Einst hatte ich mich eben von meinem La- ger, einem duftenden blumigten Rasen, auf- gerichtet, und schaute in die Morgenglut, die wie ein Geist aus dem Meere aufstieg, wobei ich, um das Nützliche mit dem Angenehmen zu verbinden, eine aufgegrabene Wurzel an- biß. Es gehört zur menschlichen Größe in der Nähe erhabener Gegenstände, Nebengeschäfte zu betreiben, z.B. der aufgehenden Sonne, mit der Pfeife im Munde ins Antlitz zu schauen, oder während der Katastrophe einer Tragödie Makkaroni zu speisen und dergleichen; die Menschen haben es darin sehr weit gebracht.
Als ich nun so behaglich da lag, wandelte mich die Laune zu einem Monologe an, den ich folgendergestalt hielt:
"Nichts geht doch über das Lachen, und ich schlage es fast so hoch an, wie andere ge- bildete Leute das Weinen, obgleich sich eine Thräne leicht zu Tage fördern läßt, blos
Einſt hatte ich mich eben von meinem La- ger, einem duftenden blumigten Raſen, auf- gerichtet, und ſchaute in die Morgenglut, die wie ein Geiſt aus dem Meere aufſtieg, wobei ich, um das Nuͤtzliche mit dem Angenehmen zu verbinden, eine aufgegrabene Wurzel an- biß. Es gehoͤrt zur menſchlichen Groͤße in der Naͤhe erhabener Gegenſtaͤnde, Nebengeſchaͤfte zu betreiben, z.B. der aufgehenden Sonne, mit der Pfeife im Munde ins Antlitz zu ſchauen, oder waͤhrend der Kataſtrophe einer Tragoͤdie Makkaroni zu ſpeiſen und dergleichen; die Menſchen haben es darin ſehr weit gebracht.
Als ich nun ſo behaglich da lag, wandelte mich die Laune zu einem Monologe an, den ich folgendergeſtalt hielt:
„Nichts geht doch uͤber das Lachen, und ich ſchlage es faſt ſo hoch an, wie andere ge- bildete Leute das Weinen, obgleich ſich eine Thraͤne leicht zu Tage foͤrdern laͤßt, blos
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0260"n="258"/><p>Einſt hatte ich mich eben von meinem La-<lb/>
ger, einem duftenden blumigten Raſen, auf-<lb/>
gerichtet, und ſchaute in die Morgenglut, die<lb/>
wie ein Geiſt aus dem Meere aufſtieg, wobei<lb/>
ich, um das Nuͤtzliche mit dem Angenehmen<lb/>
zu verbinden, eine aufgegrabene Wurzel an-<lb/>
biß. Es gehoͤrt zur menſchlichen Groͤße in der<lb/>
Naͤhe erhabener Gegenſtaͤnde, Nebengeſchaͤfte<lb/>
zu betreiben, z.B. der aufgehenden Sonne,<lb/>
mit der Pfeife im Munde ins Antlitz zu ſchauen,<lb/>
oder waͤhrend der Kataſtrophe einer Tragoͤdie<lb/>
Makkaroni zu ſpeiſen und dergleichen; die<lb/>
Menſchen haben es darin ſehr weit gebracht.</p><lb/><p>Als ich nun ſo behaglich da lag, wandelte<lb/>
mich die Laune zu einem Monologe an, den<lb/>
ich folgendergeſtalt hielt:</p><lb/><p>„Nichts geht doch uͤber das Lachen, und<lb/>
ich ſchlage es faſt ſo hoch an, wie andere ge-<lb/>
bildete Leute das Weinen, obgleich ſich eine<lb/>
Thraͤne leicht zu Tage foͤrdern laͤßt, blos<lb/></p></div></body></text></TEI>
[258/0260]
Einſt hatte ich mich eben von meinem La-
ger, einem duftenden blumigten Raſen, auf-
gerichtet, und ſchaute in die Morgenglut, die
wie ein Geiſt aus dem Meere aufſtieg, wobei
ich, um das Nuͤtzliche mit dem Angenehmen
zu verbinden, eine aufgegrabene Wurzel an-
biß. Es gehoͤrt zur menſchlichen Groͤße in der
Naͤhe erhabener Gegenſtaͤnde, Nebengeſchaͤfte
zu betreiben, z.B. der aufgehenden Sonne,
mit der Pfeife im Munde ins Antlitz zu ſchauen,
oder waͤhrend der Kataſtrophe einer Tragoͤdie
Makkaroni zu ſpeiſen und dergleichen; die
Menſchen haben es darin ſehr weit gebracht.
Als ich nun ſo behaglich da lag, wandelte
mich die Laune zu einem Monologe an, den
ich folgendergeſtalt hielt:
„Nichts geht doch uͤber das Lachen, und
ich ſchlage es faſt ſo hoch an, wie andere ge-
bildete Leute das Weinen, obgleich ſich eine
Thraͤne leicht zu Tage foͤrdern laͤßt, blos
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/260>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.