Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

"so zergliedere ihm mit höllischer Bitterkeit
"die Folgen seiner Thaten, Handlungen und
"seines Wahnsinns, und entfalte ihm die
"ganze Verkettung derselben, bis auf künf-
"tige Geschlechter. Ergreift ihn dann die
"Verzweiflung, so schleudere ihn herunter,
"und kehre siegreich in die Hölle zurück."

Leviathan. Satan, warum wendest du
dich abermals an mich? Du weißt es, mir
ist das ganze Menschengeschlecht und die
Erde, ihr Tummelplatz, längst zum Ekel
geworden. Was ist aus den Kerls zu ma-
chen, die weder Kraft zum Guten noch Bö-
sen haben? Den, der eine zeitlang mit dem
Fantom Tugend buhlt, machen bald Gold,
Ehrgeiz oder Wollust zum Schurken, und
tritt auch einer oder der andre kühn in die
Bahn des Lasters, so fährt er auf halbem
Wege vor den Gespenstern seiner schwächli-
chen Einbildungskraft zurück. Ja, wenn
es noch ein heißer, stolzer Spanier, ein rach-
süchtiger, spitzbübischer Italiener; oder ein
lustiger, verbuhlter Franzose wäre! aber ein

Teut-

„ſo zergliedere ihm mit hoͤlliſcher Bitterkeit
„die Folgen ſeiner Thaten, Handlungen und
„ſeines Wahnſinns, und entfalte ihm die
„ganze Verkettung derſelben, bis auf kuͤnf-
„tige Geſchlechter. Ergreift ihn dann die
„Verzweiflung, ſo ſchleudere ihn herunter,
„und kehre ſiegreich in die Hoͤlle zuruͤck.“

Leviathan. Satan, warum wendeſt du
dich abermals an mich? Du weißt es, mir
iſt das ganze Menſchengeſchlecht und die
Erde, ihr Tummelplatz, laͤngſt zum Ekel
geworden. Was iſt aus den Kerls zu ma-
chen, die weder Kraft zum Guten noch Boͤ-
ſen haben? Den, der eine zeitlang mit dem
Fantom Tugend buhlt, machen bald Gold,
Ehrgeiz oder Wolluſt zum Schurken, und
tritt auch einer oder der andre kuͤhn in die
Bahn des Laſters, ſo faͤhrt er auf halbem
Wege vor den Geſpenſtern ſeiner ſchwaͤchli-
chen Einbildungskraft zuruͤck. Ja, wenn
es noch ein heißer, ſtolzer Spanier, ein rach-
ſuͤchtiger, ſpitzbuͤbiſcher Italiener; oder ein
luſtiger, verbuhlter Franzoſe waͤre! aber ein

Teut-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0063" n="52"/>
&#x201E;&#x017F;o zergliedere ihm mit ho&#x0364;lli&#x017F;cher Bitterkeit<lb/>
&#x201E;die Folgen &#x017F;einer Thaten, Handlungen und<lb/>
&#x201E;&#x017F;eines Wahn&#x017F;inns, und entfalte ihm die<lb/>
&#x201E;ganze Verkettung der&#x017F;elben, bis auf ku&#x0364;nf-<lb/>
&#x201E;tige Ge&#x017F;chlechter. Ergreift ihn dann die<lb/>
&#x201E;Verzweiflung, &#x017F;o &#x017F;chleudere ihn herunter,<lb/>
&#x201E;und kehre &#x017F;iegreich in die Ho&#x0364;lle zuru&#x0364;ck.&#x201C;</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Leviathan</hi>. Satan, warum wende&#x017F;t du<lb/>
dich abermals an mich? Du weißt es, mir<lb/>
i&#x017F;t das ganze Men&#x017F;chenge&#x017F;chlecht und die<lb/>
Erde, ihr Tummelplatz, la&#x0364;ng&#x017F;t zum Ekel<lb/>
geworden. Was i&#x017F;t aus den Kerls zu ma-<lb/>
chen, die weder Kraft zum Guten noch Bo&#x0364;-<lb/>
&#x017F;en haben? Den, der eine zeitlang mit dem<lb/>
Fantom <hi rendition="#fr">Tugend</hi> buhlt, machen bald Gold,<lb/>
Ehrgeiz oder Wollu&#x017F;t zum Schurken, und<lb/>
tritt auch einer oder der andre ku&#x0364;hn in die<lb/>
Bahn des La&#x017F;ters, &#x017F;o fa&#x0364;hrt er auf halbem<lb/>
Wege vor den Ge&#x017F;pen&#x017F;tern &#x017F;einer &#x017F;chwa&#x0364;chli-<lb/>
chen Einbildungskraft zuru&#x0364;ck. Ja, wenn<lb/>
es noch ein heißer, &#x017F;tolzer Spanier, ein rach-<lb/>
&#x017F;u&#x0364;chtiger, &#x017F;pitzbu&#x0364;bi&#x017F;cher Italiener; oder ein<lb/>
lu&#x017F;tiger, verbuhlter Franzo&#x017F;e wa&#x0364;re! aber ein<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Teut-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[52/0063] „ſo zergliedere ihm mit hoͤlliſcher Bitterkeit „die Folgen ſeiner Thaten, Handlungen und „ſeines Wahnſinns, und entfalte ihm die „ganze Verkettung derſelben, bis auf kuͤnf- „tige Geſchlechter. Ergreift ihn dann die „Verzweiflung, ſo ſchleudere ihn herunter, „und kehre ſiegreich in die Hoͤlle zuruͤck.“ Leviathan. Satan, warum wendeſt du dich abermals an mich? Du weißt es, mir iſt das ganze Menſchengeſchlecht und die Erde, ihr Tummelplatz, laͤngſt zum Ekel geworden. Was iſt aus den Kerls zu ma- chen, die weder Kraft zum Guten noch Boͤ- ſen haben? Den, der eine zeitlang mit dem Fantom Tugend buhlt, machen bald Gold, Ehrgeiz oder Wolluſt zum Schurken, und tritt auch einer oder der andre kuͤhn in die Bahn des Laſters, ſo faͤhrt er auf halbem Wege vor den Geſpenſtern ſeiner ſchwaͤchli- chen Einbildungskraft zuruͤck. Ja, wenn es noch ein heißer, ſtolzer Spanier, ein rach- ſuͤchtiger, ſpitzbuͤbiſcher Italiener; oder ein luſtiger, verbuhlter Franzoſe waͤre! aber ein Teut-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/63
Zitationshilfe: Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/63>, abgerufen am 04.05.2024.