nen Repräsentanten! -- Der lezte Mann war mein Hanswurst; ich erniedrigte mich für ihn fast zu Bitten -- allein man that mir kund, daß durch ein strenges Zensuredikt alle Satire im Staate ohne Ausnahme verboten sei, und man sie schon zum voraus in den Köpfen kon- fiscire. Mit Mühe erhielt ich es nur auf ei- nen Augenblick noch mit ihm abseits zu treten; ich nahm ihn mit mir hinter eine Koulisse, und hier in der Einsamkeit drückte ich unbe- lauscht seinen hölzernen Mund an den meini- gen und vergoß die zweite Thräne, denn er war außer Ophelia das einzige Wesen, das ich in der Welt wahrhaftig geliebt hatte. --
Mein Mitdirektor ging den ganzen darauf folgenden Tag wie ein Träumender umher, und am Abende fand man ihn, weil er die angesagte Tragikomödie nicht schuldig bleiben wollte, auf der Bühne an einer Wolke er- hängt.
So traurig endete auch dieses Unterneh- men, und ich suchte nun endlich mit Ernst,
nen Repraͤſentanten! — Der lezte Mann war mein Hanswurſt; ich erniedrigte mich fuͤr ihn faſt zu Bitten — allein man that mir kund, daß durch ein ſtrenges Zenſuredikt alle Satire im Staate ohne Ausnahme verboten ſei, und man ſie ſchon zum voraus in den Koͤpfen kon- fiscire. Mit Muͤhe erhielt ich es nur auf ei- nen Augenblick noch mit ihm abſeits zu treten; ich nahm ihn mit mir hinter eine Kouliſſe, und hier in der Einſamkeit druͤckte ich unbe- lauſcht ſeinen hoͤlzernen Mund an den meini- gen und vergoß die zweite Thraͤne, denn er war außer Ophelia das einzige Weſen, das ich in der Welt wahrhaftig geliebt hatte. —
Mein Mitdirektor ging den ganzen darauf folgenden Tag wie ein Traͤumender umher, und am Abende fand man ihn, weil er die angeſagte Tragikomoͤdie nicht ſchuldig bleiben wollte, auf der Buͤhne an einer Wolke er- haͤngt.
So traurig endete auch dieſes Unterneh- men, und ich ſuchte nun endlich mit Ernſt,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0271"n="269"/>
nen Repraͤſentanten! — Der lezte Mann war<lb/>
mein Hanswurſt; ich erniedrigte mich fuͤr ihn<lb/>
faſt zu Bitten — allein man that mir kund,<lb/>
daß durch ein ſtrenges Zenſuredikt alle Satire<lb/>
im Staate ohne Ausnahme verboten ſei, und<lb/>
man ſie ſchon zum voraus in den Koͤpfen kon-<lb/>
fiscire. Mit Muͤhe erhielt ich es nur auf ei-<lb/>
nen Augenblick noch mit ihm abſeits zu treten;<lb/>
ich nahm ihn mit mir hinter eine Kouliſſe,<lb/>
und hier in der Einſamkeit druͤckte ich unbe-<lb/>
lauſcht ſeinen hoͤlzernen Mund an den meini-<lb/>
gen und vergoß die zweite Thraͤne, denn er<lb/>
war außer Ophelia das einzige Weſen, das<lb/>
ich in der Welt wahrhaftig geliebt hatte. —</p><lb/><p>Mein Mitdirektor ging den ganzen darauf<lb/>
folgenden Tag wie ein Traͤumender umher,<lb/>
und am Abende fand man ihn, weil er die<lb/>
angeſagte Tragikomoͤdie nicht ſchuldig bleiben<lb/>
wollte, auf der Buͤhne an einer Wolke er-<lb/>
haͤngt.</p><lb/><p>So traurig endete auch dieſes Unterneh-<lb/>
men, und ich ſuchte nun endlich mit Ernſt,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[269/0271]
nen Repraͤſentanten! — Der lezte Mann war
mein Hanswurſt; ich erniedrigte mich fuͤr ihn
faſt zu Bitten — allein man that mir kund,
daß durch ein ſtrenges Zenſuredikt alle Satire
im Staate ohne Ausnahme verboten ſei, und
man ſie ſchon zum voraus in den Koͤpfen kon-
fiscire. Mit Muͤhe erhielt ich es nur auf ei-
nen Augenblick noch mit ihm abſeits zu treten;
ich nahm ihn mit mir hinter eine Kouliſſe,
und hier in der Einſamkeit druͤckte ich unbe-
lauſcht ſeinen hoͤlzernen Mund an den meini-
gen und vergoß die zweite Thraͤne, denn er
war außer Ophelia das einzige Weſen, das
ich in der Welt wahrhaftig geliebt hatte. —
Mein Mitdirektor ging den ganzen darauf
folgenden Tag wie ein Traͤumender umher,
und am Abende fand man ihn, weil er die
angeſagte Tragikomoͤdie nicht ſchuldig bleiben
wollte, auf der Buͤhne an einer Wolke er-
haͤngt.
So traurig endete auch dieſes Unterneh-
men, und ich ſuchte nun endlich mit Ernſt,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/271>, abgerufen am 08.05.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.