schönheit anzudeuten. Unsere modernen rich- ten sich auch danach, und ihre Köpfe sind in doppelter Hinsicht nur als Surrogate von Köpfen anzusehen, und stehen da oben nur gleichsam wie die Knöpfe auf Thürmen, zum bloßen Schlusse der Gestalt. -- Die Alten backten, wie jener Prometheus dort im Win- kel, ihre Menschen zwar auch aus Thon, aber sie schufen den Sonnenfunken mit hinein; -- wir spielen mit dem Feuer nicht gern, aus Furcht vor Gefahr, und lassen deshalb den Funken weg; -- ja es giebt jetzt sogar eine allgemeine Feuerpolizei -- eine Zensur und Rezensur -- die schnell genug jedwede Flamme, die emporlodern will, erstickt. So kann denn der Sonnenfunken bei uns nicht aufkommen. Weise Einrichtung des Staates, der lieber gute brauchbare Maschienen, als kühne Geister unter seinen Bürgern duldet, der den Fuchs selbst zum Balge herauspeitscht, um den Balg zu benutzen, der die Hände und Füße, als dauerhafte Dreh- und Tretemaschienen, höher
ſchoͤnheit anzudeuten. Unſere modernen rich- ten ſich auch danach, und ihre Koͤpfe ſind in doppelter Hinſicht nur als Surrogate von Koͤpfen anzuſehen, und ſtehen da oben nur gleichſam wie die Knoͤpfe auf Thuͤrmen, zum bloßen Schluſſe der Geſtalt. — Die Alten backten, wie jener Prometheus dort im Win- kel, ihre Menſchen zwar auch aus Thon, aber ſie ſchufen den Sonnenfunken mit hinein; — wir ſpielen mit dem Feuer nicht gern, aus Furcht vor Gefahr, und laſſen deshalb den Funken weg; — ja es giebt jetzt ſogar eine allgemeine Feuerpolizei — eine Zenſur und Rezenſur — die ſchnell genug jedwede Flamme, die emporlodern will, erſtickt. So kann denn der Sonnenfunken bei uns nicht aufkommen. Weiſe Einrichtung des Staates, der lieber gute brauchbare Maſchienen, als kuͤhne Geiſter unter ſeinen Buͤrgern duldet, der den Fuchs ſelbſt zum Balge herauspeitſcht, um den Balg zu benutzen, der die Haͤnde und Fuͤße, als dauerhafte Dreh- und Tretemaſchienen, hoͤher
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0229"n="227"/>ſchoͤnheit anzudeuten. Unſere modernen rich-<lb/>
ten ſich auch danach, und ihre Koͤpfe ſind in<lb/>
doppelter Hinſicht nur als Surrogate von<lb/>
Koͤpfen anzuſehen, und ſtehen da oben nur<lb/>
gleichſam wie die Knoͤpfe auf Thuͤrmen, zum<lb/>
bloßen Schluſſe der Geſtalt. — Die Alten<lb/>
backten, wie jener Prometheus dort im Win-<lb/>
kel, ihre Menſchen zwar auch aus Thon, aber<lb/>ſie ſchufen den Sonnenfunken mit hinein; —<lb/>
wir ſpielen mit dem Feuer nicht gern, aus<lb/>
Furcht vor Gefahr, und laſſen deshalb den<lb/>
Funken weg; — ja es giebt jetzt ſogar eine<lb/>
allgemeine Feuerpolizei — eine Zenſur und<lb/>
Rezenſur — die ſchnell genug jedwede Flamme,<lb/>
die emporlodern will, erſtickt. So kann denn<lb/>
der Sonnenfunken bei uns nicht aufkommen.<lb/>
Weiſe Einrichtung des Staates, der lieber<lb/>
gute brauchbare Maſchienen, als kuͤhne Geiſter<lb/>
unter ſeinen Buͤrgern duldet, der den Fuchs<lb/>ſelbſt zum Balge herauspeitſcht, um den Balg<lb/>
zu benutzen, der die Haͤnde und Fuͤße, als<lb/>
dauerhafte Dreh- und Tretemaſchienen, hoͤher<lb/></p></div></body></text></TEI>
[227/0229]
ſchoͤnheit anzudeuten. Unſere modernen rich-
ten ſich auch danach, und ihre Koͤpfe ſind in
doppelter Hinſicht nur als Surrogate von
Koͤpfen anzuſehen, und ſtehen da oben nur
gleichſam wie die Knoͤpfe auf Thuͤrmen, zum
bloßen Schluſſe der Geſtalt. — Die Alten
backten, wie jener Prometheus dort im Win-
kel, ihre Menſchen zwar auch aus Thon, aber
ſie ſchufen den Sonnenfunken mit hinein; —
wir ſpielen mit dem Feuer nicht gern, aus
Furcht vor Gefahr, und laſſen deshalb den
Funken weg; — ja es giebt jetzt ſogar eine
allgemeine Feuerpolizei — eine Zenſur und
Rezenſur — die ſchnell genug jedwede Flamme,
die emporlodern will, erſtickt. So kann denn
der Sonnenfunken bei uns nicht aufkommen.
Weiſe Einrichtung des Staates, der lieber
gute brauchbare Maſchienen, als kuͤhne Geiſter
unter ſeinen Buͤrgern duldet, der den Fuchs
ſelbſt zum Balge herauspeitſcht, um den Balg
zu benutzen, der die Haͤnde und Fuͤße, als
dauerhafte Dreh- und Tretemaſchienen, hoͤher
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/229>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.