Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

Ungeheuer nur die erste Haut abgezogen,
was wird es dann seyn, wenn wir ihm die
Brust aufreissen? Schnell würde der, wel-
cher die Rache sich vorbehalten hat, das
Zeughaus des Donners ausleeren, wenn er
alle die vernichten wollte, die nach deiner
Meinung nicht zu leben verdienen.

Faust wollte eben antworten, als sie in
der Ferne ein Dorf in hellen Flammen sa-
hen. Da ihn nun alles scharf reizte, sporn-
te er sein Pferd, und der Teufel zog hinter
ihm drein. Es begegnete ihnen bald ein
Haufe fliehender Ritter und Knechte, die
eben ein andrer Haufe geschlagen hatte.
Als sie dem Dorfe näher kamen, fanden sie
das Feld mit Leichen der Reisigen und Pfer-
den bedeckt. Sie sahen unter den Todten
einen Knappen, der mit beyden Händen ar-
beitete, seine herausgestürzte Eingeweide in
den Bauch zurück zu drücken; er heulte und
fluchte fürchterlich unter dem schmerzlichen
Werke. Faust fragte ihn höflich um die
Ursache des Zwists, der Knappe schrie:

"schert

Ungeheuer nur die erſte Haut abgezogen,
was wird es dann ſeyn, wenn wir ihm die
Bruſt aufreiſſen? Schnell wuͤrde der, wel-
cher die Rache ſich vorbehalten hat, das
Zeughaus des Donners ausleeren, wenn er
alle die vernichten wollte, die nach deiner
Meinung nicht zu leben verdienen.

Fauſt wollte eben antworten, als ſie in
der Ferne ein Dorf in hellen Flammen ſa-
hen. Da ihn nun alles ſcharf reizte, ſporn-
te er ſein Pferd, und der Teufel zog hinter
ihm drein. Es begegnete ihnen bald ein
Haufe fliehender Ritter und Knechte, die
eben ein andrer Haufe geſchlagen hatte.
Als ſie dem Dorfe naͤher kamen, fanden ſie
das Feld mit Leichen der Reiſigen und Pfer-
den bedeckt. Sie ſahen unter den Todten
einen Knappen, der mit beyden Haͤnden ar-
beitete, ſeine herausgeſtuͤrzte Eingeweide in
den Bauch zuruͤck zu druͤcken; er heulte und
fluchte fuͤrchterlich unter dem ſchmerzlichen
Werke. Fauſt fragte ihn hoͤflich um die
Urſache des Zwiſts, der Knappe ſchrie:

„ſchert
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0218" n="207"/>
Ungeheuer nur die er&#x017F;te Haut abgezogen,<lb/>
was wird es dann &#x017F;eyn, wenn wir ihm die<lb/>
Bru&#x017F;t aufrei&#x017F;&#x017F;en? Schnell wu&#x0364;rde der, wel-<lb/>
cher die Rache &#x017F;ich vorbehalten hat, das<lb/>
Zeughaus des Donners ausleeren, wenn er<lb/>
alle die vernichten wollte, die nach deiner<lb/>
Meinung nicht zu leben verdienen.</p><lb/>
          <p>Fau&#x017F;t wollte eben antworten, als &#x017F;ie in<lb/>
der Ferne ein Dorf in hellen Flammen &#x017F;a-<lb/>
hen. Da ihn nun alles &#x017F;charf reizte, &#x017F;porn-<lb/>
te er &#x017F;ein Pferd, und der Teufel zog hinter<lb/>
ihm drein. Es begegnete ihnen bald ein<lb/>
Haufe fliehender Ritter und Knechte, die<lb/>
eben ein andrer Haufe ge&#x017F;chlagen hatte.<lb/>
Als &#x017F;ie dem Dorfe na&#x0364;her kamen, fanden &#x017F;ie<lb/>
das Feld mit Leichen der Rei&#x017F;igen und Pfer-<lb/>
den bedeckt. Sie &#x017F;ahen unter den Todten<lb/>
einen Knappen, der mit beyden Ha&#x0364;nden ar-<lb/>
beitete, &#x017F;eine herausge&#x017F;tu&#x0364;rzte Eingeweide in<lb/>
den Bauch zuru&#x0364;ck zu dru&#x0364;cken; er heulte und<lb/>
fluchte fu&#x0364;rchterlich unter dem &#x017F;chmerzlichen<lb/>
Werke. Fau&#x017F;t fragte ihn ho&#x0364;flich um die<lb/>
Ur&#x017F;ache des Zwi&#x017F;ts, der Knappe &#x017F;chrie:<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x201E;&#x017F;chert</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[207/0218] Ungeheuer nur die erſte Haut abgezogen, was wird es dann ſeyn, wenn wir ihm die Bruſt aufreiſſen? Schnell wuͤrde der, wel- cher die Rache ſich vorbehalten hat, das Zeughaus des Donners ausleeren, wenn er alle die vernichten wollte, die nach deiner Meinung nicht zu leben verdienen. Fauſt wollte eben antworten, als ſie in der Ferne ein Dorf in hellen Flammen ſa- hen. Da ihn nun alles ſcharf reizte, ſporn- te er ſein Pferd, und der Teufel zog hinter ihm drein. Es begegnete ihnen bald ein Haufe fliehender Ritter und Knechte, die eben ein andrer Haufe geſchlagen hatte. Als ſie dem Dorfe naͤher kamen, fanden ſie das Feld mit Leichen der Reiſigen und Pfer- den bedeckt. Sie ſahen unter den Todten einen Knappen, der mit beyden Haͤnden ar- beitete, ſeine herausgeſtuͤrzte Eingeweide in den Bauch zuruͤck zu druͤcken; er heulte und fluchte fuͤrchterlich unter dem ſchmerzlichen Werke. Fauſt fragte ihn hoͤflich um die Urſache des Zwiſts, der Knappe ſchrie: „ſchert

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/218
Zitationshilfe: Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/218>, abgerufen am 24.11.2024.