Der Teufel ließ die Pferde nach einem nahen Wirthshaus führen, und leitete Fau- sten durch den Haufen. Sie sahen den ed- len Herzog, von seinen unmündigen Kin- dern begleitet, nach einem schwarz ausge- schlagnen Zimmer führen. Hier erwartete ihn ein Mönch, der seine lezte Beichte hören sollte. Der Blick des Vaters hieng an sei- nen Söhnen, und konnte sich nicht von ih- nen zu dem Himmel wenden. Nach der Beichte drückte er sie wider seine Brust, sah dann gen Himmel, legte seine bebenden Hän- de auf die Häupter der Schluchzenden, und sagte: "Laß den Seegen eines unglückli- "chen Vaters, den Haabsucht und Tyran- "ney ermorden, diesen Unschuldigen gedei- "hen! doch" -- hier hielter seufzend inne -- "sie sind die Erben eines Un- "glücklichen, ihre Ansprüche verdammen sie "zu langsamer Marter, sie sind dem Weh "gebohren, und in diesem Gefühl muß ich "sterben." Er wollte weiter reden, man zwang ihn zu schweigen, und führte
ihn
Der Teufel ließ die Pferde nach einem nahen Wirthshaus fuͤhren, und leitete Fau- ſten durch den Haufen. Sie ſahen den ed- len Herzog, von ſeinen unmuͤndigen Kin- dern begleitet, nach einem ſchwarz ausge- ſchlagnen Zimmer fuͤhren. Hier erwartete ihn ein Moͤnch, der ſeine lezte Beichte hoͤren ſollte. Der Blick des Vaters hieng an ſei- nen Soͤhnen, und konnte ſich nicht von ih- nen zu dem Himmel wenden. Nach der Beichte druͤckte er ſie wider ſeine Bruſt, ſah dann gen Himmel, legte ſeine bebenden Haͤn- de auf die Haͤupter der Schluchzenden, und ſagte: „Laß den Seegen eines ungluͤckli- „chen Vaters, den Haabſucht und Tyran- „ney ermorden, dieſen Unſchuldigen gedei- „hen! doch“ — hier hielter ſeufzend inne — „ſie ſind die Erben eines Un- „gluͤcklichen, ihre Anſpruͤche verdammen ſie „zu langſamer Marter, ſie ſind dem Weh „gebohren, und in dieſem Gefuͤhl muß ich „ſterben.“ Er wollte weiter reden, man zwang ihn zu ſchweigen, und fuͤhrte
ihn
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0264"n="253"/><p>Der Teufel ließ die Pferde nach einem<lb/>
nahen Wirthshaus fuͤhren, und leitete Fau-<lb/>ſten durch den Haufen. Sie ſahen den ed-<lb/>
len Herzog, von ſeinen unmuͤndigen Kin-<lb/>
dern begleitet, nach einem ſchwarz ausge-<lb/>ſchlagnen Zimmer fuͤhren. Hier erwartete<lb/>
ihn ein Moͤnch, der ſeine lezte Beichte hoͤren<lb/>ſollte. Der Blick des Vaters hieng an ſei-<lb/>
nen Soͤhnen, und konnte ſich nicht von ih-<lb/>
nen zu dem Himmel wenden. Nach der<lb/>
Beichte druͤckte er ſie wider ſeine Bruſt, ſah<lb/>
dann gen Himmel, legte ſeine bebenden Haͤn-<lb/>
de auf die Haͤupter der Schluchzenden, und<lb/>ſagte: „Laß den Seegen eines ungluͤckli-<lb/>„chen Vaters, den Haabſucht und Tyran-<lb/>„ney ermorden, dieſen Unſchuldigen gedei-<lb/>„hen! doch“—<hirendition="#g">hier hielter ſeufzend<lb/>
inne</hi>—„ſie ſind die Erben eines Un-<lb/>„gluͤcklichen, ihre Anſpruͤche verdammen ſie<lb/>„zu langſamer Marter, ſie ſind dem Weh<lb/>„gebohren, und in dieſem Gefuͤhl muß ich<lb/>„ſterben.“ Er wollte weiter reden, man<lb/>
zwang ihn zu ſchweigen, und fuͤhrte<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ihn</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[253/0264]
Der Teufel ließ die Pferde nach einem
nahen Wirthshaus fuͤhren, und leitete Fau-
ſten durch den Haufen. Sie ſahen den ed-
len Herzog, von ſeinen unmuͤndigen Kin-
dern begleitet, nach einem ſchwarz ausge-
ſchlagnen Zimmer fuͤhren. Hier erwartete
ihn ein Moͤnch, der ſeine lezte Beichte hoͤren
ſollte. Der Blick des Vaters hieng an ſei-
nen Soͤhnen, und konnte ſich nicht von ih-
nen zu dem Himmel wenden. Nach der
Beichte druͤckte er ſie wider ſeine Bruſt, ſah
dann gen Himmel, legte ſeine bebenden Haͤn-
de auf die Haͤupter der Schluchzenden, und
ſagte: „Laß den Seegen eines ungluͤckli-
„chen Vaters, den Haabſucht und Tyran-
„ney ermorden, dieſen Unſchuldigen gedei-
„hen! doch“ — hier hielter ſeufzend
inne — „ſie ſind die Erben eines Un-
„gluͤcklichen, ihre Anſpruͤche verdammen ſie
„zu langſamer Marter, ſie ſind dem Weh
„gebohren, und in dieſem Gefuͤhl muß ich
„ſterben.“ Er wollte weiter reden, man
zwang ihn zu ſchweigen, und fuͤhrte
ihn
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/264>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.