sich um das Leben, durch das er wie durch ei- nen grün verhüllten Zaubergarten hinwandelte. Alle liebten ihn; Juan haßte ihn nicht, aber sein Ausdruck war ihm zuwider, weil er nichts ruhig und groß zu nehmen wußte, sondern alles durch überladene Verzierungen verklei- nerte, und überall seine bunten Schnörkel zu- vor anpinseln mußte, um sich die Dinge ge- fällig zu machen, wie schlechte Poeten, die die üppig reiche Natur noch zum zweitenmale auszuschmücken versuchen, statt eine neue selbstständige, durch eigene Kraft zu erschaf- fen.
Ohne Theilnahme lebten sie bei einander, und wenn sie sich umarmten, so schienen sie wie zwei erstarrte Todte auf dem Bernhard Brust gegen Brust gelehnt, so kalt war es in den Herzen, in denen weder Haß noch Liebe herrschte; nur Ponce hielt ihre unbeweglich lächelnde Maske vor das Gesicht und verschwendete viel freund- liche Worte bei einem reinen angenehmen
ſich um das Leben, durch das er wie durch ei- nen gruͤn verhuͤllten Zaubergarten hinwandelte. Alle liebten ihn; Juan haßte ihn nicht, aber ſein Ausdruck war ihm zuwider, weil er nichts ruhig und groß zu nehmen wußte, ſondern alles durch uͤberladene Verzierungen verklei- nerte, und uͤberall ſeine bunten Schnoͤrkel zu- vor anpinſeln mußte, um ſich die Dinge ge- faͤllig zu machen, wie ſchlechte Poeten, die die uͤppig reiche Natur noch zum zweitenmale auszuſchmuͤcken verſuchen, ſtatt eine neue ſelbſtſtaͤndige, durch eigene Kraft zu erſchaf- fen.
Ohne Theilnahme lebten ſie bei einander, und wenn ſie ſich umarmten, ſo ſchienen ſie wie zwei erſtarrte Todte auf dem Bernhard Bruſt gegen Bruſt gelehnt, ſo kalt war es in den Herzen, in denen weder Haß noch Liebe herrſchte; nur Ponce hielt ihre unbeweglich laͤchelnde Maske vor das Geſicht und verſchwendete viel freund- liche Worte bei einem reinen angenehmen
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0082"n="80"/>ſich um das Leben, durch das er wie durch ei-<lb/>
nen gruͤn verhuͤllten Zaubergarten hinwandelte.<lb/>
Alle liebten ihn; Juan haßte ihn nicht, aber<lb/>ſein Ausdruck war ihm zuwider, weil er nichts<lb/>
ruhig und groß zu nehmen wußte, ſondern<lb/>
alles durch uͤberladene Verzierungen verklei-<lb/>
nerte, und uͤberall ſeine bunten Schnoͤrkel zu-<lb/>
vor anpinſeln mußte, um ſich die Dinge ge-<lb/>
faͤllig zu machen, wie ſchlechte Poeten, die<lb/>
die uͤppig reiche Natur noch zum zweitenmale<lb/>
auszuſchmuͤcken verſuchen, ſtatt eine neue<lb/>ſelbſtſtaͤndige, durch eigene Kraft zu erſchaf-<lb/>
fen.</p><lb/><p>Ohne Theilnahme lebten ſie bei einander, und<lb/>
wenn ſie ſich umarmten, ſo ſchienen ſie wie zwei<lb/>
erſtarrte Todte auf dem Bernhard Bruſt gegen<lb/>
Bruſt gelehnt, ſo kalt war es in den Herzen,<lb/>
in denen weder Haß noch Liebe herrſchte; nur<lb/>
Ponce hielt ihre unbeweglich laͤchelnde Maske<lb/>
vor das Geſicht und verſchwendete viel freund-<lb/>
liche Worte bei einem reinen angenehmen<lb/></p></div></body></text></TEI>
[80/0082]
ſich um das Leben, durch das er wie durch ei-
nen gruͤn verhuͤllten Zaubergarten hinwandelte.
Alle liebten ihn; Juan haßte ihn nicht, aber
ſein Ausdruck war ihm zuwider, weil er nichts
ruhig und groß zu nehmen wußte, ſondern
alles durch uͤberladene Verzierungen verklei-
nerte, und uͤberall ſeine bunten Schnoͤrkel zu-
vor anpinſeln mußte, um ſich die Dinge ge-
faͤllig zu machen, wie ſchlechte Poeten, die
die uͤppig reiche Natur noch zum zweitenmale
auszuſchmuͤcken verſuchen, ſtatt eine neue
ſelbſtſtaͤndige, durch eigene Kraft zu erſchaf-
fen.
Ohne Theilnahme lebten ſie bei einander, und
wenn ſie ſich umarmten, ſo ſchienen ſie wie zwei
erſtarrte Todte auf dem Bernhard Bruſt gegen
Bruſt gelehnt, ſo kalt war es in den Herzen,
in denen weder Haß noch Liebe herrſchte; nur
Ponce hielt ihre unbeweglich laͤchelnde Maske
vor das Geſicht und verſchwendete viel freund-
liche Worte bei einem reinen angenehmen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/82>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.