltniſſe des Menſchen verbrennen, de-
nen das nicht gnuͤgt, was der Karge ihnen
aufgetiſcht hat. Maͤchtig iſt deine Kraft,
ausgedehnt deine Seele, kuͤhn dein Wille;
aber der Fluch der Beſchraͤnktheit liegt auf
dir, wie auf allen — Fauſt, du biſt ſo
groß als der Menſch ſeyn kann.

Fauſt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0072" n="61"/>
          <p><hi rendition="#fr">Teufel</hi>. Ich will deinem Sinne na&#x0364;her ru&#x0364;-<lb/>
cken. Das edle Roß beißt in die Stange,<lb/>
&#x017F;o der Men&#x017F;ch, der &#x017F;ich Flu&#x0364;gel fu&#x0364;hlt, im<lb/>
Licht zu &#x017F;chweben, und den eine tyranni&#x017F;che<lb/>
Hand in dunklen Abgrund dru&#x0364;ckt. Fau&#x017F;t,<lb/>
viel ahndet dein feuriger Gei&#x017F;t, aber das<lb/>
was du umfa&#x017F;&#x017F;en mo&#x0364;chte&#x017F;t, ver&#x017F;chwindet,<lb/>
und das Erha&#x017F;chte i&#x017F;t immer nur Schatten-<lb/>
bild deiner eignen Ge&#x017F;talt.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Fau&#x017F;t</hi>. Ra&#x017F;cher!</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Teufel</hi>. Noch &#x017F;chlage ich lei&#x017F;e an deiner<lb/>
Seele an, wenn ich ein&#x017F;t deine Sinne be-<lb/>
ru&#x0364;hre, wir&#x017F;t du noch heißer auflodern. Ja,<lb/>
du bi&#x017F;t einer der Gei&#x017F;ter, die die allta&#x0364;glichen<lb/>
Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e des Men&#x017F;chen verbrennen, de-<lb/>
nen das nicht gnu&#x0364;gt, was der Karge ihnen<lb/>
aufgeti&#x017F;cht hat. Ma&#x0364;chtig i&#x017F;t deine Kraft,<lb/>
ausgedehnt deine Seele, ku&#x0364;hn dein Wille;<lb/>
aber der Fluch der Be&#x017F;chra&#x0364;nktheit liegt auf<lb/>
dir, wie auf allen &#x2014; Fau&#x017F;t, du bi&#x017F;t &#x017F;o<lb/>
groß als der Men&#x017F;ch &#x017F;eyn kann.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">Fau&#x017F;t</hi>.</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[61/0072] Teufel. Ich will deinem Sinne naͤher ruͤ- cken. Das edle Roß beißt in die Stange, ſo der Menſch, der ſich Fluͤgel fuͤhlt, im Licht zu ſchweben, und den eine tyranniſche Hand in dunklen Abgrund druͤckt. Fauſt, viel ahndet dein feuriger Geiſt, aber das was du umfaſſen moͤchteſt, verſchwindet, und das Erhaſchte iſt immer nur Schatten- bild deiner eignen Geſtalt. Fauſt. Raſcher! Teufel. Noch ſchlage ich leiſe an deiner Seele an, wenn ich einſt deine Sinne be- ruͤhre, wirſt du noch heißer auflodern. Ja, du biſt einer der Geiſter, die die alltaͤglichen Verhaͤltniſſe des Menſchen verbrennen, de- nen das nicht gnuͤgt, was der Karge ihnen aufgetiſcht hat. Maͤchtig iſt deine Kraft, ausgedehnt deine Seele, kuͤhn dein Wille; aber der Fluch der Beſchraͤnktheit liegt auf dir, wie auf allen — Fauſt, du biſt ſo groß als der Menſch ſeyn kann. Fauſt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/72
Zitationshilfe: Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/72>, abgerufen am 04.05.2024.