zweiten Akte, der eben schlaftrunken, im Nachtkleide, vorübergehen will, in das Zim- mer, das er hinter sich zuschließt.
Nach einer kurzen Pause erscheint er wie- der mit der Bruder-Marionette, die einen gezogenen Degen in der Hand hält, und nach einer kurzen steifen Tirade, erst den Pagen, dann die Kolombine und endlich sich selbst nieder- stößt. Der Bruder steht ganz stier und dumm unter den drei hölzernen Puppen, die rings umher auf der Erde liegen; dann greift er, ohne ein Wort weiter zu sagen, ebenfalls nach dem Degen, um auch sich selbst, zu guter lezt, hinterherzusenden; doch in diesem Au- genblicke reißt der Drath, den der Direktor zu starr anzieht, und der Arm kann den Stoß nicht vollführen und hängt unbeweglich nieder; zugleich spricht es wie eine fremde Stimme aus dem Munde der Puppe und ruft: "Du sollst ewig leben!" --
Nun erscheint der Hanswurst wieder um ihn zu besänftigen und zu trösten, führt auch un-
zweiten Akte, der eben ſchlaftrunken, im Nachtkleide, voruͤbergehen will, in das Zim- mer, das er hinter ſich zuſchließt.
Nach einer kurzen Pauſe erſcheint er wie- der mit der Bruder-Marionette, die einen gezogenen Degen in der Hand haͤlt, und nach einer kurzen ſteifen Tirade, erſt den Pagen, dann die Kolombine und endlich ſich ſelbſt nieder- ſtoͤßt. Der Bruder ſteht ganz ſtier und dumm unter den drei hoͤlzernen Puppen, die rings umher auf der Erde liegen; dann greift er, ohne ein Wort weiter zu ſagen, ebenfalls nach dem Degen, um auch ſich ſelbſt, zu guter lezt, hinterherzuſenden; doch in dieſem Au- genblicke reißt der Drath, den der Direktor zu ſtarr anzieht, und der Arm kann den Stoß nicht vollfuͤhren und haͤngt unbeweglich nieder; zugleich ſpricht es wie eine fremde Stimme aus dem Munde der Puppe und ruft: „Du ſollſt ewig leben!“ —
Nun erſcheint der Hanswurſt wieder um ihn zu beſaͤnftigen und zu troͤſten, fuͤhrt auch un-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0073"n="71"/>
zweiten Akte, der eben ſchlaftrunken, im<lb/>
Nachtkleide, voruͤbergehen will, in das Zim-<lb/>
mer, das er hinter ſich zuſchließt.</p><lb/><p>Nach einer kurzen Pauſe erſcheint er wie-<lb/>
der mit der Bruder-Marionette, die einen<lb/>
gezogenen Degen in der Hand haͤlt, und nach<lb/>
einer kurzen ſteifen Tirade, erſt den Pagen,<lb/>
dann die Kolombine und endlich ſich ſelbſt nieder-<lb/>ſtoͤßt. Der Bruder ſteht ganz ſtier und dumm<lb/>
unter den drei hoͤlzernen Puppen, die rings<lb/>
umher auf der Erde liegen; dann greift er,<lb/>
ohne ein Wort weiter zu ſagen, ebenfalls nach<lb/>
dem Degen, um auch ſich ſelbſt, zu guter<lb/>
lezt, hinterherzuſenden; doch in dieſem Au-<lb/>
genblicke reißt der Drath, den der Direktor<lb/>
zu ſtarr anzieht, und der Arm kann den Stoß<lb/>
nicht vollfuͤhren und haͤngt unbeweglich nieder;<lb/>
zugleich ſpricht es wie eine fremde Stimme<lb/>
aus dem Munde der Puppe und ruft: „Du<lb/>ſollſt ewig leben!“—</p><lb/><p>Nun erſcheint der Hanswurſt wieder um ihn<lb/>
zu beſaͤnftigen und zu troͤſten, fuͤhrt auch un-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[71/0073]
zweiten Akte, der eben ſchlaftrunken, im
Nachtkleide, voruͤbergehen will, in das Zim-
mer, das er hinter ſich zuſchließt.
Nach einer kurzen Pauſe erſcheint er wie-
der mit der Bruder-Marionette, die einen
gezogenen Degen in der Hand haͤlt, und nach
einer kurzen ſteifen Tirade, erſt den Pagen,
dann die Kolombine und endlich ſich ſelbſt nieder-
ſtoͤßt. Der Bruder ſteht ganz ſtier und dumm
unter den drei hoͤlzernen Puppen, die rings
umher auf der Erde liegen; dann greift er,
ohne ein Wort weiter zu ſagen, ebenfalls nach
dem Degen, um auch ſich ſelbſt, zu guter
lezt, hinterherzuſenden; doch in dieſem Au-
genblicke reißt der Drath, den der Direktor
zu ſtarr anzieht, und der Arm kann den Stoß
nicht vollfuͤhren und haͤngt unbeweglich nieder;
zugleich ſpricht es wie eine fremde Stimme
aus dem Munde der Puppe und ruft: „Du
ſollſt ewig leben!“ —
Nun erſcheint der Hanswurſt wieder um ihn
zu beſaͤnftigen und zu troͤſten, fuͤhrt auch un-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/73>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.