ter andern, als er es gar zu arg macht, är- gerlich an, wie albern es sei, wenn es ei- ner Marionette einfiele über sich selbst zu re- flektiren, da sie doch blos der Laune des Di- rektors gemäß, sich betragen müsse, der sie wieder in den Kasten lege, wenn es ihm ge- fiele. Dann sagt er auch manches Gute über die Freiheit des Willens und über den Wahn- sinn in einem Marionettengehirne, den er ganz realistisch und vernünftig abhandelt; alles das um der Puppe zu beweisen, wie toll es eigentlich von ihr sei dergleichen Dinge sehr hoch zu nehmen, indem alles zulezt doch auf ein Possenspiel hinausliefe, und der Hanswurst im Grunde die einzige vernünftige Rolle in der ganzen Farce abgäbe, eben weil er die Farce nicht höher nähme als eine Farce."
Hier hielt der Mann einen Augenblick inne, und sagte dann in recht lustig wilder Laune: "Da hast du das ganze Fastnachtsspiel, worin ich selbst den Bruder mit dem Herzen darge-
ter andern, als er es gar zu arg macht, aͤr- gerlich an, wie albern es ſei, wenn es ei- ner Marionette einfiele uͤber ſich ſelbſt zu re- flektiren, da ſie doch blos der Laune des Di- rektors gemaͤß, ſich betragen muͤſſe, der ſie wieder in den Kaſten lege, wenn es ihm ge- fiele. Dann ſagt er auch manches Gute uͤber die Freiheit des Willens und uͤber den Wahn- ſinn in einem Marionettengehirne, den er ganz realiſtiſch und vernuͤnftig abhandelt; alles das um der Puppe zu beweiſen, wie toll es eigentlich von ihr ſei dergleichen Dinge ſehr hoch zu nehmen, indem alles zulezt doch auf ein Poſſenſpiel hinausliefe, und der Hanswurſt im Grunde die einzige vernuͤnftige Rolle in der ganzen Farçe abgaͤbe, eben weil er die Farçe nicht hoͤher naͤhme als eine Farçe.“
Hier hielt der Mann einen Augenblick inne, und ſagte dann in recht luſtig wilder Laune: „Da haſt du das ganze Faſtnachtsſpiel, worin ich ſelbſt den Bruder mit dem Herzen darge-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0074"n="72"/>
ter andern, als er es gar zu arg macht, <choice><sic>aͤr<lb/>
gerlich</sic><corr>aͤr-<lb/>
gerlich</corr></choice> an, wie albern es ſei, wenn es ei-<lb/>
ner Marionette einfiele uͤber ſich ſelbſt zu re-<lb/>
flektiren, da ſie doch blos der Laune des Di-<lb/>
rektors gemaͤß, ſich betragen muͤſſe, der ſie<lb/>
wieder in den Kaſten lege, wenn es ihm ge-<lb/>
fiele. Dann ſagt er auch manches Gute uͤber<lb/>
die Freiheit des Willens und uͤber den Wahn-<lb/>ſinn in einem Marionettengehirne, den er<lb/>
ganz realiſtiſch und vernuͤnftig abhandelt; alles<lb/>
das um der Puppe zu beweiſen, wie toll es<lb/>
eigentlich von ihr ſei dergleichen Dinge ſehr<lb/>
hoch zu nehmen, indem alles zulezt doch auf<lb/>
ein Poſſenſpiel hinausliefe, und der Hanswurſt<lb/>
im Grunde die einzige vernuͤnftige Rolle in der<lb/>
ganzen Farçe abgaͤbe, eben weil er die Farçe<lb/>
nicht hoͤher naͤhme als eine Farçe.“</p><lb/><p>Hier hielt der Mann einen Augenblick inne,<lb/>
und ſagte dann in recht luſtig wilder Laune:<lb/>„Da haſt du das ganze Faſtnachtsſpiel, worin<lb/>
ich ſelbſt den Bruder mit dem Herzen darge-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[72/0074]
ter andern, als er es gar zu arg macht, aͤr-
gerlich an, wie albern es ſei, wenn es ei-
ner Marionette einfiele uͤber ſich ſelbſt zu re-
flektiren, da ſie doch blos der Laune des Di-
rektors gemaͤß, ſich betragen muͤſſe, der ſie
wieder in den Kaſten lege, wenn es ihm ge-
fiele. Dann ſagt er auch manches Gute uͤber
die Freiheit des Willens und uͤber den Wahn-
ſinn in einem Marionettengehirne, den er
ganz realiſtiſch und vernuͤnftig abhandelt; alles
das um der Puppe zu beweiſen, wie toll es
eigentlich von ihr ſei dergleichen Dinge ſehr
hoch zu nehmen, indem alles zulezt doch auf
ein Poſſenſpiel hinausliefe, und der Hanswurſt
im Grunde die einzige vernuͤnftige Rolle in der
ganzen Farçe abgaͤbe, eben weil er die Farçe
nicht hoͤher naͤhme als eine Farçe.“
Hier hielt der Mann einen Augenblick inne,
und ſagte dann in recht luſtig wilder Laune:
„Da haſt du das ganze Faſtnachtsſpiel, worin
ich ſelbſt den Bruder mit dem Herzen darge-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/74>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.