Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805.

Bild:
<< vorherige Seite

Gläubiger schliefen, und die Musen allein nicht
zu den letzten gehörten.

Ich konnte mich nicht entbrechen folgende
Standrede an ihn zu halten:

"O du, der du da oben dich herumtreibst,
"ich verstehe dich wohl, denn ich war einst
"deinesgleichen! Aber ich habe diese Beschäf-
"tigung aufgegeben gegen ein ehrliches Hand-
"werk, das seinen Mann ernährt, und das
"für denjenigen, der sie darin aufzufinden
"weiß, doch keinesweges ganz ohne Poesie ist.
"Ich bin dir gleichsam wie ein satirischer
"Stentor in den Weg gestellt, und unterbreche
"deine Träume von Unsterblichkeit, die du da
"oben in der Luft träumst, hier unten auf
"der Erde regelmäßig durch die Erinnerung
"an die Zeit und Vergänglichkeit. Nachtwäch-
"ter sind wir zwar beide; schade nur daß dir
"deine Nachtwachen in dieser kalt prosaischen
"Zeit nichts einbringen, indeß die meinigen

Glaͤubiger ſchliefen, und die Muſen allein nicht
zu den letzten gehoͤrten.

Ich konnte mich nicht entbrechen folgende
Standrede an ihn zu halten:

„O du, der du da oben dich herumtreibſt,
„ich verſtehe dich wohl, denn ich war einſt
„deinesgleichen! Aber ich habe dieſe Beſchaͤf-
„tigung aufgegeben gegen ein ehrliches Hand-
„werk, das ſeinen Mann ernaͤhrt, und das
„fuͤr denjenigen, der ſie darin aufzufinden
„weiß, doch keinesweges ganz ohne Poeſie iſt.
„Ich bin dir gleichſam wie ein ſatiriſcher
„Stentor in den Weg geſtellt, und unterbreche
„deine Traͤume von Unſterblichkeit, die du da
„oben in der Luft traͤumſt, hier unten auf
„der Erde regelmaͤßig durch die Erinnerung
„an die Zeit und Vergaͤnglichkeit. Nachtwaͤch-
„ter ſind wir zwar beide; ſchade nur daß dir
„deine Nachtwachen in dieſer kalt proſaiſchen
„Zeit nichts einbringen, indeß die meinigen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0005" n="3"/>
Gla&#x0364;ubiger &#x017F;chliefen, und die Mu&#x017F;en allein nicht<lb/>
zu den letzten geho&#x0364;rten.</p><lb/>
        <p>Ich konnte mich nicht entbrechen folgende<lb/>
Standrede an ihn zu halten:</p><lb/>
        <p>&#x201E;O du, der du da oben dich herumtreib&#x017F;t,<lb/>
&#x201E;ich ver&#x017F;tehe dich wohl, denn ich war ein&#x017F;t<lb/>
&#x201E;deinesgleichen! Aber ich habe die&#x017F;e Be&#x017F;cha&#x0364;f-<lb/>
&#x201E;tigung aufgegeben gegen ein ehrliches Hand-<lb/>
&#x201E;werk, das &#x017F;einen Mann erna&#x0364;hrt, und das<lb/>
&#x201E;fu&#x0364;r denjenigen, der &#x017F;ie darin aufzufinden<lb/>
&#x201E;weiß, doch keinesweges ganz ohne Poe&#x017F;ie i&#x017F;t.<lb/>
&#x201E;Ich bin dir gleich&#x017F;am wie ein &#x017F;atiri&#x017F;cher<lb/>
&#x201E;Stentor in den Weg ge&#x017F;tellt, und unterbreche<lb/>
&#x201E;deine Tra&#x0364;ume von Un&#x017F;terblichkeit, die du da<lb/>
&#x201E;oben in der Luft tra&#x0364;um&#x017F;t, hier unten auf<lb/>
&#x201E;der Erde regelma&#x0364;ßig durch die Erinnerung<lb/>
&#x201E;an die Zeit und Verga&#x0364;nglichkeit. Nachtwa&#x0364;ch-<lb/>
&#x201E;ter &#x017F;ind wir zwar beide; &#x017F;chade nur daß dir<lb/>
&#x201E;deine Nachtwachen in die&#x017F;er kalt pro&#x017F;ai&#x017F;chen<lb/>
&#x201E;Zeit nichts einbringen, indeß die meinigen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[3/0005] Glaͤubiger ſchliefen, und die Muſen allein nicht zu den letzten gehoͤrten. Ich konnte mich nicht entbrechen folgende Standrede an ihn zu halten: „O du, der du da oben dich herumtreibſt, „ich verſtehe dich wohl, denn ich war einſt „deinesgleichen! Aber ich habe dieſe Beſchaͤf- „tigung aufgegeben gegen ein ehrliches Hand- „werk, das ſeinen Mann ernaͤhrt, und das „fuͤr denjenigen, der ſie darin aufzufinden „weiß, doch keinesweges ganz ohne Poeſie iſt. „Ich bin dir gleichſam wie ein ſatiriſcher „Stentor in den Weg geſtellt, und unterbreche „deine Traͤume von Unſterblichkeit, die du da „oben in der Luft traͤumſt, hier unten auf „der Erde regelmaͤßig durch die Erinnerung „an die Zeit und Vergaͤnglichkeit. Nachtwaͤch- „ter ſind wir zwar beide; ſchade nur daß dir „deine Nachtwachen in dieſer kalt proſaiſchen „Zeit nichts einbringen, indeß die meinigen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/5
Zitationshilfe: Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/5>, abgerufen am 29.03.2024.