Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

"rastlosen Geist dieses Verwegnen fesseln,
"sät[t]igen, und dann zur Verzweiflung trei-
"ben. Fahre hinauf, verjage den Dunst
"der Schulweisheit, aus seinem Gehirne.
"Senge durch das üppige Feuer der Wollust
"die edlen Gefühle seiner Jugend aus seinem
"Herzen. Oeffne ihm die Schätze der Na-
"tur, treibe ihn hastig ins Leben, daß er
"sich schnell überlade. Er sehe Böses aus
"Gutem entspringen, das Laster gekrönt,
"Gerechtigkeit und Unschuld mit Füssen ge-
"treten, wie es der Menschen Art ist. Füh-
"re ihn durch die wilden, scheußlichen Sce-
"nen des menschlichen Lebens, er verkenne
"den Zweck, verliere unter den Greueln
"den Faden der Leitung und Langmuth des
"Ewigen. Und wenn er dann abgerissen
"steht, von allen natürlichen und himmli-
"schen Verhältnissen, zweifelnd an der ed-
"len Bestimmung seines Geschlechts, der
"Sinn der Wollust und des Genußes in ihm
"verdampft ist, er sich an nichts mehr hal-
"ten kann, und der innre Wurm erwacht,

"so
D 2

„raſtloſen Geiſt dieſes Verwegnen feſſeln,
„ſaͤt[t]igen, und dann zur Verzweiflung trei-
„ben. Fahre hinauf, verjage den Dunſt
„der Schulweisheit, aus ſeinem Gehirne.
„Senge durch das uͤppige Feuer der Wolluſt
„die edlen Gefuͤhle ſeiner Jugend aus ſeinem
„Herzen. Oeffne ihm die Schaͤtze der Na-
„tur, treibe ihn haſtig ins Leben, daß er
„ſich ſchnell uͤberlade. Er ſehe Boͤſes aus
„Gutem entſpringen, das Laſter gekroͤnt,
„Gerechtigkeit und Unſchuld mit Fuͤſſen ge-
„treten, wie es der Menſchen Art iſt. Fuͤh-
„re ihn durch die wilden, ſcheußlichen Sce-
„nen des menſchlichen Lebens, er verkenne
„den Zweck, verliere unter den Greueln
„den Faden der Leitung und Langmuth des
„Ewigen. Und wenn er dann abgeriſſen
„ſteht, von allen natuͤrlichen und himmli-
„ſchen Verhaͤltniſſen, zweifelnd an der ed-
„len Beſtimmung ſeines Geſchlechts, der
„Sinn der Wolluſt und des Genußes in ihm
„verdampft iſt, er ſich an nichts mehr hal-
„ten kann, und der innre Wurm erwacht,

„ſo
D 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0062" n="51"/>
&#x201E;ra&#x017F;tlo&#x017F;en Gei&#x017F;t die&#x017F;es Verwegnen fe&#x017F;&#x017F;eln,<lb/>
&#x201E;&#x017F;a&#x0364;t<supplied>t</supplied>igen, und dann zur Verzweiflung trei-<lb/>
&#x201E;ben. Fahre hinauf, verjage den Dun&#x017F;t<lb/>
&#x201E;der Schulweisheit, aus &#x017F;einem Gehirne.<lb/>
&#x201E;Senge durch das u&#x0364;ppige Feuer der Wollu&#x017F;t<lb/>
&#x201E;die edlen Gefu&#x0364;hle &#x017F;einer Jugend aus &#x017F;einem<lb/>
&#x201E;Herzen. Oeffne ihm die Scha&#x0364;tze der Na-<lb/>
&#x201E;tur, treibe ihn ha&#x017F;tig ins Leben, daß er<lb/>
&#x201E;&#x017F;ich &#x017F;chnell u&#x0364;berlade. Er &#x017F;ehe Bo&#x0364;&#x017F;es aus<lb/>
&#x201E;Gutem ent&#x017F;pringen, das La&#x017F;ter gekro&#x0364;nt,<lb/>
&#x201E;Gerechtigkeit und Un&#x017F;chuld mit Fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en ge-<lb/>
&#x201E;treten, wie es der Men&#x017F;chen Art i&#x017F;t. Fu&#x0364;h-<lb/>
&#x201E;re ihn durch die wilden, &#x017F;cheußlichen Sce-<lb/>
&#x201E;nen des men&#x017F;chlichen Lebens, er verkenne<lb/>
&#x201E;den Zweck, verliere unter den Greueln<lb/>
&#x201E;den Faden der Leitung und Langmuth des<lb/>
&#x201E;Ewigen. Und wenn er dann abgeri&#x017F;&#x017F;en<lb/>
&#x201E;&#x017F;teht, von allen natu&#x0364;rlichen und himmli-<lb/>
&#x201E;&#x017F;chen Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;en, zweifelnd an der ed-<lb/>
&#x201E;len Be&#x017F;timmung &#x017F;eines Ge&#x017F;chlechts, der<lb/>
&#x201E;Sinn der Wollu&#x017F;t und des Genußes in ihm<lb/>
&#x201E;verdampft i&#x017F;t, er &#x017F;ich an nichts mehr hal-<lb/>
&#x201E;ten kann, und der innre Wurm erwacht,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">D 2</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x201E;&#x017F;o</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[51/0062] „raſtloſen Geiſt dieſes Verwegnen feſſeln, „ſaͤttigen, und dann zur Verzweiflung trei- „ben. Fahre hinauf, verjage den Dunſt „der Schulweisheit, aus ſeinem Gehirne. „Senge durch das uͤppige Feuer der Wolluſt „die edlen Gefuͤhle ſeiner Jugend aus ſeinem „Herzen. Oeffne ihm die Schaͤtze der Na- „tur, treibe ihn haſtig ins Leben, daß er „ſich ſchnell uͤberlade. Er ſehe Boͤſes aus „Gutem entſpringen, das Laſter gekroͤnt, „Gerechtigkeit und Unſchuld mit Fuͤſſen ge- „treten, wie es der Menſchen Art iſt. Fuͤh- „re ihn durch die wilden, ſcheußlichen Sce- „nen des menſchlichen Lebens, er verkenne „den Zweck, verliere unter den Greueln „den Faden der Leitung und Langmuth des „Ewigen. Und wenn er dann abgeriſſen „ſteht, von allen natuͤrlichen und himmli- „ſchen Verhaͤltniſſen, zweifelnd an der ed- „len Beſtimmung ſeines Geſchlechts, der „Sinn der Wolluſt und des Genußes in ihm „verdampft iſt, er ſich an nichts mehr hal- „ten kann, und der innre Wurm erwacht, „ſo D 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/62
Zitationshilfe: Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/62>, abgerufen am 04.05.2024.