gewaltig, daß es ihm gelungen, die be- stimmten und unveränderlichen Merkzeichen der thierischen Natur so klar beweisen, und auf den Menschen anwenden zu können, ob gleich die Gesellschaft das Gesicht des lez- tern zur Maske geschliffen hat, und er nie einen in seinem ursprünglichen Zustand sah. Hierauf drang er selbst in das Reich der Todten, zog die Schädel aus den Gräbern, die Gebeine der Thiere aus den Gruben, und zeigte den Lebenden, wie und warum die Todten so waren, und wie sie, vermöge dieser Knochen, so und nicht anders seyn konnten. Zu was für gefährlichen Schlüs- sen könnten diese Voraussetzungen einen Sophisten, oder einen Menschen, der gern seine Schlechtigkeit von sich wälzen möchte, verleiten? Soll, kann der Mensch durch Kunst ersetzen, was durch natürliche Anla- gen in ihm verhunzt ist?
Dem Teufel war dieser Spuck bekannt, und er merkte wohl, da sie im Wirthshause bey Tische saßen, daß einige Anwesende, und
selbst
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gewaltig, daß es ihm gelungen, die be- ſtimmten und unveraͤnderlichen Merkzeichen der thieriſchen Natur ſo klar beweiſen, und auf den Menſchen anwenden zu koͤnnen, ob gleich die Geſellſchaft das Geſicht des lez- tern zur Maske geſchliffen hat, und er nie einen in ſeinem urſpruͤnglichen Zuſtand ſah. Hierauf drang er ſelbſt in das Reich der Todten, zog die Schaͤdel aus den Graͤbern, die Gebeine der Thiere aus den Gruben, und zeigte den Lebenden, wie und warum die Todten ſo waren, und wie ſie, vermoͤge dieſer Knochen, ſo und nicht anders ſeyn konnten. Zu was fuͤr gefaͤhrlichen Schluͤſ- ſen koͤnnten dieſe Vorausſetzungen einen Sophiſten, oder einen Menſchen, der gern ſeine Schlechtigkeit von ſich waͤlzen moͤchte, verleiten? Soll, kann der Menſch durch Kunſt erſetzen, was durch natuͤrliche Anla- gen in ihm verhunzt iſt?
Dem Teufel war dieſer Spuck bekannt, und er merkte wohl, da ſie im Wirthshauſe bey Tiſche ſaßen, daß einige Anweſende, und
ſelbſt
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gewaltig, daß es ihm gelungen, die be-
ſtimmten und unveraͤnderlichen Merkzeichen
der thieriſchen Natur ſo klar beweiſen, und
auf den Menſchen anwenden zu koͤnnen, ob
gleich die Geſellſchaft das Geſicht des lez-
tern zur Maske geſchliffen hat, und er nie
einen in ſeinem urſpruͤnglichen Zuſtand ſah.
Hierauf drang er ſelbſt in das Reich der
Todten, zog die Schaͤdel aus den Graͤbern,
die Gebeine der Thiere aus den Gruben,
und zeigte den Lebenden, wie und warum
die Todten ſo waren, und wie ſie, vermoͤge
dieſer Knochen, ſo und nicht anders ſeyn
konnten. Zu was fuͤr gefaͤhrlichen Schluͤſ-
ſen koͤnnten dieſe Vorausſetzungen einen
Sophiſten, oder einen Menſchen, der gern
ſeine Schlechtigkeit von ſich waͤlzen moͤchte,
verleiten? Soll, kann der Menſch durch
Kunſt erſetzen, was durch natuͤrliche Anla-
gen in ihm verhunzt iſt?
Dem Teufel war dieſer Spuck bekannt,
und er merkte wohl, da ſie im Wirthshauſe
bey Tiſche ſaßen, daß einige Anweſende, und
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Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/228>, abgerufen am 23.11.2024.
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