Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805.

Bild:
<< vorherige Seite

den, ob ich ein Traum -- ob es nur Spiel,
oder Wahrheit, und ob die Wahrheit wieder
mehr als Spiel -- eine Hülse sitzt über der
andern, und ich bin oft auf dem Punkte den
Verstand darüber zu verlieren.

Hilf mir nur meine Rolle zurücklesen, bis
zu mir selbst. Ob ich denn selbst wohl noch
außer meiner Rolle wandle, oder ob alles nur
Rolle, und ich selbst eine dazu. Die Alten
hatten Götter, und auch einen darunter, den
sie Traum nannten, es mußte ihm sonderbar
zu Muthe sein, wenn es ihm etwa einfiel
sich für wirklich halten zu wollen, und er doch
immer nur Traum blieb. Fast glaube ich der
Mensch ist auch solch ein Gott. Ich möchte
gern mich auf einen Augenblick mit mir selbst
unterreden, um zu erfahren, ob ich selbst liebe,
oder nur mein Name Ophelia -- und ob die
Liebe selbst etwas ist, oder nur ein Name. --
Sieh, da suche ich mich zu ereilen, aber ich
laufe immer vor mir her und mein Name hin-

den, ob ich ein Traum — ob es nur Spiel,
oder Wahrheit, und ob die Wahrheit wieder
mehr als Spiel — eine Huͤlſe ſitzt uͤber der
andern, und ich bin oft auf dem Punkte den
Verſtand daruͤber zu verlieren.

Hilf mir nur meine Rolle zuruͤckleſen, bis
zu mir ſelbſt. Ob ich denn ſelbſt wohl noch
außer meiner Rolle wandle, oder ob alles nur
Rolle, und ich ſelbſt eine dazu. Die Alten
hatten Goͤtter, und auch einen darunter, den
ſie Traum nannten, es mußte ihm ſonderbar
zu Muthe ſein, wenn es ihm etwa einfiel
ſich fuͤr wirklich halten zu wollen, und er doch
immer nur Traum blieb. Faſt glaube ich der
Menſch iſt auch ſolch ein Gott. Ich moͤchte
gern mich auf einen Augenblick mit mir ſelbſt
unterreden, um zu erfahren, ob ich ſelbſt liebe,
oder nur mein Name Ophelia — und ob die
Liebe ſelbſt etwas iſt, oder nur ein Name. —
Sieh, da ſuche ich mich zu ereilen, aber ich
laufe immer vor mir her und mein Name hin-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0246" n="244"/>
den, ob ich ein Traum &#x2014; ob es nur Spiel,<lb/>
oder Wahrheit, und ob die Wahrheit wieder<lb/>
mehr als Spiel &#x2014; eine Hu&#x0364;l&#x017F;e &#x017F;itzt u&#x0364;ber der<lb/>
andern, und ich bin oft auf dem Punkte den<lb/>
Ver&#x017F;tand daru&#x0364;ber zu verlieren.</p><lb/>
        <p>Hilf mir nur meine Rolle zuru&#x0364;ckle&#x017F;en, bis<lb/>
zu mir &#x017F;elb&#x017F;t. Ob ich denn &#x017F;elb&#x017F;t wohl noch<lb/>
außer meiner Rolle wandle, oder ob alles nur<lb/>
Rolle, und ich &#x017F;elb&#x017F;t eine dazu. Die Alten<lb/>
hatten Go&#x0364;tter, und auch einen darunter, den<lb/>
&#x017F;ie Traum nannten, es mußte ihm &#x017F;onderbar<lb/>
zu Muthe &#x017F;ein, wenn es ihm etwa einfiel<lb/>
&#x017F;ich fu&#x0364;r wirklich halten zu wollen, und er doch<lb/>
immer nur Traum blieb. Fa&#x017F;t glaube ich der<lb/>
Men&#x017F;ch i&#x017F;t auch &#x017F;olch ein Gott. Ich mo&#x0364;chte<lb/>
gern mich auf einen Augenblick mit mir &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
unterreden, um zu erfahren, ob ich &#x017F;elb&#x017F;t liebe,<lb/>
oder nur mein Name Ophelia &#x2014; und ob die<lb/>
Liebe &#x017F;elb&#x017F;t etwas i&#x017F;t, oder nur ein Name. &#x2014;<lb/>
Sieh, da &#x017F;uche ich mich zu ereilen, aber ich<lb/>
laufe immer vor mir her und mein Name hin-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[244/0246] den, ob ich ein Traum — ob es nur Spiel, oder Wahrheit, und ob die Wahrheit wieder mehr als Spiel — eine Huͤlſe ſitzt uͤber der andern, und ich bin oft auf dem Punkte den Verſtand daruͤber zu verlieren. Hilf mir nur meine Rolle zuruͤckleſen, bis zu mir ſelbſt. Ob ich denn ſelbſt wohl noch außer meiner Rolle wandle, oder ob alles nur Rolle, und ich ſelbſt eine dazu. Die Alten hatten Goͤtter, und auch einen darunter, den ſie Traum nannten, es mußte ihm ſonderbar zu Muthe ſein, wenn es ihm etwa einfiel ſich fuͤr wirklich halten zu wollen, und er doch immer nur Traum blieb. Faſt glaube ich der Menſch iſt auch ſolch ein Gott. Ich moͤchte gern mich auf einen Augenblick mit mir ſelbſt unterreden, um zu erfahren, ob ich ſelbſt liebe, oder nur mein Name Ophelia — und ob die Liebe ſelbſt etwas iſt, oder nur ein Name. — Sieh, da ſuche ich mich zu ereilen, aber ich laufe immer vor mir her und mein Name hin-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/246
Zitationshilfe: Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/246>, abgerufen am 23.11.2024.