Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Teufel ließ die Pferde nach einem
nahen Wirthshaus führen, und leitete Fau-
sten durch den Haufen. Sie sahen den ed-
len Herzog, von seinen unmündigen Kin-
dern begleitet, nach einem schwarz ausge-
schlagnen Zimmer führen. Hier erwartete
ihn ein Mönch, der seine lezte Beichte hören
sollte. Der Blick des Vaters hieng an sei-
nen Söhnen, und konnte sich nicht von ih-
nen zu dem Himmel wenden. Nach der
Beichte drückte er sie wider seine Brust, sah
dann gen Himmel, legte seine bebenden Hän-
de auf die Häupter der Schluchzenden, und
sagte: "Laß den Seegen eines unglückli-
"chen Vaters, den Haabsucht und Tyran-
"ney ermorden, diesen Unschuldigen gedei-
"hen! doch" -- hier hielter seufzend
inne
-- "sie sind die Erben eines Un-
"glücklichen, ihre Ansprüche verdammen sie
"zu langsamer Marter, sie sind dem Weh
"gebohren, und in diesem Gefühl muß ich
"sterben." Er wollte weiter reden, man
zwang ihn zu schweigen, und führte

ihn

Der Teufel ließ die Pferde nach einem
nahen Wirthshaus fuͤhren, und leitete Fau-
ſten durch den Haufen. Sie ſahen den ed-
len Herzog, von ſeinen unmuͤndigen Kin-
dern begleitet, nach einem ſchwarz ausge-
ſchlagnen Zimmer fuͤhren. Hier erwartete
ihn ein Moͤnch, der ſeine lezte Beichte hoͤren
ſollte. Der Blick des Vaters hieng an ſei-
nen Soͤhnen, und konnte ſich nicht von ih-
nen zu dem Himmel wenden. Nach der
Beichte druͤckte er ſie wider ſeine Bruſt, ſah
dann gen Himmel, legte ſeine bebenden Haͤn-
de auf die Haͤupter der Schluchzenden, und
ſagte: „Laß den Seegen eines ungluͤckli-
„chen Vaters, den Haabſucht und Tyran-
„ney ermorden, dieſen Unſchuldigen gedei-
„hen! doch“ — hier hielter ſeufzend
inne
— „ſie ſind die Erben eines Un-
„gluͤcklichen, ihre Anſpruͤche verdammen ſie
„zu langſamer Marter, ſie ſind dem Weh
„gebohren, und in dieſem Gefuͤhl muß ich
„ſterben.“ Er wollte weiter reden, man
zwang ihn zu ſchweigen, und fuͤhrte

ihn
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0264" n="253"/>
          <p>Der Teufel ließ die Pferde nach einem<lb/>
nahen Wirthshaus fu&#x0364;hren, und leitete Fau-<lb/>
&#x017F;ten durch den Haufen. Sie &#x017F;ahen den ed-<lb/>
len Herzog, von &#x017F;einen unmu&#x0364;ndigen Kin-<lb/>
dern begleitet, nach einem &#x017F;chwarz ausge-<lb/>
&#x017F;chlagnen Zimmer fu&#x0364;hren. Hier erwartete<lb/>
ihn ein Mo&#x0364;nch, der &#x017F;eine lezte Beichte ho&#x0364;ren<lb/>
&#x017F;ollte. Der Blick des Vaters hieng an &#x017F;ei-<lb/>
nen So&#x0364;hnen, und konnte &#x017F;ich nicht von ih-<lb/>
nen zu dem Himmel wenden. Nach der<lb/>
Beichte dru&#x0364;ckte er &#x017F;ie wider &#x017F;eine Bru&#x017F;t, &#x017F;ah<lb/>
dann gen Himmel, legte &#x017F;eine bebenden Ha&#x0364;n-<lb/>
de auf die Ha&#x0364;upter der Schluchzenden, und<lb/>
&#x017F;agte: &#x201E;Laß den Seegen eines unglu&#x0364;ckli-<lb/>
&#x201E;chen Vaters, den Haab&#x017F;ucht und Tyran-<lb/>
&#x201E;ney ermorden, die&#x017F;en Un&#x017F;chuldigen gedei-<lb/>
&#x201E;hen! doch&#x201C; &#x2014; <hi rendition="#g">hier hielter &#x017F;eufzend<lb/>
inne</hi> &#x2014; &#x201E;&#x017F;ie &#x017F;ind die Erben eines Un-<lb/>
&#x201E;glu&#x0364;cklichen, ihre An&#x017F;pru&#x0364;che verdammen &#x017F;ie<lb/>
&#x201E;zu lang&#x017F;amer Marter, &#x017F;ie &#x017F;ind dem Weh<lb/>
&#x201E;gebohren, und in die&#x017F;em Gefu&#x0364;hl muß ich<lb/>
&#x201E;&#x017F;terben.&#x201C; Er wollte weiter reden, man<lb/>
zwang ihn zu &#x017F;chweigen, und fu&#x0364;hrte<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ihn</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[253/0264] Der Teufel ließ die Pferde nach einem nahen Wirthshaus fuͤhren, und leitete Fau- ſten durch den Haufen. Sie ſahen den ed- len Herzog, von ſeinen unmuͤndigen Kin- dern begleitet, nach einem ſchwarz ausge- ſchlagnen Zimmer fuͤhren. Hier erwartete ihn ein Moͤnch, der ſeine lezte Beichte hoͤren ſollte. Der Blick des Vaters hieng an ſei- nen Soͤhnen, und konnte ſich nicht von ih- nen zu dem Himmel wenden. Nach der Beichte druͤckte er ſie wider ſeine Bruſt, ſah dann gen Himmel, legte ſeine bebenden Haͤn- de auf die Haͤupter der Schluchzenden, und ſagte: „Laß den Seegen eines ungluͤckli- „chen Vaters, den Haabſucht und Tyran- „ney ermorden, dieſen Unſchuldigen gedei- „hen! doch“ — hier hielter ſeufzend inne — „ſie ſind die Erben eines Un- „gluͤcklichen, ihre Anſpruͤche verdammen ſie „zu langſamer Marter, ſie ſind dem Weh „gebohren, und in dieſem Gefuͤhl muß ich „ſterben.“ Er wollte weiter reden, man zwang ihn zu ſchweigen, und fuͤhrte ihn

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/264
Zitationshilfe: Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/264>, abgerufen am 22.11.2024.