Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

ger Zug gaffenden Pöbels hieng, zu dem
regierenden Bürgermeister. Sie traten in
den Versammlungssaal. Der ganze Magi-
strat erwartete sie, und beugte sich vor ih-
nen bis auf die Erde. Der regierende Bür-
germeister bewillkommte sie mit einer Rede,
stellte ihnen die Rathsglieder, und die Wei-
ber der Vornehmsten vor, die ihre geistlo-
sen Gestalten so prächtig herausgeputzt hat-
ten, daß ihre Steifheit und Ungewandtheit
nur um so auffallender wurde. Sie starr-
ten alle, wie eine Heerde Gänse, und konn-
ten sich an Leviathans Putze nicht satt se-
hen. Die Bürgermeisterin, eine Sachsin,
ragte allein unter ihnen hervor, wie eine
Oreade. Ihr war der Blick Fausts so we-
nig entgangen, als seine vermögende Ge-
stalt, und sein geistvolles Gesicht. Sie er-
röthete, da er sie bewillkommte, und fand
keine andre Antwort auf seine Anrede, als
einen Blick voller Verwirrung, den Fausts
Herz, wie die süßte Harmonie, verschlang.
Die Senatoren spannten ihren Witz an, den

Gästen

ger Zug gaffenden Poͤbels hieng, zu dem
regierenden Buͤrgermeiſter. Sie traten in
den Verſammlungsſaal. Der ganze Magi-
ſtrat erwartete ſie, und beugte ſich vor ih-
nen bis auf die Erde. Der regierende Buͤr-
germeiſter bewillkommte ſie mit einer Rede,
ſtellte ihnen die Rathsglieder, und die Wei-
ber der Vornehmſten vor, die ihre geiſtlo-
ſen Geſtalten ſo praͤchtig herausgeputzt hat-
ten, daß ihre Steifheit und Ungewandtheit
nur um ſo auffallender wurde. Sie ſtarr-
ten alle, wie eine Heerde Gaͤnſe, und konn-
ten ſich an Leviathans Putze nicht ſatt ſe-
hen. Die Buͤrgermeiſterin, eine Sachſin,
ragte allein unter ihnen hervor, wie eine
Oreade. Ihr war der Blick Fauſts ſo we-
nig entgangen, als ſeine vermoͤgende Ge-
ſtalt, und ſein geiſtvolles Geſicht. Sie er-
roͤthete, da er ſie bewillkommte, und fand
keine andre Antwort auf ſeine Anrede, als
einen Blick voller Verwirrung, den Fauſts
Herz, wie die ſuͤßte Harmonie, verſchlang.
Die Senatoren ſpannten ihren Witz an, den

Gaͤſten
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0107" n="96"/>
ger Zug gaffenden Po&#x0364;bels hieng, zu dem<lb/>
regierenden Bu&#x0364;rgermei&#x017F;ter. Sie traten in<lb/>
den Ver&#x017F;ammlungs&#x017F;aal. Der ganze Magi-<lb/>
&#x017F;trat erwartete &#x017F;ie, und beugte &#x017F;ich vor ih-<lb/>
nen bis auf die Erde. Der regierende Bu&#x0364;r-<lb/>
germei&#x017F;ter bewillkommte &#x017F;ie mit einer Rede,<lb/>
&#x017F;tellte ihnen die Rathsglieder, und die Wei-<lb/>
ber der Vornehm&#x017F;ten vor, die ihre gei&#x017F;tlo-<lb/>
&#x017F;en Ge&#x017F;talten &#x017F;o pra&#x0364;chtig herausgeputzt hat-<lb/>
ten, daß ihre Steifheit und Ungewandtheit<lb/>
nur um &#x017F;o auffallender wurde. Sie &#x017F;tarr-<lb/>
ten alle, wie eine Heerde Ga&#x0364;n&#x017F;e, und konn-<lb/>
ten &#x017F;ich an Leviathans Putze nicht &#x017F;att &#x017F;e-<lb/>
hen. Die Bu&#x0364;rgermei&#x017F;terin, eine Sach&#x017F;in,<lb/>
ragte allein unter ihnen hervor, wie eine<lb/>
Oreade. Ihr war der Blick Fau&#x017F;ts &#x017F;o we-<lb/>
nig entgangen, als &#x017F;eine vermo&#x0364;gende Ge-<lb/>
&#x017F;talt, und &#x017F;ein gei&#x017F;tvolles Ge&#x017F;icht. Sie er-<lb/>
ro&#x0364;thete, da er &#x017F;ie bewillkommte, und fand<lb/>
keine andre Antwort auf &#x017F;eine Anrede, als<lb/>
einen Blick voller Verwirrung, den Fau&#x017F;ts<lb/>
Herz, wie die &#x017F;u&#x0364;ßte Harmonie, ver&#x017F;chlang.<lb/>
Die Senatoren &#x017F;pannten ihren Witz an, den<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Ga&#x0364;&#x017F;ten</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[96/0107] ger Zug gaffenden Poͤbels hieng, zu dem regierenden Buͤrgermeiſter. Sie traten in den Verſammlungsſaal. Der ganze Magi- ſtrat erwartete ſie, und beugte ſich vor ih- nen bis auf die Erde. Der regierende Buͤr- germeiſter bewillkommte ſie mit einer Rede, ſtellte ihnen die Rathsglieder, und die Wei- ber der Vornehmſten vor, die ihre geiſtlo- ſen Geſtalten ſo praͤchtig herausgeputzt hat- ten, daß ihre Steifheit und Ungewandtheit nur um ſo auffallender wurde. Sie ſtarr- ten alle, wie eine Heerde Gaͤnſe, und konn- ten ſich an Leviathans Putze nicht ſatt ſe- hen. Die Buͤrgermeiſterin, eine Sachſin, ragte allein unter ihnen hervor, wie eine Oreade. Ihr war der Blick Fauſts ſo we- nig entgangen, als ſeine vermoͤgende Ge- ſtalt, und ſein geiſtvolles Geſicht. Sie er- roͤthete, da er ſie bewillkommte, und fand keine andre Antwort auf ſeine Anrede, als einen Blick voller Verwirrung, den Fauſts Herz, wie die ſuͤßte Harmonie, verſchlang. Die Senatoren ſpannten ihren Witz an, den Gaͤſten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/107
Zitationshilfe: Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/107>, abgerufen am 24.11.2024.