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Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805.

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sich um das Leben, durch das er wie durch ei-
nen grün verhüllten Zaubergarten hinwandelte.
Alle liebten ihn; Juan haßte ihn nicht, aber
sein Ausdruck war ihm zuwider, weil er nichts
ruhig und groß zu nehmen wußte, sondern
alles durch überladene Verzierungen verklei-
nerte, und überall seine bunten Schnörkel zu-
vor anpinseln mußte, um sich die Dinge ge-
fällig zu machen, wie schlechte Poeten, die
die üppig reiche Natur noch zum zweitenmale
auszuschmücken versuchen, statt eine neue
selbstständige, durch eigene Kraft zu erschaf-
fen.

Ohne Theilnahme lebten sie bei einander, und
wenn sie sich umarmten, so schienen sie wie zwei
erstarrte Todte auf dem Bernhard Brust gegen
Brust gelehnt, so kalt war es in den Herzen,
in denen weder Haß noch Liebe herrschte; nur
Ponce hielt ihre unbeweglich lächelnde Maske
vor das Gesicht und verschwendete viel freund-
liche Worte bei einem reinen angenehmen

ſich um das Leben, durch das er wie durch ei-
nen gruͤn verhuͤllten Zaubergarten hinwandelte.
Alle liebten ihn; Juan haßte ihn nicht, aber
ſein Ausdruck war ihm zuwider, weil er nichts
ruhig und groß zu nehmen wußte, ſondern
alles durch uͤberladene Verzierungen verklei-
nerte, und uͤberall ſeine bunten Schnoͤrkel zu-
vor anpinſeln mußte, um ſich die Dinge ge-
faͤllig zu machen, wie ſchlechte Poeten, die
die uͤppig reiche Natur noch zum zweitenmale
auszuſchmuͤcken verſuchen, ſtatt eine neue
ſelbſtſtaͤndige, durch eigene Kraft zu erſchaf-
fen.

Ohne Theilnahme lebten ſie bei einander, und
wenn ſie ſich umarmten, ſo ſchienen ſie wie zwei
erſtarrte Todte auf dem Bernhard Bruſt gegen
Bruſt gelehnt, ſo kalt war es in den Herzen,
in denen weder Haß noch Liebe herrſchte; nur
Ponce hielt ihre unbeweglich laͤchelnde Maske
vor das Geſicht und verſchwendete viel freund-
liche Worte bei einem reinen angenehmen

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[80/0082] ſich um das Leben, durch das er wie durch ei- nen gruͤn verhuͤllten Zaubergarten hinwandelte. Alle liebten ihn; Juan haßte ihn nicht, aber ſein Ausdruck war ihm zuwider, weil er nichts ruhig und groß zu nehmen wußte, ſondern alles durch uͤberladene Verzierungen verklei- nerte, und uͤberall ſeine bunten Schnoͤrkel zu- vor anpinſeln mußte, um ſich die Dinge ge- faͤllig zu machen, wie ſchlechte Poeten, die die uͤppig reiche Natur noch zum zweitenmale auszuſchmuͤcken verſuchen, ſtatt eine neue ſelbſtſtaͤndige, durch eigene Kraft zu erſchaf- fen. Ohne Theilnahme lebten ſie bei einander, und wenn ſie ſich umarmten, ſo ſchienen ſie wie zwei erſtarrte Todte auf dem Bernhard Bruſt gegen Bruſt gelehnt, ſo kalt war es in den Herzen, in denen weder Haß noch Liebe herrſchte; nur Ponce hielt ihre unbeweglich laͤchelnde Maske vor das Geſicht und verſchwendete viel freund- liche Worte bei einem reinen angenehmen

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Zitationshilfe: Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/82>, abgerufen am 24.11.2024.